Lob auf den Pkw: Ja, Autofahren macht glücklich
Unsere Kolumnistin will eigentlich nicht boomeresk-unvernünftig sein. Aber sie liebt Autofahren. In der Jugend war das Auto Freiheit, heute ist es ein Nest.

D iese Kolumne hat sich ja „lieblich-woke“ als moralisches Grundgebot gesetzt, denn grantelnde Ältere, die die Welt nicht mehr verstehen, gibt es ja schon genug in den Medien. Aber manchmal überkommt die Kolumnistin einfach das unbezwingbare Verlangen, mal etwas typisch Boomeresk-Unvernünftiges zu schreiben. Heute soll es ein Lob des Autofahrens sein.
Ich bin einer der wenigen Menschen, die ich kenne, die noch gerne Auto fahren. Das könnte damit zu tun haben, dass ich eher mit 35- bis 50-Jährigen zu tun habe als mit Gleichaltrigen. Auch die dörfliche Herkunft könnte ein Grund sein. Dort wurde man mit acht Jahren schon auf den Traktor gesetzt, als Fahrerin wohlgemerkt.
Mit 17 begann man die Fahrstunden, ertrug die Anzüglichkeiten und Grabschereien des ekligen Fahrlehrers, um am 18. Geburtstag den liebevoll „Lappen“ genannten Führerschein in den Händen zu halten. Die Zeit der Freiheit und des Glücks begann, mit der ganzen Clique auf dem Weg zur Disco, singend im Kleinwagen. Aber auch allein, bei jugendlich-melancholischen Anwandlungen, rein ins Auto, Zündung an, und ein bisschen über die Landstraße der untergehenden Sonne entgegengefahren. Nachts, wenn so ab 11 alles zuhatte, zur Autobahnraststätte, abhängen.
In Berlin bräuchte man ökologisch streng genommen natürlich kein Auto. Aber das Fahren in Berlin macht auch glücklich, solange es azyklisch zum Stadtverkehr passiert. Also höchstens vormittags und nie zwischen 13 und 19 Uhr. Aber nachts durch die Stadt zu fahren ist viel entspannter, als zum Beispiel 20 Minuten auf einem zugigen Gleis der U-Bahn zu harren.
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Autofahren macht glücklich
Ja, Autofahren ist toll und macht glücklich. Und wem jetzt die Zeilen „Unsere Oma ist ’ne alte Umweltsau“ durch den Kopf schießen: Mein Auto ist 24 Jahre alt und sehr, sehr klein. Die Fahrten raus aus der Stadt sind mein kleines Roadmovie mit mir als Hauptfigur. Die Innenstadtbezirke nach und nach hinter sich zu lassen, bis die Kleingartenanlagen kommen, es dörflicher wird, Traktoren und AfD-Plakate die Landschaft bestimmen. Nach so einer Fahrt bleib ich manchmal einfach noch so ein bisschen im Auto sitzen, weil es so schön gemütlich ist, eine sichere Kapsel, ein Nest, nur für mich, abgeschottet von der Außenwelt.
Jüngere Autofahrerinnen kennen sie gar nicht mehr, die Entspannung beim Autofahren. Sie sind schon in Panik, wenn sie sich ins Auto setzen, verkrampfen die Muskulatur, atmen schneller, denn alles, was jetzt kommt, ist eine Belastung: Oh nein, jetzt bewegt sich der Wagen, andere sind auch unterwegs! Eine Straße kreuzt – jetzt rechts vor links beachten, Radfahrerinnen kommen aus allen Richtungen, da steht ein Lieferwagen zweite Reihe. Immer wieder blinken, ängstlicher Schulterblick, bremsen, an der Ampel anhalten und wieder losfahren, Fußgängerinnen im Blick haben – purer Stress für die U-50-Fahrerin!
Die entspannte Boomerin hingegen gibt anderen gerne die Vorfahrt, achtet auf die anderen Verkehrsteilnehmerinnen und gleitet im inneren Frieden durch die Straßen der Stadt.
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