Strategie der Linkspartei: Revolution wenigstens auf dem Papier
Die Parteichefs empfehlen der Linken mehr Distanz zu SPD und Grünen. Die AfD wollen sie in einem „offensiven Kulturkampf“ demaskieren.
Mit dem Revolutionspapier empfiehlt sich das Führungsduo für die Wiederwahl auf dem Parteitag Ende Mai. Dort wird auch die Frage auf der Tagesordnung stehen, wie sich die Linke künftig aufstellen soll, nachdem sie bei den Landtagswahlen im März all ihre Wahlziele verfehlt hat. Die Antwort von Kipping und Riexinger: radikaler werden. Der Begriff taucht gleich mehrfach auf.
„Kleine Kurskorrekturen innerhalb des neoliberalen Kapitalismus reichen nicht“, konstatiert das Führungsduo und ruft deshalb zur „Konfrontation mit den Reichen“ und zum Kampf für eine „radikale Besteuerung der Profite“, eine „radikale Umverteilung“ und auch für eine „radikale Kritik an der EU“ auf.
Keine ganz neuen Vorschläge, aber rhetorisch neu verpackt. Da ist zum einen das Spiel mit dem Wort „Revolution“. „Revolution ist heute nicht als Sturm auf das Winterpalais zu verstehen“, sagt Kipping der taz. Sie stellt aber klar: „Wir wollen Gegnerschaft klarer benennen.“Als Gegner machen Kipping und Riexinger neben den Begüterten und der EU auch die Alternative für Deutschland aus. Gegen die Ideen der AfD von Nation, Familie und Autorität setzt man auf einen „offensiven Kulturkampf“.
Klinkenputzen in Stuttgart
Die AfD hatte bei den jüngsten Landtagswahlen aus dem einstigen Stammwählerlager der Linken Zulauf bekommen und wurde bei ArbeiterInnen, Erwerbslosen und gewerkschaftlich Gebundenen stärkste Partei. Riexinger und Kipping wollen einen Teil dieser Menschen zurückgewinnen und zugleich Nichtwähler mobilisieren. „Was wir von Corbyn, Sanders und Podemos lernen können“ ist ein Absatz überschrieben, in dem Kipping und Riexinger eine Zuhörinitiative anregen.
Eine Strategie, die Riexinger selbst im Wahlkampf ausprobiert hat, als er in Stuttgart an Haustüren klingelte, um mit Bewohnern ins Gespräch zu kommen und sie auf Initiativen aufmerksam zu machen – etwa ein Mieterfrühstück. Mit solchen Aktionen will die Partei an ihre einstigen Erfolge als Kümmerpartei im Osten anknüpfen. Denn eine der Lehren, die Kipping und Riexinger aus dem Wahldesaster gezogen haben, heißt auch: „eben nicht staatstragend aufzutreten“.
Aus dem Positionspapier
Dazu passt, dass die beiden Parteichefs dem Projekt einer rot-rot-grünen Bundesregierung erst einmal Adieu sagen. Die Frage, ob Rot-Rot-Grün auch im Bund möglich sei, war lange Zeit diskutiert worden. Riexinger hatte das in der Vergangenheit auch beworben.
Nun konstatieren er und Kipping: „Es gibt kein linkes Lager der Parteien mehr.“ Man lasse die Grünen und die SPD nicht aus der Verantwortung, sagte Kipping. „Aber wir rennen ihnen auch nicht hinterher. Wir sind nicht in der Bittposition.“ Die Linke soll sich künftig als Motor eines Lagers der Solidarität verstehen. Grüne und SPD seien herzlich eingeladen, ein „grundlegender Kurswechsel“ vorausgesetzt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt