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Männer und MenschheitDer Fisch stinkt vom Schwanz her

Die Menschheit hat ein Männerproblem, aber sich für die Fehler anderer Männer zu entschuldigen, ist keine Lösung. Ein fiktives Gespräch unter Männern.

Da ist vielleicht was dran: Schild bei einer Demonstration am Tag für die Beseitigung von Gewalt gegen Frauen Ende November 2024 Foto: Leonie Asendorpf/dpa

G laubt ihr, es gibt ein Männerproblem?“, fragt ein Mann die anderen Männer seiner Gruppe am Neuen Pferdemarkt und nimmt einen Schluck Energy-Booster.

„Da wird ja schon ’ne Weile drüber geredet, vielleicht ist was dran“, sagt ein anderer.

„Ich hab bisher nicht verstanden, was damit eigentlich gemeint sein soll“, sagt ein weiterer.

„Beispielsweise ich hier jetzt bin ja nun ein Mann … und mit mir gibt’s jetzt nicht direkt weltbewegende Probleme.“

„Sieht deine Frau das auch so?“

„Genau Jungs, man muss das von der Frau her denken, also ohne Frauen kann man da eben gar nix mehr denken, da funktioniert der Gedanke eben nicht mal im Ansatz.“

„So wie Ying und Yang?“

„Ohne Frauen gäb’ es gar keine Männer?“

„Im Paradies war das ja konkret umgekehrt mit der Rippe bei Adam und Eva.“

„Würd’ ich unter alternative Fakten subsummieren.“

„Also ohne Geburten real aus der Frau ­heraus gäb’ es keine Männer.“

„Keine Menschheit im Allgemeinen.“

„Okay, und die Menschheit hat jetzt ein Männerproblem.“

„Jetzt wirklich oder ist das so ’n feministischer Kampfeinsatz?“

„Kampfbegriff meinste?“

„Also ohne Frauen gäb’ es gar kein Männerproblem?“

„Eher umgekehrt, oder?“

„Dann wäre es aber ein Frauenproblem, nur eben ohne Männer.“

„Hä?“

„Schnall gar nix mehr.“

„Bin auch raus.“

„Was ist denn nun das Problem?“

„Dass der Fisch nicht vom Kopf her stinkt, sondern vom Schwanz?!“

„Aber der Penis ist jetzt nicht per se das Problem, oder?“

„Und Mann sein geht auch ohne Penis, so viel hab ich verstanden.“

„Organe oder Gliedmaßen sind nicht der springende Punkt.“

Hormone?“

„Als Entschuldigung.“

„Wenn sich jetzt Männer dafür entschuldigen, was andere Männer gemacht haben, ist die Welt ja keine bessere.“

„Aber wie könnte sie es werden?“

„Na, wenn Männer mal ’n Gang runterschalten.“

„Aber ich hab schon auch gern was zu sagen bei der Arbeit oder zu Hause. Ist das jetzt gleich ein Verbrechen?“

„Solang du dabei nice bleibst, schätze nicht.“

„Nicht jeder Mann, der kein Wurm ist, ist ja gleich ein Dominanzling, Hasser, Aggressor oder Wildpisser.“

„Glaub das ist das Problem.“

„Was?“

„Dass wir ja nu’ Männer sind, und jetzt vor allem sagen, wir haben mit nix was zu tun.“

„Ich hab vorhin an einen Stromkasten gepisst.“

„Ja, also meine Güte! Aber ansonsten ham wir ja nicht den ganz großen Dreck am Stecken, oder hat von euch schon mal jemand drangsaliert, terrorisiert, unterdrückt, vergewaltigt, gefoltert, getötet, einen Krieg angezettelt, eine Wirtschaft oder einen ganzen Staat mit dem Ego ruiniert?!“

„Puh, das klingt schon hart übel so alles in allem.“

„Damit will man nix zu tun haben.“

„Die Kacke ist echt am Dampfen, Alter!“

„Man kann das ja nicht den Frauen überlassen, nur weil die mehr zu leiden haben.“

„Hoho, bist du jetzt Feminist?!“

„Und du der Weihnachtsmann!“

„Gibt’s beides nicht!“

„Wieso?“

„Ein Mann kann kein Feminist sein, der würde ja dafür kämpfen, dass seine Rechte abgeschafft werden.“

„Das ist, glaub ich, Minimum gefährliches Halbwissen.“

„Sollen wir jetzt mal Feminismus googeln?“

„Glaub, da gibt es etliche verschiedene ­Ligen und Vereine.“

„Ich google jetzt erst mal „Mann“!

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Jasmin Ramadan
Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr neuer Roman Roman „Auf Wiedersehen“ ist im April 2023 im Weissbooks Verlag erschienen. 2020 war sie für den Bachmann-Preis nominiert. In der taz verdichtet sie im Zwei-Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.
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9 Kommentare

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  • Geschätzte Frau Ramadan.

    Ich weiß nicht was eine Frau denkt. Deshalb höre ich Frauen zu.

    Ich könnte mir ausdenken was Frauen wohl denken. Aber wäre mehr als unangebracht wie mir eine Frau mal gesagt hat.

    Dieses fiktive Geschichte erinnert mich sehr an Mario Barth:

    "Also Mann eins so, und darauf der andere Mann so und so west'e, west'e, west'e"

    Und dieses Niveau führt meines Erachtens nicht zu beiderseitigen Respekt.

  • Diese ganzen Aussagen wie: alle Männer sind gleich, wir haben einen Männerproblem, und so weiter, erinnert mich an eine Aussage von einem Arbeitskollegen, die ich vor 35 Jahren mal gehört habe. Alle Frauen in einen Sack: du triffst immer die richtige.



    Das scheint mir ungefähr dasselbe Niveau zu sein.

  • Das Problem heißt Kindesmisshandlung. Man lese Alice Miller.

    • @aujau:

      Ja, und wer es noch genauer wissen möchte, der lese Martin Miller. Das ist der leibliche Sohn von Fr. Miller, die übrigens, was ihre Einsichten betrifft, diesbezüglich nie selbst als Therapeutin tätig war.

      • @Vigoleis:

        Alice Miller hat die weit verbreitete Umgangsweise mit Säuglingen, Kleinkindern und die Folgen davon beschrieben. Ihr Inhalt war vor Allem die Kritik an der klassischen Psychoanalyse.

  • Diese tolle Kolumne nimmt das „Männerproblem“ auf, aber statt einer ernsthaften Auseinandersetzung bleibt er in ironischen Nebelkerzen stecken. Die Fragen von Macht, Gewalt und toxischer Männlichkeit werden nur oberflächlich angerissen, ohne dass klar wird, was eigentlich konkret an Männlichkeit problematisch ist. Der Dialog der Männer bleibt im Kreis und verzichtet auf eine tiefere Reflexion. Frauen werden nur als Projektionsfläche verwendet – es wird über sie gesprochen, aber nicht mit ihnen.

    Ironie kann ein gutes Stilmittel sein, doch wenn sie zum Deckmantel für echte Auseinandersetzungen wird, bleibt der Text letztlich unklar und entmutigt eine tiefere Diskussion. Wer sich mit den Herausforderungen der Männlichkeit und der Verantwortung von Männern in der Gesellschaft befassen will, darf nicht in der Belanglosigkeit verweilen, sondern muss mutig und konstruktiv an die Sache herangehen. Nur so kann ein echter Beitrag zu einer Lösung geleistet werden.

  • Danke. Ja die Menschheit hat ganz klar ein Männerproblem. Unübersehbar mit Rechtruck und Armhebestörung seit einigen Jahren.

    Männer haben einen gefährlichen Drang nach (verstecktem) Selbstmord durch kriegerische/kriegsfördernde Handlungen, nach vollkommen hirnloser "Führer befiehl, wir folgen" Struktur.

    Und jetzt werden auch noch absurd hohe Geldbeträge in die Waffenproduktion gepumpt. Auf Pump. Von einer Re-Gier-ung die zu zwei Dritteln aus Männern besteht.

    Oder werden sogar 3/4 der kommenden Re-Gier-ung Männer sein?

    "Mann" weiß es noch nicht so genau... .

  • Ist das ein Beitrag „Emma lustig für die Generation Social Media“?

    Die Erzählung, dass Frauen einfach die bessere Hälfte der Menschheit sind, haben ElisabethI, Katharina die Große und Maggie Thatcher schon hinreichend widerlegt. Die junge Generation Feministinnen ist so divers, wie der Rest der Gesellschaft. Highheels und nackte Haut, One-Night-Stand und queere Sexualpraktiken sind nun auch kein Tabu mehr.

    Rein biologisch betrachtet, hätte die Menschheit ein Männerproblem, wenn es sie nicht geben würde. Das neben der Forderung nach Gleichberechtigung auch eine Forderung nach allgemeinen Menschenpflichten stehen sollte und letztere vielleicht heute wichtiger, ist denn je, sollte immer mitgedacht werden. Der schleichende Wandel, der zur neuen Normalität wird, versteckt sich in den Details, wie z.B. die neue Apfelsorte „Fräulein“.

    Übrigens haben auch weibliche Fische einen Schwanz ...

  • Emanzipation ist für alle da und Feminismus geht auch inklusiv und intersektional.



    Das letzte Mal als ich nach Feminismus gesucht habe, wollte ich die allgemeine Definition von bell hooks teilen. Kann ich nur jedem ans Herz legen, das selbst mal zu tun.