Manifest der Parteichefs: Linken-Spitze will „Sozialismus 2.0“
Katja Kipping und Bernd Riexinger wollen an den Erfolg von Syriza anknüpfen. Ihr Vorschlag: Radikale Demokratie statt Bundestag und Volksabstimmung.
BERLIN taz | Die Vorsitzenden der Linkspartei sehen Gespenster. Katja Kipping und Bernd Riexinger schreiben in einem neuen Strategiepapier von den sozialen Protesten in Südeuropa, von der Bewegung der „Empörten“ in Spanien und von den Generalstreiks in Griechenland. „Ein Gespenst geht wieder um in Europa“, heißt es in dem Papier, das der taz vorliegt. „Genau genommen sind es viele Gespenster gegen die Trostlosigkeit der herrschenden neoliberalen Politik.“ Gespenster, an deren Erfolge die Linken-Chefs anknüpfen wollen.
Am Freitag werden die beiden ihr „Manifest der Zukunft“ (hier zum Download) im Rahmen einer Parteikonferenz in Berlin vorstellen. Ihr Vorbild: Die griechische Linkspartei Syriza, die verschiedene soziale Bewegungen erfolgreich vereint und dadurch die Parlamentswahlen gewonnen habe. Anders als in Spanien, wo die etablierte „Vereinigte Linke“ zusehen musste, wie in den Protestcamps eine Linkspartei neuen Typus entstand.
Das soll der deutschen Linkspartei nicht passieren. „Sollte sich auch in unserem Land eine neue gesellschaftliche Dynamik entwickeln, wollen wir mittendrin sein und nicht am Rande stehen“, schreiben Kipping und Riexinger. Dafür wollen sie den Mief abschütteln, der den Linken manchmal anhängt.
Hartz IV, liebstes Feindbild und Gründungsmythos der Partei zugleich, erwähnen sie auf 16 Seiten kein einziges Mal. Von „Kleinstaaterei“ oder „grauer Disziplin der alten Fabrikarbeit“ wollen sie nichts mehr wissen. Stattdessen geht der Blick nach vorne: Ein „freier, grüner, feministischer und lustvoller Sozialismus“ sei nötig. Kurz: der „Sozialismus 2.0“.
Der Sound der Straße
Auf dem Weg dorthin setzen die Linken-Chefs auf Mitbestimmung auf allen Ebenen. Demokratie im Bundestag und durch Volksentscheide reiche nicht aus. „Es geht darum, dass alle gesellschaftlichen Bereiche demokratisch durch die Menschen organisiert werden.“ Werden Schlüsselindustrien vergesellschaftet, können Beschäftigte mehr Entscheidungen treffen. Bleibt Infrastruktur in öffentlicher Hand, behalten die Bürger die Hoheit. Werden die Arbeitszeiten verkürzt, haben die Menschen mehr selbstbestimmte Zeit.
Aber auch die Partei selbst muss sich laut Kipping und Riexinger verändern: „Wenn nichts bleibt, wie es ist – weshalb sollte das ausgerechnet an einer linken Partei spurlos vorbei gehen?“ Heißt konkret: Die Linke solle ihre Kampagnenfähigkeit stärken, den Sound der Straße hören, ihre Parteibüros für soziale Bewegungen öffnen.
Fehlt eigentlich nur noch, dass sich die Bewegungen auch bemerkbar machen. Soziale Proteste wie im Süden Europas sind in Deutschland schließlich nicht in Sicht. „Jedoch“, schreiben die Vorsitzenden der Linkspartei voller Hoffnung, „das muss nicht so bleiben“.
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