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Mäzen baut Hamburg eine OperEin kühnes Geschenk

Der Hamburger Senat und Milliardär Klaus-Michael Kühne haben sich in geheimen Verhandlungen geeinigt: Kühne bezahlt der Stadt den Bau einer neuen Oper.

Eine Oper nimmt er liebend gern: Bürgermeister Peter Tschentscher (rechts) Foto: Christian Charisius/dpa

Hamburg taz | Der Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) freute sich sichtlich. „Das ist ein wirklich großzügiges Geschenk“, sagte er auf einer Pressekonferenz am Freitagmittag im Rathaus – mehr als einmal. Nun ist offiziell, dass die Stadt dieses Geschenk annehmen will: den Bau einer neuen Oper in der Hafencity, für den die Stiftung des milliardenschweren Unternehmers Klaus-Michael Kühne die Kosten übernimmt.

Die Details für diesen Deal stellte Tschentscher zusammen mit Kultursenator Carsten Brosda (SPD), dem Geschäftsführer der Kühne-Stiftung, Jörg Dräger, und dem Präsidenten der Kühne-Holding AG, Karl Gernandt, am Freitag der Öffentlichkeit vor – rund drei Wochen vor der Bürgerschaftswahl.

Demnach übernimmt die Kühne-Stiftung die gesamten Kosten für den Bau des Gebäudes, inklusive aller Kostensteigerungen. Bis zu welcher Obergrenze, dazu wollten Dräger und Gernandt keine konkreten Zahlen nennen, dafür sei es noch zu früh – eine Milliarde Euro solle es aber nicht kosten. Die Stadt wiederum soll nur das Grundstück zur Verfügung stellen und bebaubar machen und dafür nicht mehr als 147,5 Millionen Euro ausgeben müssen.

Durch die Deckelung gehe die Stadt kein Risiko ein, sagte Tschentscher. Er habe daher keine Bedenken, dass die Oper der nächste Elbtower werden könne: Anders als beim Hochhaus, der wegen der Insolvenz der Signa-Gruppe aktuell nicht weiter gebaut wird, würde sich die Kühne-Holding verpflichten, die Oper im Fall einer Insolvenz der Stiftung fertigzustellen. Die Stadt müsse also nicht einspringen, um eine halbfertige Ruine fertigzustellen.

Neubau billiger als Sanierung des alten Operngebäudes

Der Vertrag zwischen der Stadt und der Kühne-Stiftung liege gerade beim Notar, sagte Kultursenator Brosda. Anfang dieser Woche war bekannt geworden, dass ein erster Termin beim Notar geplatzt war. Dabei sei es allerdings nur um Details gegangen, es sei in dieser Woche nicht neu verhandelt worden, sagte Brosda. Der beglaubigte Vertrag soll Anfang nächster Woche online veröffentlicht werden.

Darin soll auch festgehalten sein, dass nach der Fertigstellung das Gebäude in den Besitz der Stadt übergeht. Geplant ist, dass das 2032 der Fall sein soll.

Das jetzige denkmalgeschützte Haus der Hamburger Staatsoper in der Innenstadt soll zukünftig als Theater genutzt werden. Für die dringend nötige Sanierung seien in den nächsten Jahren Summen „im zweistelligen Millionensegment“ eingeplant, sagte Brosda. Das Haus als Theater zu nutzen sei billiger, als eine „Opern-Maschinerie“ zu sanieren, so Brosda.

Freude über das Opern-Geschenk kommt aus vielen Richtungen. Die neue Oper sei eine gute Nachricht für den Tourismus, sagt die Hamburger FDP. Mäzenatentum sei grundsätzlich „eine tolle Sache“, meint die CDU. Auch die Grünen freuen sich darüber, „wenn Reiche ihrer Stadt etwas zurückgeben“.

Kritik an Standort-Wahl

Die Linke kritisiert dagegen, dass die Stadt mit der Kühne-Stiftung verhandelt hat, ohne die Öffentlichkeit einzubeziehen. „Ein Geschenk über hunderte Millionen Euro ersetzt weder die notwendige öffentliche Beteiligung noch Transparenz“, sagt Heike Sudmann, stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion. Kritik am Umgang der Stadt mit der Kühne Oper hat es von Anfang an gegeben: Immer wieder war kritisiert worden, dass die Verhandlungen zwischen der Stadt und Kühne unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden.

Außerdem gab es Kritik am Standort am Baakenhöft, der eine koloniale Vergangenheit hat. So legten vom nahegelegenen Baakenhafen im Kaiserreich Schiffe ab, die Soldaten ins heutige Namibia transportierten, wo sie am Völkermord an den Herero und Nama von 1904 bis 1908 beteiligt waren. Die Forderung, am Standort ein Dokumentationszentrum einzurichten, spiele in der Opern-Planung aber keine Rolle, sagte Kultursenator Brosda. Es handele sich dabei um das Bundesprojekt eines nationalen Dokumentationszentrums über die deutschen Kolonialverbrechen, für das andere Standorte als Hamburg wahrscheinlicher seien.

Auch nicht unumstritten ist der Schenker Klaus-Michael Kühne selbst. So hat sein Unternehmen Kühne + Nagel erheblich an der sogenannten Arisierung, dem Raub von Eigentum deportierter Jü­din­nen*­Ju­den und Rom*­nja und Sin­ti*z­ze profitiert. Kühne ist wiederholt dafür kritisiert worden, dass er die Geschichte seiner Firma nicht richtig aufarbeitet. So hat er etwa die Veröffentlichung einer Studie zur Verstrickung von Kühne + Nagel mit dem NS verhindert.

„Stadt hofiert Nazi-Profiteur“

Auf die Frage der taz, ob er kein Problem damit habe, Geld von einem Arisierungsprofiteur anzunehmen, kam Tschentscher am Freitag ein bisschen ins Schwimmen. „Ich will darauf hinweisen, dass Klaus-Michael Kühne zu der Zeit Kind war“, sagte er dann unter anderem.

Für Cornelia Kehrt von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, Bund der An­ti­fa­schis­t*in­nen (VVN BdA) ist ein schlechtes Argument. Es gehe nicht darum, wie alt Kühne war, sondern, dass der Grundstock seines Vermögens im Nationalsozialismus gemacht worden sei. „Mit der Entscheidung, die Oper anzunehmen, hofiert die Stadt einen Nazi-Profiteur“ sagt Kehrt.

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19 Kommentare

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  • Geniale Idee, die Oper aus dem Stadtzentrum, leicht erreichbar mit fast allen Ubahn und Sbahnlinien und vielen Buslinien und jeder Menge Gastronomie rund herum, an die Elbe zu verschieben. Das Gebäude der Staatsoper muss ja sowieso renoviert werden, wenn man sie erhalten will (ob das teurer wird als ein neues Gebäude inklusive der Erschließung am Baakenhafen, sei mal dahingestellt, ich habe da Zweifel), also wird der ganze Plan den Steuerzahler erheblich mehr Geld kosten, auch wenn Kühne etwas dazu gibt.

  • es kommt in Mode, dass Milliardäre bekommen was sie wollen. Dieser Trend ist nun auch schon in Hamburg angekommen. Man darf gespannt sein, wie dieses Trauerspiel weitergeht.

    • @Jutta Kodrzynski:

      Schon einmal darüber nachgedacht, dass evtl. auch die Einwohner Hamburgs bekommen was sie wollen und dies nicht als Trauerspiel betrachten?

      • @Tom Tailor:

        Da sie weder detailliert informiert noch in irgendeiner Form gefragt wurden, werden wir das nie erfahren.

        • @sàmi2:

          Tja, das wurden sie bzgl. der "Elphi" auch nie. Trotzdem will sie nun (fast) keiner mehr missen.

  • Es werden reichlich sonderbare Argumente gegen das Projekt angeführt. Wie sagte es einmal ein TAZ Leser im Forum sehr treffend: links ist auch eine konsistente Haltung „dagegen“ ohne dass man notwendigerweise definiert was man alternativ befürwortet.

    • @alterego:

      Mir fallen auf Anhieb bis zu rund 147,5 Millionen Gegenargumente ein.

      Die neue Oper ist überflüssig, jeden Cent den die Stadt dafür ausgeben muss ist 1 zu viel.

      Hätte der Kühne das Grundstück gekauft, selbst erschlossen, die Oper gebaut und dann der Stadt geschenkt könnte man ja darüber reden.

      • @sociajizzm:

        Warum ist die neue Oper überflüssig?

    • @alterego:

      die LINKE begründet sehr konkret, warum sie gegen das kühne-opern-projekt ist.



      wieso sollte sie dann eine alternative präsentieren?

      mich würde außerdem interessieren, wieso die staatsopern-maschinerie grundlegend saniert werden muß + wer da den hut aufhat, was die expertise hierzu anbetrifft.



      das könnte die taz ruhig mal recherchieren, + nicht nur berichten, wer was sagt + meint. investigativer jounalismus heißt das, glaube ich.

      ansonsten erinnert mich ihre haltung an meine alten lehrer (die sind alle tot, wären an die 100 jahre!!!), die meinten, positive kritik beinhalte auch gegenvorschläge.

      die z.b. darin bestehen könnten, nachzuweisen, daß betrugsgefahr besteht (s. elbtower), daß versprechen hinsichtlich privater bezuschussung von öffentlichen bauprojekten oft nicht das papier wert sind, auf dem sie stehen usw.usf.

      was, wenn sich durch kritische vorgehen rausstellte, daß eine neue oper schlicht keinen sinn macht? daß es für die FHH teurer wird als versprochen; daß die herkunft der gelder Kühns aus der nazi-vergangenheit allein schon grund zur ablehnung seines mäzenatentums wäre?

  • also zugezogene frage ich mich, wieso die hambugerInnen sich sowas gefallen lassen. die besucherInnen der staatsoper gehören nicht grade zu den ärmsten - aber scheinen hinnehmen zu wollen, daß sie nicht gefragt werden.



    ich frage mich, wie man mit den öffis dahin kommen soll. die derzeitige staatsoper ist sehr gut mit öffis erreichbar, mit dem rad wäre für mich die hafencity fast doppelt soweit + die radwege dort gibts nicht oder lassen zu wünschen übrig. in der hafencity sind durch unachtsamkeit vor allem der lkw-fahrer einige schlimme unfälle mit radelnden passiert. ich neige dazu, mich als ältere person dort nicht mit dem rad hinzubewegen.



    auch die anderen punkte, die die LINKE anführt, sind ein grund, das projekt heftig in frage zu stellen.



    außerdem:



    die staatsoper durch eine neue in der hafencity ersetzen - dadurch soll wohl eher die hafencity statt das kulturleben aufgemotzt werden. das mekka des bauwahns + der riesenbauruine elbtower, auch so ein milliardärsprojekt, das in die hose ging.



    + wer sagt denn, daß ein milliardär sich an seine versprechen, die gesamtkosten zu tragen, hält?



    also: ein zweifelhaftes projekt, bei dem die FHH eigentlich nur schaden nehmen kann.

    • @Brot&Rosen:

      Selbst als zugezogene Hamburgerin sollten Sie wissen, dass die "Hafencity" mit all ihren repräsentativen Gebäuden via Bus und U-Bahn sehr gut zu erreichen ist.

      Also warum nicht auch die neue Oper? Und warum sollten sich die Hamburger als Einwohner daran stören? Die "Elphi" wurde letztendlich auch gut aufgenommen und die Konzertqualität IST auch besser als in der alten Konzerthalle, Also darf man dieses auch für die neue Oper unterstellen, und darauf kommt es an. Das alte Gebäude wird letztendlich ja auch nicht abgerissen.

      Und was die Vergangenheit der Familie Kühne betrifft: wenn es danach geht kann man alles und jedes in Frage stellen, letztendlich hat auch die ganze Stadt Hamburg Reichtum durch Kolonisierung aufgebaut. Man kann aber auch irgendwann mal die Kirche im Dorf lassen und anerkennen, dass dies sowohl für die allermeisten Hamburger als auch Touristen einfach kein Thema (mehr) ist und sich einfach an "Leuchtturmprojekten" dieser Stadt erfreuen, anstatt moralinsauer an allem herumzumäkeln.

      • @Tom Tailor:

        Irgendwann muss auch mal Schluss sein? Können wir jetzt unsere Geschichte wieder als glorreiche Entdeckung und Zivilisierung neuer Welten verklären und uns an unserem Reichtum erfreuen? Ich würde sagen, das ist nicht mehr zeitgemäß und wir wissen auch mittlerweile zu viel, um das unbeschwert fortzusetzen.

        • @sàmi2:

          Tja, was "zeitgemäß" ist oder nicht, darüber haben weder Sie noch ich irgendeine Deutungshoheit. Was allerdings noch nie funktioniert hat ist, den Menschen andauernd erklären zu wollen woran sie sich zu erfreuen haben bzw. ihnen andauernd ein schlechtes Gewissen einzureden. Das mag für den einen oder anderen vielleicht eine moralische Pflicht sein oder seinem Gerechtigkeitsempfinden entsprechen, man muss allerdings damit leben (müssen) das dies von einer überwältigenden Mehrheit nicht goutiert wird. Es hat ja seinen Grund, warum derartige Politik nirgendwo auf der Welt regierungsfähig ist. Von daher: wer gerne griesgrämig und moralinsauer vor sich hin kritisieren möchte kann dies gerne tun, sollte aber tunlichst seine Mitmenschen damit in Ruhe lassen.

    • @Brot&Rosen:

      Die Ubahn-Station Hafen-City-Universität ist direkt vor der Haustür. Vom Jungfernstieg benötigt die U4 dorthin 5-6 Minuten.

  • Wäre es nicht besser, Kühne würde z.B. auf seine Schiffsbeteiligungen und sein Vermögen, welches sich auch auf den Gewinnen des NS-Musterbetriebs Kühne&Nagel begründet, angemessen Steuern in Deutschland entrichten. Dann könnte die Politik entscheiden, wie das Geld sinnvoller als für den Bau einer Oper eingesetzt wird.

    • @Flix:

      genau das ist der Punkt. Der Steuerflüchtlig (das sind übrigens die teuersten Flüchtlinge) geriert sich als Herzenshamburger der nur seiner Heimatstadt etwas Gutes tun will. Falsch, er will sich ein Denkmal setzen dessen finanzielle Mittel aus Steuern stammen die eigentlich in Deutschland / Hamburg fällig gewesen wären. Ausserdem ist es ein Unding und zeugt von der Gutsherrenmentalität der SPD in Hamburg, so kurz vor den Bürgerschaftswahlen (weniger als 1 Monat) derartige Verpflichtungen für die Stadt einzugehen.

  • Da soll also in Sichtweite, des mit Riesentammtamm errichteten Opernhauses genannt: *Elbphilharmonie* ein zweites Opernhaus gebaut werden.

    Kann mir irgend wer erklären was das soll.??

    Ich mein, die Zahl der Obdachlosen in Hamburg hat sich letzlich verdoppelt.. Und jetzt sollen also nicht etwa mehr Wohnungen gebaut werden sondern eine zweites Operhaus..

    Aber gut..ist ja das Geschenk eines Milliardärs, der ganz offensichtlich nicht mehr weiß wohin mit seinem Geld..

    Wenn es noch irgend eines Beweises bedarf, wie ABSURD ungleich die Geldvermögen verteilt sind..

    -> Hier ist er..

  • taz: *Freude über das Opern-Geschenk kommt aus vielen Richtungen. Die neue Oper sei eine gute Nachricht für den Tourismus, ...*

    Tourismus? Ich dachte immer, dass Hamburger in die Hamburger Oper gehen und dass der alte Standort sehr gut zu erreichen ist, aber wenn der Milliardär Klaus-Michael Kühne lieber eine Oper in der Hafencity haben möchte, dann ist es eben so. Milliardäre haben ja ohnehin schon überall das Sagen in der Welt, und auch in Hamburg fragt man nicht mehr vorher die Hamburger, ob die ihre Oper jetzt in der Hafencity haben wollen, sondern freut sich über das "kühne Geschenk" eines Milliardärs. Mal schauen was andere Milliardäre (Elon Musk, ...) demnächst für Geschenke mitbringen, um Politiker für sich einzunehmen.

    • @Ricky-13:

      Der neue Standort ist auch sehr gut zu erreichen. Ich habe jedenfalls nicht den Eindruck dass z.B. Kammerorchester in der "Elphi" vor leeren Rängen stattfinden müssen, weil der Konzertsaal ausserhalb der von Öffis angefahrenen Routen liegt.