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„Maritimes Hauptquartier“ der NatoAufregung lohnt nicht

Ulrike Winkelmann
Kommentar von Ulrike Winkelmann

Das neue „Hauptquartier“ der Nato in Rostock sorgt für Aufregung. Dabei wird eigentlich nur Personal aufgestockt, das Marinekommando ist dort seit 2012.

Bundesverteidigungsminister Pistorius und Vizeadmiral Jan Christian Kaack auf dem Weg zur Einweihung des neuen maritimen NATO-Hauptquartiers Foto: Bernhard Herrmann/imago

M it der Eröffnung eines neuen „maritimen Hauptquartiers“ läuft Verteidigungsminister Boris Pistorius in ein wohlbekanntes Kommunikationsdilemma: Einerseits müssen deutsche Militäraktivitäten der Sicherheits-Community und den Natopartnern stets pompös verkauft werden, um den Dauervorwurf zu bekämpfen, Deutschland leiste nicht genug in der Nato.

Andererseits muss dem militärskeptischen Teil der Bevölkerung signalisiert werden, dass alles so ist wie immer: Unsere Bundeswehr sitzt sicher in der Kaserne, Militärisches bleibt in bescheidenem Rahmen und funktioniert im Zweifel eh nicht.

Wladimir Putin beherrscht das Spiel mit solchen Widersprüchen und den Ängsten vieler Deutscher, er bestellt also den deutschen Botschafter ein, wenn in Rostock ein paar Dutzend Nato-Fachkräfte zusammengetrommelt werden, um die Ostsee zu überwachen. Denn darum geht es: Das Marinekommando ist dort seit 2012. Jetzt ziehen mehr internationale BeobachterInnen ein, als bisher schon da waren.

Die Vermehrung internationaler BeobachterInnen ist aber kaum als Verlegung von Streitkräften zu beschreiben.

Der Vorwurf von Putin, aber auch von hiesigen KritikerInnen, damit werde der Zwei-plus-Vier-Vertrag gebrochen, geht dabei in die Irre. Der Vertrag regelte 1990 die außen- und sicherheitspolitischen Belange der deutschen Wiedervereinigung. Er verbietet die Stationierung und Verlegung ausländischer „Streitkräfte und Atomwaffen“ auf DDR-Gebiet. Die Vermehrung internationaler BeobachterInnen ist aber kaum als „Verlegung von Streitkräften“ zu beschreiben.

Die Rahmenbedingungen könnten anders kaum sein

Doch auch wenn man diese Definition nicht teilt: Seit Unterzeichnung des Vertrags ist nicht nur die Sowjetunion zerfallen, hat nicht nur ein Großteil Osteuropas Einlass zur Nato begehrt und bekommen, sondern hat Putin auch einen Krieg in Europa begonnen. Der russische Angriff zwingt andere Staaten zu Abwehrmaßnahmen und das ist völkerrechtlich gedeckt.

Selbst wenn der Zwei-plus-Vier-Vertrag in den Augen mancher dadurch Schaden nähme – für diesen wäre allein Putin verantwortlich.

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Ulrike Winkelmann
Chefredakteurin
Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.
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12 Kommentare

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  • Es handelt sich um die Commander Task Force Baltic der NATO, bestehend aus deutschen und auslaendischen Offizieren.



    Die nach 4 Jahren rotierende Fuehrung hat zur Zeit der deutsche Konteradmiral Stephan Haisch inne. Sein Stellvertreter ist der polnische Konteradmiral Piotr Nieć. Chef des Stabes ist ein schwedischer Stabsoffizier. Es geht also nicht um Beobachter, soviel ist eindeutig.

  • Der Artikel bringt es auf den Punkt. Die Russen missachten seit Putins Überfall auf der Krim alle Verträge, da sollte man nicht auch noch deren alleinige Deutungshoheit akzeptieren.

  • "Doch auch wenn man diese Definition nicht teilt: Seit Unterzeichnung des Vertrags ist nicht nur die Sowjetunion zerfallen, hat nicht nur ein Großteil Osteuropas Einlass zur Nato begehrt und bekommen, sondern hat Putin auch einen Krieg in Europa begonnen."



    Was soll uns damit mitgeteilt werden? Nur weil es die Sowjetunion nicht mehr gibt, ein Teil davon in der NATO sich begeben hat und ja auch noch Krieg ist, dann gelten die Verträge nicht mehr?



    Das kann´s nicht sein. Wenn es vorher ein Standort der Bundeswehr wahr, der jetzt "offiziell" zu einem NATO-Standort wird und auch noch sich das Personal wie von Zauberhand vermehrt, dann kann man schon von "fremden Truppen" auf dem Gebiet sprechen, wo sie laut Vertrag nicht sein sollten.



    Und Vertrag, bleibt immer noch Vertrag.

    • @Mouse:

      Da es sich nicht um bewaffnete Verbände handelt, sondern um ein Kommandohauptquartier, das überdies eben nicht der NATO, sondern der Marine untersteht, ist der Vertrag nicht verletzt.

    • @Mouse:

      Wenn ich mit einer anderen Person einen Kaufvertrag abschließe für ein Auto und das Auto nicht bekomme, kann die andere Seite dann noch auf Vertragserfüllung bestehen?

      Wenn es Russland ist dann offenbar schon denn alles andere ist russophober Faschismus und Kriegstreiberei.

    • @Mouse:

      Wenn man die Präambel, also die ersten Zeilen des 2+4 Vertrages liest und versucht diese auf das aktuelle Russland zu beziehen, dann sieht man, dass sich Russland längst vom Vertrag verabschiedet hat:

      IN DEM BEWUSSTSEIN, daß ihre Völker seit 1945 miteinander in Frieden leben,



      EINGEDENK der jüngsten historischen Veränderungen in Europa, die es ermöglichen, die Spaltung des Kontinents zu überwinden,



      ENTSCHLOSSEN, in Übereinstimmung mit ihren Verpflichtungen aus der Charta der Vereinten Nationen freundschaftliche, auf der Achtung vor dem Grundsatz der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker beruhende Beziehungen zwischen den Nationen zu entwickeln und andere geeignete Maßnahmen zur Festigung des Weltfriedens zu treffen,

      EINGEDENK der Prinzipien der in Helsinki unterzeichneten Schlußakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa,

      IN ANERKENNUNG, daß diese Prinzipien feste Grundlagen für den Aufbau einer gerechten und dauer

      • @Anm2024:

        Es bleibt dabei:



        Vertrag ist Vertrag und bleibt Vertrag.

  • Putins Drohungen müssen und völlig egal sein. Er macht was er will und hört auf niemanden, warum sollten wir auf seine Drohungen hören. Im Gegenteil, wir sollten jetzt die Zügel noch viel straffen legen, damit Putin merkt, dass er mit uns nicht Kasperle spielen kann.

  • Na klar versucht Putin sich auch mit dreisten Lügen Vorteile zu verschaffen, um westl. Demokratien zu schwächen. Sollte man auch immer als Lüge markieren und, wie im Artikel geschehen, erläutern. Die Manipulationsversuche an der öffentlichen Meinung sind nicht immer so leicht zu erkennen, wie hier z.B. bei Benzo ...

  • Wenn Putin steil geht hat man bestimmt alles richtig gemacht, denn wenn der zufrieden ist läuft es für uns schlecht.



    Wenn wir uns auch so aufplustern würden, dann könnte der russische Botschafter im Auswärtigen Ant sein Feldbett aufschlagen.

  • Zitat: "... muss dem militärskeptischen Teil der Bevölkerung signalisiert werden, dass alles so ist wie immer: Unsere Bundeswehr sitzt sicher in der Kaserne, Militärisches bleibt in bescheidenem Rahmen und funktioniert im Zweifel eh nicht..."

    Wir zahlen eine unfassbar hohe Summe. Und haben nichts davon.

    Also pure Geldverschwendung.

    • @Benzo:

      Dann aber lieber diese Geldverschwendung, die mir die Sicherheit gibt, das meine Kinder in einer vernünftigen Schule ohne Angst ihre Meinung äußern dürfen, Demokratie lernen und nicht zu faschistischem Kanonenfutter erzogen werden. Und das meine Frau nicht als russische Gebärmaschine herhalten muß, um dem "Führer" im Kreml und dem Patriarchen genug neue Soldaten zu schenken.