Machtkampf in der Union: Mit allen Mitteln
Armin Laschet und Markus Söder kämpfen verbissen um die Kanzlerkandidatur. Welchen Schaden nimmt die Union?
B ei dem Machtkampf, den Armin Laschet und Markus Söder derzeit in der Union aufführen, fühlt man sich an eine Szene aus dem Film „… denn sie wissen nicht, was sie tun“ erinnert. Darin rasen James Dean und ein anderer Typ mitten in der Nacht in zwei gestohlenen Autos auf eine Klippe zu. Es ist ein Chicken-Game. Wer zuerst aus dem Auto springt, ist der Feigling. Er hat verloren.
Um Leben und Tod geht es bei Laschet und Söder nicht, aber um politische Verletzungen. Besonders Söder kämpft mit allen Mitteln um die Kanzlerkandidatur. Es gibt für diese Auseinandersetzung keine festen Regeln. Und es werden alle Tricks angewendet.
Aber was ist danach von der Union noch übrig? Wie soll der beschädigte Gewinner erfolgreich Wahlkampf machen?
Beide Parteichefs haben versprochen, bis zum Wochenende gemeinsam eine Entscheidung herbeizuführen – doch am Freitagnachmittag war noch unklar, wie das gelingen soll. Einen guten Ausweg gibt es nicht mehr. In der Union blicken viele entsetzt auf das Rennen, so wie die US-Jugendlichen im Film. Die Klippe kommt immer näher. Keiner bremst.
CDU und CSU, häufig stolz auf ihre Geschlossenheit, haben offenbar in den Modus Selbstzerstörung umgeschaltet. Kollabiert eine Partnerschaft, die der Union seit der Gründung der Bundesrepublik die Vormachtstellung im Land und fünf KanzlerInnen bescherte, von Adenauer über Kohl bis Merkel?
Um die Härte der Auseinandersetzung zu verstehen, muss man in die Geschichte schauen. Denn das Verhältnis von CDU und CSU war immer ambivalent – erbitterte Machtkämpfe gehörten stets dazu.
Der Journalist Peter Siebenmorgen kennt die CSU so gut wie nur wenige, er hat eine 768 Seiten starke Biografie über Franz Josef Strauß geschrieben. Die CDU schaue oft irritiert auf die sonderlichen Bayern, sagt er. „Dieses Krachlederne, die Derbheit, das Sprechen mit Ausrufezeichen, nie mit Fragezeichen: Die CSU liebt es krawallig. Umgekehrt verzweifeln die Bayern oft an dem Phlegma der CDU, die stets behäbig und nicht selten hasenfüßig agiert.“ Hassliebe sei der falsche Begriff, sagt Siebenmorgen. Strauß habe Kohl zwar manchmal gehasst, aber nie geliebt. „Es sind zwei Parteien, die sich sehr nahe stehen – und an der Fremdheit der jeweils anderen verzweifeln.“
Es gab immer wieder Situationen, in denen das CDU und CSU an den Abgrund führte. 1976 beim Kreuther Trennungsbeschluss. Dann beim Kampf von Strauß gegen Helmut Kohl. Nach dem Flüchtlingsherbst 2015. Und jetzt wieder.
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Ein Rückblick im Zeitraffer: Am Sonntag sagt Söder, wenn ihn die CDU nicht wolle, werde er dies „ohne Groll“ akzeptieren. Viele halten das für das Versprechen, im Zweifel zu weichen. Am Montag geben die CDU-Führungsgremien zu Protokoll, dass sie hinter Laschet stehen. Aber Söder juckt das nicht. Statt sich zurückzuziehen, holt er sich noch am Nachmittag die Ergebenheitsadresse des CSU-Präsidiums. Und diffamiert die CDU-Gremien als „Hinterzimmer“. Man müsse in die gesamte CDU „hineinhorchen“.
Dienstag. Die Fraktion streitet vier Stunden lang, wer der Bessere ist. Söder hat den Auftritt der beiden Wettbewerber erzwungen, er will die Stimmung zu seinen Gunsten drehen. Laschet stellt sich neben seinen Stuhl, spricht etwa zehn Minuten. „Wir brauchen keine One-Man-Show“ – ein Seitenhieb auf Söder. Der Franke bleibt sitzen, redet deutlich länger. Und schießt zurück. Um zu gewinnen, sagt er, brauche man „die maximal beste, nicht die angenehmste Aufstellung“. Das ist ein Seitenhieb auf den Konkurrenten, der von seinen Fans als Integrator gepriesen wird.
Manche Abgeordneten sind fassungslos. „Was für eine bizarre Show! Einigt euch endlich! Spielt Mikado oder Russisch Roulette, aber einigt euch!“, twittert der CDUler Olav Gutting verzweifelt. Den Tweet löscht er später. Über 60 Wortmeldungen gibt es, etwa zwei Drittel davon für Söder. Auch CDUler sprechen sich offen gegen den eigenen Parteivorsitzenden aus. Einige Medien berichten fast in Echtzeit, wer was sagt. Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus beschimpft die eigenen Leute, die Infos an Medien durchstechen, als „Kameradenschweine“.
Am Mittwoch springt Friedrich Merz Laschet bei, dem Mann, mit dem er um den Parteivorsitz konkurrierte. Söder habe bei der bayerischen Landtagswahl 2018 das schlechteste CSU-Ergebnis der Nachkriegsgeschichte eingefahren, argumentiert Merz. Er habe 2018 nach rechts gewinkt und umwerbe nun die Grünen. Er wünsche sich „etwas weniger Anbiederung an den Zeitgeist“, sagt Merz. Viele halten Söder für einen opportunistischen und skrupellosen, aber begabten Politiker.
Am Donnerstag sagt Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) dem Spiegel, es gehe „um die harte Machtfrage: Mit wem haben wir die besten Chancen?“ Vertrauen und Charaktereigenschaften würden keine Rolle spielen. Das ist bemerkenswert. Und eine Breitseite gegen Laschet, in Umfragen liegt Söder klar vorne. Haseloff, Mitglied im CDU-Präsidium, ist der erste Ministerpräsident, der kippt. Am Freitag zitiert die Welt den saarländischen Ministerpräsidenten Tobias Hans: „Es ist völlig klar, dass die Frage, mit welcher Person man die besseren Chancen bei den Wahlen hat, eine zentrale Rolle spielen muss.“
Bröckelt das Fundament, auf dem Laschet steht? Daniel Günther und Volker Bouffier, Regierungschefs in Schleswig-Holstein und Hessen, springen Laschet bei, ebenso Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble. Aus der Bundestagsfraktion werden Stimmen lauter, die eine Kampfabstimmung bei der Sitzung am kommenden Dienstag fordern, sollten sich die beiden Kontrahenten nicht einigen.
Die Autos rasen weiter durch die Nacht. Wer tritt auf die Bremse, wer steigt zuerst aus?
Laschet ist in Bedrängnis. Zieht er zurück, wäre er erledigt. Eine „lame duck“, gedemütigt vom Chef der kleinen Schwesterpartei. Als CDU-Chef wäre er vermutlich bald weg, als Ministerpräsident angeschlagen. Und eigentlich müsste gleich das ganze Präsidium zurücktreten, das sich hinter ihn gestellt hat.
Auch Markus Söder hat die Chance verpasst, sich ohne Gesichtsverlust zurückzuziehen. Hätte er nach dem Stimmungsbild im CDU-Präsidium großmütig verzichtet, wäre die CSU nach einer gewonnenen Bundestagswahl mit mehr Macht und mehr Ministerien belohnt worden. Hätte Laschet die Wahl verloren, hätte Söder verbreiten können, dass es mit ihm besser gelaufen wäre. Eine Win-Win-Situation. Doch Söder hat diese Türen selbst zugenagelt. Viele in der CDU sind entsetzt über seine Ruchlosigkeit.
Laschet will eine schnelle Entscheidung. Söder setzt auf die Zeit, er glaubt, dass sie für ihn arbeitet, weil die CDU-Front erodiert. Selten war die Erkenntnis, dass Zeitfragen Machtfragen sind, so naheliegend.
Als Söder am vergangenen Sonntag scheinbar großmütig erklärte, dass natürlich das Votum der CDU entscheide, saß Günther Beckstein, 77, zu Hause vor dem Fernseher. Söders Ankündigung, auf die Macht zu verzichten, bezweifelte Beckstein sofort. „Das konnte ich mir nicht vorstellen“, sagt er am Telefon. Er behielt Recht.
Beckstein und Söder verbindet einiges. Beide kommen aus Nürnberg. Auch Beckstein war mal bayerischer Ministerpräsident, von 2007 bis 2008. Er kennt Söder seit 1989. „Das Wort ‚Scheitern‘ kommt in der Gedankenwelt von Markus Söder nicht vor“, sagt er.
Immer wenn es zwischen CDU und CSU kracht, geistert ein Ortsname durch den Raum: Kreuth. Dort schmiedete Franz Josef Strauß 1976 einen Plan, der die politische Architektur der Republik verändert hätte. Als erstes sollte sich die Bundestagsfraktion trennen. Die CSU sollte, als strikt konservative Partei, bundesweit antreten. Nur so könne die Union mehrheitsfähig gegen SPD und FDP werden, glaubte Strauß. Aus dem Plan wurde nichts. Die CDU drohte auch in Bayern anzutreten. Der Coup brach in sich zusammen.
Günther Beckstein war damals Landtagsabgeordneter in München. „Ich gehörte damals als junger Parlamentarier zu den Aufrührern gegen Strauß“, sagt er. Beckstein sah die Sache praktisch und aus lokalem Blickwinkel. „Wenn in Nürnberg CDU und CSU bei Wahlen angetreten wären, wäre das Direktmandat immer an eine andere Partei gegangen.“ Die Bildung einer bundesweiten vierten Partei, so seine Überzeugung, hätte die Union geschwächt.
Strauß nahm den Widerstand aus den eigenen Reihen übel. Beckstein, als Franke und Protestant in der CSU sowieso Minderheit, kam karrieremäßig nicht so recht voran. „So lange Strauß etwas zu sagen hatte, bin ich nicht in die Staatsregierung gekommen.“ Staatssekretär wurde er erst nach dessen Tod. Die Union kann sehr nachtragend sein.
Kreuth erinnert an den Abgrund
Kreuth wäre auch heute, in einer stärker aufgesplitterten Parteienlandschaft, keine gute Idee. Die Union, sagt Günther Beckstein, würde „den Posten des Bundestagspräsidenten und viele Direktmandate verlieren“. Deshalb ist Kreuth nur ein Trigger-Wort, das alle mal kurz an den Abgrund erinnert. Die reale Gefahr einer Eskalation bis hin zum Schisma sieht auch Beckstein derzeit nicht, trotz des Ringens um die Macht.
Strauß gab nach Kreuth keine Ruhe. Der CSU-Chef wollte unbedingt Kanzler werden – wie Söder heute. Wochenlang beharkten sich CSU und CDU 1979 öffentlich, wer Kandidat werden solle – der knallhart konservative Bayer oder der vergleichsweise liberale Ernst Albrecht, Ministerpräsident in Niedersachsen, den Parteichef Helmut Kohl und die CDU wollten. Wie heute gab es auch damals kein Verfahren, das den Machtkampf einhegte. Der Ausweg damals: Man ließ die Bundestagsfraktion entscheiden, die knapp für Strauß votierte. Der verlor die Wahl 1980, zwei Jahre später begann die große Zeit Kohls.
Kann man aus der Geschichte für heute etwas lernen? „Bei Strauß ging es – anders als bei Söder – immer um die Sache“, sagt CSU-Kenner Siebenmorgen, der von Söder wenig hält. Jener gebe in atemberaubender Geschwindigkeit frühere Positionen auf. Diese Art von wirklichkeitsverbiegendem Populismus erinnere ihn an Boris Johnson oder Donald Trump. „Strauß hat über Kohl mal gesagt, er habe allenfalls das Westentaschen-Format eines Staatsmannes. So gesehen ist Söder gerade mal die Reclam-Ausgabe von Strauß.“
Bei dem Duell geht es nicht um Inhalte, sondern nur um Macht. Dabei wäre ein Blick auf den Kurs der beiden Kontrahenten durchaus interessant. Laschet hat in den 90ern in Bonn die Pizza-Connection mitgegründet, in der sich Schwarze und Grüne erstmals in lockerem Rahmen trafen – und erarbeitete sich wegen seiner progressiven Integrationspolitik ein liberales Image. Heute setzt er in Nordrhein-Westfalen auf knallharte, schwarz-gelbe Politik – und gibt den industriepolitischen Hardliner.
Söder wiederum setzte vor der bayerischen Landtagswahl 2018 auf Rechtspopulismus und wetterte gegen angeblichen „Asyltourismus“. Als er merkte, dass WählerInnen scharenweise zu den Grünen rübermachten, schaltete er blitzschnell um. Tätschelte einen Baum, brachte im Wochentakt neue Vorschläge für Klimaschutz, stalkte die Grünen in Interviews. Der liberale Laschet agiert also heute rechts vom rechten Söder.
Anruf bei Paul Nolte, Professor für neuere Geschichte an der Freien Universität Berlin. Die Lage 1979/1980, als sich CDU und CSU um die Kanzlerkandidatur stritten, „ist mit der heutigen vergleichbar“, sagt Nolte. Die Situation sei ähnlich verfahren, die Ambitionen der Kandidaten unversöhnlich. Es könne auch wieder auf eine Kampfabstimmung in der Bundestagsfraktion hinauslaufen, weil die Blockade nicht mehr anders lösbar sei.
„Aber“, so Paul Nolte „es gibt zwei wichtige Unterschiede.“ Erstens: „Söder polarisiert nicht so wie Strauß.“ Der war für viele Liberale Inbegriff eines Reaktionärs. Nolte erzählt, dass er als Schüler im Wahlkampf 1980 selbst mit einem „Stoppt Strauß“-Button am olivgrünen Parka herumlief. Eine ähnliche Gegenmobilisierung, wie sie Strauß damals erlebte, sei 2021 unvorstellbar. Zweitens: Albrecht war nicht CDU-Chef, das war Kohl, der früh auf die Kandidatur verzichtet hatte. „Für Armin Laschet steht viel mehr auf dem Spiel als damals für Kohl. Er wäre als Parteichef beschädigt, wenn er nicht Kanzlerkandidat wird.“
Wie fremd sich CDU und CSU manchmal sind, war auch vor wenigen Jahren wieder zu beobachten. Merkels großer Moment 2015 trieb einen Keil zwischen die Schwesterparteien. Dass sie die Grenzen für hunderttausende Geflüchtete von der Balkanroute offen ließ, hat Horst Seehofer, damals noch CSU-Chef und Ministerpräsident, nie verwunden. Das Bild für die Zerrüttung lieferte der CSU-Parteitag am 22. November 2015. Horst Seehofer lässt die Kanzlerin geschlagene 13 Minuten verloren auf der Bühne herumstehen, während er am Rednerpult Merkels Flüchtlingspolitik zerrupft und unter lautem Jubel der Delegierten seine Obergrenze lobt.
Günther Beckstein, CSU
Ein Hauch von Kreuth, mal wieder. Viele fanden, dass man so was mit einer Kanzlerin nicht macht. Seehofer, damals noch CSU-Chef, rechtfertigt sich im CSU-Präsidium später mit der leutseligen Erklärung, Merkel hätte sich ja wieder in die Reihe setzen können. Er habe sie dazu aufgefordert.
Die Szene illustriert, wie fragil das Verhältnis der beiden Parteien ist. Beckstein weiß, wie Seehofers Verhalten 2015 in Bayern bei vielen CSU-Leuten ankam. „Das war“, sagt der Ex-Innenminister, „eine Mischung aus ‚Na, das hät man net machen dürfen‘ und ‚Aber doll, dass er es sich getraut hat‘.“ Der bayerische Eigensinn ist nie zu unterschätzen. Auch jetzt nicht. „Diese Art Rauflust merkt man auch dem Markus Söder an“, sagt Beckstein.
Entfesselte Machtkämpfe am Ende einer langen Ära sind nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Es sind wohl nötige Versuche, eine neue Ordnung zu etablieren, auch wenn sie konfus wirken. Auch die Ära Adenauer endete so. Der Patriarch war, obwohl weit über 80 Jahre alt, von seiner eigenen Unentbehrlichkeit fest überzeugt, wollte Bundespräsident werden, dann lieber doch nicht, und versuchte erfolglos Ludwig Erhard als Nachfolger zu verhindern. Die Agonie zog sich eher Jahre als Monate.
Bei Kohl sah es am Ende nicht besser aus. Erst schien er in einem Anflug von Klugheit 1998 nicht mehr antreten zu wollen, änderte seine Meinung, trat wieder an, stiftete Verwirrung und verlor die Wahl.
Angela Merkel hat versucht, es anders zu machen als die Patriarchen Adenauer und Kohl, und wollte nicht aus dem Amt getragen werden müssen. Aber das Ergebnis ist genau so chaotisch. Paul Nolte glaubt, dass die Kanzlerin, die sich im aktuellen Machtkampf vornehm zurückhält, ihren Anteil an der Eskalation hat. „Merkel hätte nach der Hälfte der Legislaturperiode abtreten müssen. Sie tritt zwar nicht wieder an, macht ansonsten aber denselben Fehler wie Helmut Kohl.“
Richtig daran ist: Annegret Kramp-Karrenbauer, die Merkel gern als ihre Nachfolgerin im Kanzleramt gesehen hätte, ist auch daran gescheitert, dass sie als CDU-Chefin neben der überlebensgroßen Kanzlerin wie die B-Besetzung wirkte. „Wenn man es genau betrachtet“, sagt Nolte, „hat die Kanzlerin Kramp-Karrenbauer auf dem Gewissen.“
Die Ängste der CDU, nach einer Niederlage von Laschet gegen Söder demoliert und führungslos in den Wahlkampf zu taumeln, nimmt die CSU nicht recht ernst. Dass Strauß 1980 und Stoiber 2002 antraten, heißt es aus der CSU, habe ja der Karriere von Helmut Kohl und Angela Merkel auch nicht geschadet. Das hat einen fast höhnischen Unterton. Beide, Kohl und Merkel, waren damals noch keine 50 Jahre, Laschet ist 60. Und: Kohl und Merkel saßen fest im Sattel, als sie die Schläge aus München trafen. Laschet ist erst ein paar Wochen im Amt.
Geschlossenheit? Schwer vorstellbar
Muss man sich das Ganze wie eine Wirtshausschlägerei vorstellen? Erst haut man sich zünftig auf die Nase, um dann zusammen ein Helles zu trinken? Dass sich CDU und CSU am Ende geschlossen hinter den Sieger stellen, ist im Moment schwer vorstellbar. Dafür ist der Machtwille zu groß, vor allem bei Söder. Er delegitimiert die Parteispitze der CDU und beruft sich, wie ein Populist, auf die Stimmung in Partei und Bevölkerung.
Was Armin Laschet in den 90ern war, ist heute die Publizistin und CDU-Frau Diana Kinnert, 30. Eine junge Wilde, die mit klugen Interviews von sich reden macht. „Kampflustigkeit, Spitzen und Provokationen gehören zur demokratischer Vitalität dazu“, sagt sie. „Dass das aber inmitten einer tödlichen Pandemie, mit einem überlasteten Gesundheitssystem und Missmanagement von Schule bis Impfen stattfindet, finde ich unangemessen.“ Es hätte ein geordnetes Verfahren gebraucht. „Das wiederum ist ein Versäumnis der Parteispitze. Das ärgert mich.“
So wie ihr dürfte es vielen Unions-Mitgliedern gehen, die genervt sind vom Corona-Alltag. Und noch eine Ebene hat das Drama: Laschet und besonders Söder führen sich auf wie Alphamännchen aus den 90ern. Die Breitbeinigkeit, das Gegockel, die Bereitschaft, um der eigenen Ambitionen willen Schaden für alle in Kauf zu nehmen, all das wirkt aus der Zeit gefallen.
Söder meine es ernst, ist sich der altgediente CSUler Günther Beckstein sicher. „Diese Auseinandersetzung ist hochriskant. Sie schadet beiden Kandidaten.“ Am Montag würden die Grünen ihren Kandidaten bekannt geben, fügt Beckstein hinzu. „Viele werden denken: Die können das, die machen das richtig“ – im Gegensatz zur Union.
In dem Film „… denn sie wissen nicht, was sie tun“ schafft es James Dean, rechtzeitig aus dem Auto zu springen. Sein Konkurrent bleibt mit dem Jackenärmel am Türgriff hängen und stürzt in die Tiefe, sein Wagen explodiert.
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