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Lockerung im BestattungsrechtWie möchte ich bestattet werden?

Rheinland-Pfalz will die Bestattung liberalisieren. Das ist richtig. Bestattungen sind eine individuelle Angelegenheit und sie müssen billiger werden.

Eine Trauerfigur auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin Foto: action press

E s ist ein paar Jahre her, da besuchte ich eine Freundin am Bodensee. Auf einem Tisch im Wohnzimmer stand eine Urne. Drin: die Asche ihrer Mutter. Obwohl Blumen daneben standen und eine Kerze, sah es weniger aus wie ein Altar, vielmehr wie etwas, das noch zu erledigen ist. Und es war auch so. Ihre Mutter wollte, dass ihre Asche im Bodensee verstreut wird.

Ein Boot, um rauszufahren, war kein Problem. Meine Freundin hatte eins. Wie genau sie es aber angestellt hatte, in den Besitz der Urne zu kommen, sagte sie nicht. „Es gibt Wege.“ Meiner Freundin half damals vermutlich, dass sie direkt an der Schweizer Grenze wohnte, wo die Bestattungs­gesetze liberaler sind. Vielleicht hatte ihr ein Schweizer Bestatter geholfen.

wochentaz

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Was in der Schweiz geht, ist in Deutschland kompliziert. Bestattungsvorschriften sind Ländersache. Nun prescht Rheinland-Pfalz mit der wohl weitreichendsten Liberalisierung des Bestattungsrechts vor. Ab dem 4. Oktober soll alles anders werden: Flussbestattungen im Rhein, Mosel, Saar und Lahn soll es geben, Bestattungen im Garten, Bestattungen im Tuch. Die Urne darf zu Hause aufbewahrt, die Asche in Schmuckstücke eingearbeitet werden.

Reliquie nennt man so ein Geschmeide im Christentum. Gilt natürlich nur für Heilige. Aber manche Verstorbene sind das für die Hinterbliebenen wohl auch.

Natürlich, jetzt kommt ein Knackpunkt: Die Durchführungsverordnung zum rheinland-pfälzischen Bestattungsgesetz sei noch nicht ausgearbeitet. Auch kann von den neuen Möglichkeiten nur Gebrauch gemacht werden, wenn der Verstorbene sie zu Lebzeiten wünscht.

Nicht alle haben vorgesorgt

Die Landeskirchen in Rheinland-Pfalz sind not amused. Sie fürchten um die Einnahmen für den Unterhalt der Friedhöfe. Und es stimmt: Friedhöfe sind magische Orte. Und nicht nur das, sie sind auch Grünflächen, sind wichtig für die Biodiversität, die Naherholung, die Verbesserung der Luft. Vor allem in Städten.

Wenn die Kosten für die Pflege der Friedhöfe nicht mehr durch Grabgebühren getragen werden, müssen andere Finanz­quellen gefunden werden, etwa durch Umlagen von all denen, die die Luft verpesten. Auch muss gesichert sein, dass stillgelegte Friedhöfe nach den vorgeschriebenen Ruhezeiten nicht stante pede den Grundstücksspekulanten anheimfallen, sondern als Grünflächen erhalten bleiben.

Die Liberalisierung des Bestattungsrechts ist in allen Bundesländern notwendig. Es geht dabei nicht nur um Beerdigungskultur oder die Pfründen der Kirchen. Ein wichtiger Faktor sind auch die Kosten. Beerdigungen müssen billiger werden. Wenn kein Sarg notwendig ist, sondern ein Tuch reicht, wenn keine Grabstelle gemietet werden muss, sondern die Urne im Garten vergraben werden kann, dann spart das Geld.

Die Vorstellung, dass mein Körper in einem Erdloch versinkt, behagt mir nicht. Ich will, dass meine sterblichen Überreste luftig verwehen

Nicht alle Verstorbenen haben vorgesorgt. Sind keine Rücklagen da, werden die Angehörigen laut dem Bürgerlichem Gesetzbuch in die Pflicht genommen – und zwar bis in die Enkelgeneration.

Wir wissen Dinge über die Zukunft. Dass wir sterben werden, ist eines davon. Es sollte jedem obliegen, selbst zu entscheiden, wie er oder sie beerdigt werden will. Am allerwenigsten soll es ein Verwaltungsakt sein.

Ich wollte nie eingesperrt werden. Die Vorstellung, dass mein Körper oder was davon übrig ist, in einem Erdloch versinkt, behagt mir nicht. Ich will, dass meine sterblichen Überreste luftig verwehen. Und Musik soll sein.

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taz-Redakteurin
Seit 2002 bei der taz, erst im Lokalteil, jetzt in der Wochentaz. 2005 mit dem Theodor-Wolff-Preis ausgezeichnet für die Reportage „Schön ist das nicht“, 2011 wurde die Reportage „Die Extraklasse“  mehrfach prämiert. 2021 erschien ihr Roman "Brombeerkind" im Ulrike Helmer Verlag. Es ist ein Hoffnungsroman.
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20 Kommentare

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  • Diese Deregulierung wäre, noch ist es ja nicht soweit, von bundesweit ganz zu schweigen, super.



    Allerdings würde es wohl auch weitere Regulierungen hervorrufen. ZB im HInblick auf die unten schon erwähnten Gartenbestattungen. Es ist auch leicht vorstellbar, dass sich dann "hotspots" herausbilden, zb an der Zugspitze oder in einem malerischen Bergsee, wo viele ihre Asche verstreut haben möchten. Das müsste dann, wie auch immer, eingeschränkt werden. Und wenn kein Erbe mehr die Urne haben möchte, landet sie auf Ebay....

  • Natürlich gibt es gegen die Urnenbestattung im eigenen Garten ich Bedenkenträger, wie gegen alles.

    Wenn man einen Garten sein Eigentum nennt: super. Dann ist wohl Privatsache und geht niemand was an.

    Wenn man das Grundstück verkaufen will, sollte eine Auskunftspflicht gegenüber dem Erwerber bestehen.



    Der kann dann selbst entscheiden, ob es ihn tangiert. Mir wäre es zum Beispiel wurscht.

    In Waldgräbern zum Beispiel müssen Urnen verrotten.



    Wo ist dann das Problem, wenn man selbst keines damit hat, den Verstorbenen zurück zu lassen?

    Nebenbei: auf dem Friedhof wird auch gnadenlos „abgeräumt“…

    • @Hungerboomer:

      Wo das Problem ist, ist simpel:



      Andere finden dann den Verstorbenen.

      Ich will im neu erworbenen Garten einen Apfelbaum pflanzen und habe dann auf einmal eine Urne in der Hand.

      Weil der Verkäufer oder Vorpächter seine Oma ein halbes Jahr zuvor dort verscharrt hat.

      Dann habe ich plötzlich die Verantwortung für jemanden, den ich nicht mal kenne.

      Will ich nicht.

  • Grundsätzlich kann man schon von einem Paradigmenwechsel sprechen, wo noch vor den etwas liberaleren Umbrüchen in Zeiten des Zweiten Vatikanischen Konzils eine Erdbestattung für Katholik:innen die von der Kirche einzig akzeptable vorgegebene Bestattungsform war. Eine Säkularisierung ist hier ein deutlicher Fortschritt in einer Gesellschaft mit anderen Ansprüchen und religiösen Ausrichtungen. Wie viele Überführungen in verplombten Särgen zur Bestattung in der Heimaterde dadurch entbehrlich werden, ist eher fraglich.



    Wie hoch die Kosten für Sozialbestattungen in den Kommunen sind, ist wahrscheinlich transparenter.



    Interessant ist, ob auch in Bayern eine Reform der Gesetzgebung ansteht.



    "Der Friedhof lebt –



    Interreligiöse Archegärten



    in Deutschland



    In Christentum, Islam und Judentum symbolisiert die Arche das Überleben in biologischer Vielfalt. Im Projekt sollen christliche, muslimische und jüdische Friedhöfe zu „Archegärten“ neu profiliert werden. Traditonelle Pietätsgebote auf Friedhöfen bleiben unangetastet. Die Präsenz letzter Ruhestätten wird ins Archegärtenkonzept integriert und als Katalysator für Besinnung und Aufnahmefähigkeit der Besucher genutzt."



    Quelle der-friedof-lebt.de

  • Das heißt, wenn ich mir einen Garten anschaffe, muss ich damit rechnen, beim Umgraben auf Urnen zu stoßen?

    Und im See schwimme ich dann in der Asche von Verstorbenen?

    Hört sich für mich nicht erstrebenswert an.

    • @rero:

      Wenn ich mir überlege, worin ich im Schwimmbad so rumplansche, wird mir eher anders…😂

      • @Hungerboomer:

        Sie meinen, dann können wir auch noch die Asche von Verstorbenenen dazuschmeißen, darauf kommt es dann auch nicht mehr an?

        Ok, ist eine Position, über die ich noch mal nachdenke... ;-)

    • @rero:

      Im See schwimmen wir jetzt schon in menschlichen und tierischen Ausscheidungen aller Art, den Überresten verwester Kadaver, Medikamenten und sonstigen Überbleibseln der Zivilisation.



      Asche ist steril, darum würde ich mir die geringsten Sorgen machen.

      • @Freundlicher:

        Ich finde es irgendwie pietätlos, zwischen den Partikeln meiner verstorbenen Nachbarin zu schwimmen.

    • @rero:

      Hoffentlich erfahren wir nie, was sonst noch so im See herumschwimmt.

      • @Erfahrungssammler:

        Da muss ja nicht noch mehr dazukommen.

  • "Ein wichtiger Faktor sind auch die Kosten. Beerdigungen müssen billiger werden. Wenn kein Sarg notwendig ist, sondern ein Tuch reicht, wenn keine Grabstelle gemietet werden muss, sondern die Urne im Garten vergraben werden kann, dann spart das Geld."

    Nur bedingt. Um im Garten begraben zu werden muss man sich erst mal ein Haus kaufen, ein Vermieter wird das nicht zulassen. Das dürfte die teuerste Lösung sein, für das Geld können Sie die Gebühren für eine Grabstätte vermutlich für Jahrhunderte bezahlen. Und ein einfacher Fichtensarg ist dann auch noch drin.



    Und was passiert mit der heimischen Grabstätte, die womöglich ein Familiengrab wird, falls das Haus verkauft wird / verkauft werden muss? Ein Käufer wird das kaum hinnehmen.

  • Die letzten Sätze finde ich nur seltsam, doch das mag Geschmacksache sein.



    Muss man für solche Befindlichkeiten auch Flüsse à la Ganges oder Lüfte zustauben?



    Wäre nicht ideal (nach einer evtl. Beseitigung der Amalgamplomben etc.), die Natur möglichst viel im Kreislauf nutzen lassen, ohne dass es dabei unhygienisch wird? Ob im Friedenswald oder anderswo, wo das Bedürfnis mancher zu gedenken vielleicht noch leichter ist.

    Kosten senken aber unbedingt, auch anderswo. Da werden emotionale Ausnahmesituation und Überforderung noch arg ausgenutzt.

  • Mein Leichnam soll in einem weißen Leinentuch begraben werden. Ein Glöckchen, das mit einer Schnur versehen ist, wäre auch ganz schön - falls ich es mir doch noch anders überlege und aufwache.

    • @Il_Leopardo:

      Und nicht zu tief begraben werden bei 2m ist es egal ab im Leinentuch oder im Steinsarkophag liegen - fall sie es sich anders überlegen.

      • @Blechgesicht:

        OK. Ich nehme mein Handy mit - mit Ersatzakku!

      • @Blechgesicht:

        Mit neuen Gesetzen können wir auch die Änderungen revidieren, die 1937 von den Nazis eingeführt wurden: Friedhofszwang u.a.

        "Aber auch ohne weitere Verschärfung blieben die Richtlinien von 1937 nach dem Zweiten Weltkrieg in der Bundesrepublik anerkanntes Vorbild der Friedhofs- und Grabmalgestaltung. So bezog sich das bekannte Friedhofshandbuch von Otto Valentien weiterhin auf die Vorgabe von 1937, "weil sie heute noch als vorbildlich gelten kann."



        Größerer Widerstand allerdings kam aus Reihen der Bevölkerung, zumal die Grabmalvorschriften gerade nach den Erfahrung mit einem autoritären Regime als unnötige Gängelung empfunden wurden. In einem Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichtes von 1963 wurde dann zwar den Friedhofsträgern prinzipiell das Recht zugebilligt, Gestaltungsvorschriften zu erlassen, zugleich aber das grundgesetzlich verankerte Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit auch für die Grabstättengestaltung bestätigt"



        Quelle postmortal.de



        Weiter



        "Die Nationalsozialisten griffen Tendenzen der 1920er Jahre auf, die Grabstättengestaltung bürokratisch zu vereinheitlichen, zu uniformieren. Verstärkt wurden dabei vor allem die „totalitären“ Züge der so genannten ..."

  • Ist das dann auch das Ende der Sozialbestattungen? Ohne Verpflichtung auf dem Friedhof ordentlich bestattet zu werden, entfiele dann doch auch die Pflicht zur amtlichen Kostenübernahme bei Armengräbern?

    • @Šarru-kīnu:

      !!!!!



      Hoffentlich lesen hier keine christlichen und keine sozialen mit.

    • @Šarru-kīnu:

      Parallel zu Bürgergeld würde sich derjenige ja nicht ordnungsgemäß persönlich beim Amt melden, dessen Begräbnis bekäme also nichts, damit wir bloß den Schwerreichen die Steuersätze noch weiter runterfahren können, was nur mit Rekordschulden ja noch nicht zu machen scheint.

      Inhaltlich sähe ich sonst die erste Klage wegen Menschenwürde schon vor mir. Oder die "Antigone" im Neoliberalismus neu gelesen.