Luftfahrt in der Klimakrise: Der Traum vom grünen Fliegen
Kraftstoffe, die nicht auf Erdöl basieren, gelten als Hoffnungsschimmer der Luftfahrt. Leider lösen sie nicht alle Ökoprobleme des Fliegens.
Hinter der Idee stecken unterschiedliche Technologien. Zum Beispiel Agrokerosin. Die Branche spricht lieber von SAF, kurz für das englische Sustainable Aviation Fuel, oder von Biokerosin. Das heißt: Als Basis für die Kraftstoffe dienen Pflanzen in verschiedensten Formen, zum Beispiel Stroh, Klärschlamm, altes Speiseöl, aber auch eigens angepflanzte Energiepflanzen wie Jatropha und Leindotter oder Algen.
Flugzeuge, die mit Agrokerosin fliegen, stoßen trotzdem das klimaschädliche Treibhausgas Kohlendioxid aus – aber eben nur so viel, wie die Pflanzen der Atmosphäre zu Lebzeiten entzogen haben. Das ist zumindest die Theorie, die Praxis kann ganz anders aussehen. Kohlendioxid wirkt hoch in der Luft, wo Flugzeuge es ausstoßen, stärker als am Boden, wo die Pflanzen es aufgesogen haben. Und wenn zum Beispiel für den Anbau von Energiepflanzen wertvoller Wald abgeholzt wird, ist der Klimaschaden enorm.
Bei der Produktion von Agrokerosin wird zudem Energie genutzt, die bisher nicht nur auf erneuerbaren Quellen beruht. Es gibt also versteckte Emissionen. Je nachdem, aus welchem pflanzlichen Material das Agrokerosin besteht und wie es hergestellt wird, kann es sogar mehr schaden als nützen, warnen Umweltschützer:innen immer wieder. Die beste Bilanz haben Kraftstoffe aus Resten und Müll.
Noch dürfen Flugzeuge im kommerziellen Einsatz gar nicht ausschließlich mit Agrokerosin laufen. Die internationale Standardisierungsorganisation ASTM lässt dafür höchstens eine hälftige Beimischung zum fossilen Kerosin zu. Einen ersten transatlantischen Testflug mit 100 Prozent SAF hat allerdings die Fluggesellschaft Virgin Atlantic angekündigt. Im November soll eine Boeing 787 von London nach New York fliegen.
Technisch sieht es also ganz gut aus mit dem pflanzenbasierten Flugbenzin. Neben der Tatsache, dass es eben doch keine klimatische Nullbilanz ermöglicht, gibt es aber noch ein Problem: den Preis. Die SAFs seien momentan fünfmal so teurer wie fossiles Kerosin, hat etwa die Lufthansa Ende Juli gewarnt. Die These, dass die nachhaltigen Kraftstoffe mit der Zeit billig würden, nennt die Fluggesellschaft „dünn“.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Sie argumentiert: Biomasse sei eben nur begrenzt verfügbar. Pflanzlichen Müll und Ackerflächen für neue Energiepflanzen gibt es eben nicht unendlich, außerdem besteht gerade bei Letzteren immer eine Konkurrenz zu Pflanzen für die Ernährung. Die Lufthansa stützt sich auf eine Studie der Unternehmensberatung Bain. „Selbst nach 2050 wird SAF, so die Prognose, noch etwa zwei bis viermal teurer sein als herkömmliches Kerosin.“ Deshalb sind europäische Airlines auch unglücklich darüber, dass die Europäische Union sie künftig zur Beimischung von nachhaltigen Kraftstoffen zwingen will. Es geht allerdings erst mal kosmetisch los: 2025 sollen Flugzeug-Kraftstoffe 2 Prozent „grüne“ Kraftstoffe enthalten.
Neben Agrokerosin gibt es noch weitere Ansätze für nachhaltiges Flugbenzin. Zum Beispiel synthetische Kraftstoffe, die aus Wasserstoff und Kohlendioxid hergestellt werden können – unter Einsatz von sehr viel (hoffentlich Öko-)Strom. Die sind allerdings noch teurer, kosten laut Lufthansa bis zu zehnmal so viel wie fossiles Kerosin. Wie sich der Preis entwickeln wird, ist laut der Airline zudem „völlig ungewiss“. Diese synthetischen Kraftstoffe gibt es bisher nämlich nur in Labormengen.
Der Traum vom grünen Fliegen wird also vorerst genau das bleiben: ein Traum. Das hängt auch damit zusammen, dass Fliegen gar nicht nur wegen des Kohlendioxids aus dem fossilen Kerosin klimaschädlich ist. Noch stärker fällt die Wirkung von Kondensstreifen und Stickoxiden ins Gewicht. Diese Probleme lösen auch die alternativen Kraftstoffe nicht. Zum Klimaschutz im Luftverkehr gehört also zwangsläufig: weniger fliegen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen