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Lob der Solarenergie in DeutschlandBalkonsolar, ein Projekt der Emanzipation

Dank der Ampelkoalition ist Photovoltaik nicht mehr nur Eigenheimförderung. Sonnenenergie ist nun auch mieterfreundlich und Do-it-yourself.

Solarpanele einer Photovoltaikanlage am Balkon eines Mahrfamilienhauses in Dortmund Foto: Friedrich Stark/imago

D ie emanzipatorische Entwicklung in der Bundesrepublik ist in vielerlei Hinsicht vorangekommen, für manche Benachteiligte sicher zu langsam, aber im weltweiten und historischen Vergleich bemerkenswert. Seit einiger Zeit formiert sich aber, wie in allen Ländern des Westens, rechtspopulistisch organisierter und auch konservativer Widerstand, sodass Entwicklungen nun angegriffen oder sogar rückgängig gemacht werden.

Da Emanzipation kulturell meist nur gesellschafts- und geschlechterpolitisch definiert ist, wird eine enorme emanzipatorische Entwicklung bisweilen übersehen, die gerade jetzt richtig vorankommt. Im Gegensatz zur Verbotsrhetorik zur Verhinderung von Klimaschutz erleben wir hier die Emanzipation des Menschen als Stromproduzent und Autofahrer und seine Befreiung aus der Abhängigkeit von fossilen Energien und Energiekonzernen.

Selbst der entlassene Finanzminister Christian Lindner, sonst immer verbotsbesorgt, hat in einem schwachen (oder wachen) Moment von Sonne und Wind als „Freiheitsenergien“ gesprochen, und genau diese Freiheit kann man in seinem Alltag spüren. Die Freiheit des Eigenstromproduzenten. Zum 2024 in Kraft getretenen „Solarpaket 1“ von Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck gehört das Recht von Mietern, ihren Strom auf dem Balkon mit PV-Modulen selbst zu produzieren. Seit das geht, boomen Balkonkraftwerke. Damit ist auch die Vulgärpolemik obsolet, wonach Eigenstromproduktion besserverdienenden Zahnärzten vorbehalten sei.

Im zweiten Schritt geht es dann um Speicherung mit einer Batterie und Einbindung ins Netz. Damit kann man den eigenen Strom tagsüber speichern und abends verbrauchen – und in die Dienstleistung einsteigen, indem man als Teil einer Art Solargemeinschaft in einen virtuellen Speicher eines Stromunternehmens eingebunden ist.

Fossilfrei und stromnetzdienlich ist möglich

Dazu braucht es allerdings einen intelligenten Stromzähler. Ein enger Verwandter, der in der EU lebt, hat eine kleine Solaranlage, Wärmepumpe, hat 8.000 Euro in diese Batterie investiert, verbraucht kein Gas mehr, bekommt keine Energierechnung mehr und bekommt für die Dienstleistung noch etwa 1.000 Euro im Jahr. Er ist jetzt im eigenen Sinne Stromunternehmer und im Sinne der Gesellschaft bewahrend, fossilfrei und stromnetzdienlich.

Noch mal zum emanzipatorischen Fortschritt: Balkonsolar ist eben nicht mehr nur Eigenheimförderung, sondern mieterfreundlich und Do-it-yourself. Es braucht nicht mal einen Installateur, der keine Zeit hat. Man bestellt sich für wenig Geld zwei Module und steckt das Kabel in die Steckdose. Das ist emanzipatorisch, sozial, liberal, konservativ und ökologisch. Also ganz vorn.

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Peter Unfried
Chefreporter der taz
Chefreporter der taz, Chefredakteur taz FUTURZWEI, Kolumnist und Autor des Neo-Öko-Klassikers „Öko. Al Gore, der neue Kühlschrank und ich“ (Dumont). Bruder von Politologe und „Ökosex“-Kolumnist Martin Unfried
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13 Kommentare

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  • Ein Projekt der Emanzipation ist es, wenn man sich eine autarke Anlage hinbastelt (So habe ich 1984 angefangen). Man hat dann auch eine Notstomversorgung, was manchmal recht praktisch sein kann.

  • Entschuldigung, Verwandter, wo lebt der, Niederlande? Da gabs hie und da gute Ansätze, wird aber auch sukzessive abgeschafft.



    Stromclouds von Anbietern waren immer gut für die Anbieter. Die große Berliner Firma, mit der sich evtl. auch ein Lindner schmückt, hat ihre überzogenen Preise etwas gesenkt, verspricht nun viel Energiegeld, die Speicher werden immer größer, fragt sich nur, für wen sich das lohnt. Man verliert mit solchen Deals nur seine gerade erlangte Autonomie plus Geld. Das gerade verabschiedete Stromspitzengesetz lässt ahnen, es geht dann so weiter, Energieunternehmen einfache Geschäfte garantieren.

  • "Deutschland hätte genug Kraftwerke, um jede Dunkelflaute, auch ohne Extrempreise, aus eigener Kraft zu überstehen. Sie werden aus politischen Gründen und auch Trägheit einiger Marktteilnehmer nicht genutzt", so fasst es eine Analyse bei tagesschau de zusammen.

    Strom ist absehbar lösbar, die Netze und Leitungen dabei nicht vergessen. Energie ist dabei noch mehr als das - wir müssen nun vor allem auch mal an Verkehr und Wärme ran. Da kann jede und jeder vorangehen.

  • Ich will jetzt auch ein Balkonsolargerät.

    • @Stavros:

      Schönes Hobby, bloß keinen Speicher dazukaufen. Wirklich. Nicht.

  • Man sollte trotz aller emanzipatorischer Glücksgefühle die Rentabilität nicht ganz außer Acht lassen. Wenn ich für mich persönlich ein Balkonkraftwerk durchrechne (1500KWh, Balkon nach Ost, mit Batterie), dann amortisiert sich solch eine Anschaffung erst nach über 15 Jahren.



    solar.htw-berlin.d...r-solar-simulator/

    Dann hat aber auch die Batterie schon ihre Lebenszeit erreicht und das Solarmodul in paar zusätzlichen Jahren ebenfalls. Dass jeder seinen Strom produzieren kann ist toll, aber keineswegs effizient. Und damit auch nicht ökologisch.

    • @Mopsfidel:

      Es amortisiert sich, schreiben Sie selbst, sogar bei Ostausrichtung.



      Ich bin aber bei Ihnen, dass man es besser ausnutzen würde mit größeren, gut regelbaren Einheiten. Und dadurch auch so, dass auch die Menschen ohne Balkon sich daran beteiligen (können).

  • Der Bekannte muss eine Wunderanlage haben. Armer Mieter wird er nicht sein.



    Balkonanlagen sind ungefähr wie Hybridautos, immer schön schrittchenweise und erstmal zu viel Geld für Kleckereien ausgeben. 8000 Euro für einen Speicher, bitte nachrechnen, wann der Preis wieder drin ist.



    Ja,gut, dass Hemmnisse abgebaut wurden. Entscheidend wäre, Mieterstrom unkompliziert vom Dach zu bekommen. Nebenbei Mieter solche Investitionen nicht zahlen zu lassen. Wobei das angesichts der Miete wohl auch egal ist.

  • Aber schon klar, dass man einen Balkon erstmal haben muss? Einen zur Sonnenseite auch noch.



    Genossenschaften und Kooperativen, Nachbarstrom etc. sind wohl die besseren Wege und nutzen die teuren Gerätschaften wohl auf effizienterer Skala aus.



    Ansonsten auf sauberen Strom umsteigen, wer's noch nicht tat. Gebt der Braunkohle eine immer kleinere Chance.

    • @Janix:

      Kann denn eine positive Meldung nicht einmal begrüßt werden, ohne in eine Neiddebatte zu verfallen?

      • @PeterArt:

        Nur in der Tradition von uns aller le Petit cheflereporter Peter Unfried mal eine eine Frage: “…ohne in eine Neiddebatte zu verfallen?“



        Hab ich was überlesen? Alles ok - mit die Reflexe?



        Na - dann isses ja jut! Wollnichwoll - 🙀🥳 -

        • @Lowandorder:

          „Hab ich was überlesen?"



          Frage ich mich auch. Wahrscheinlich fehlt uns der scharfe Blick. Könnte man direkt neidisch werden.

  • Diese Kolumne zu lesen hat einfach nur Spaß gemacht und zeigt auch ganz deutlich, dass viele kleine Schritte auch ein Riesenschritt sein kann.