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Lieferkettengesetz lightAuch ökonomisch daneben

Hannes Koch

Kommentar von

Hannes Koch

Die Konservativen im EU-Parlament entkernen das Lieferkettengesetz. Das untergräbt Menschenrechte und richtet wirtschaftlichen Schaden an.

Fehlgeleitet und so überhaupt nichts verstanden, das ist Manfred Weber Foto: Philipp von Ditfurth/dpa

A uf den Irrweg abgebogen sind CDU und CSU im Europaparlament. Unter der Leitung ihres Fraktionschefs Manfred Weber entkernen sie die Lieferketten-Richtlinie, die für erträgliche Arbeitsbedingungen in der globalen Ökonomie sorgen sollte. Durch die Änderungen betrifft die Richtlinie künftig nur noch wenige europäische Konzerne und ihre direkten ausländischen Lieferanten, aber nicht mehr den Großteil der Wirtschaft.

Die Konservativen haben das auch zusammen mit rechtsextremen Po­li­ti­ke­r:in­nen im EU-Parlament durchgesetzt. Sie untergraben damit das Konzept der universellen sozialen und politischen Rechte, die für alle Menschen weltweit gelten sollen. Und sie richten erheblichen wirtschaftlichen Schaden an.

Auch Letzteres wiegt schwer für Konservative, die denken, dass sie etwas von Ökonomie verstünden. Gerade in der zunehmenden weltweiten Konkurrenz brauchen deutsche und europäische Firmen wieder mehr attraktive Produkte, die den Käu­fe­r:in­nen gefallen. Zum Beispiel E-Autos werden attraktiver, wenn die neue Technologie sich nicht ständig des Vorwurfs erwehren muss, ihre Rohstoffe kämen aus Sklaven- und Kinderarbeit in den umweltschädlichen Bergwerken armer Länder.

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Qualität dient als Verkaufskriterium, sie bringt Einnahmen. Und sie wiegt die Produktionskosten auf. Ja, menschenrechtliche Regulierung verursacht auch Kosten, etwa für Mindestlöhne bei den Zulieferern und Verwaltungsaufwand bei den hiesigen Auftraggebern. Große Firmen müssen vielleicht zwei oder drei Leute mehr beschäftigen, um ihre globalen Lieferketten im Blick zu behalten und zu kontrollieren. Aber vieles lässt sich auch mit automatisierter, computergestützter und kostengünstiger Kontrolle erledigen.

Eine moderate menschenrechtliche Regulierung ist kein ökonomischer Killer, wie die EVP behauptet. Ein ökonomisches Problem stellt eher die Wirtschaftspolitik à la Manfred Weber dar, die Regeln durcheinanderbringt, an die sich Hunderttausende Unternehmen gerade gewöhnen.

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Hannes Koch
Freier Autor
Geboren 1961, ist selbstständiger Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Er schreibt über nationale und internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik. 2020 veröffentlichte er zusammen mit KollegInnen das illustrierte Lexikon „101 x Wirtschaft. Alles was wichtig ist“. 2007 erschien sein Buch „Soziale Kapitalisten“, das sich mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen beschäftigt. Bis 2007 arbeitete Hannes Koch unter anderem als Parlamentskorrespondent bei der taz.
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13 Kommentare

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  • Auch wenn viele chronisch wohlmeinende Menschen noch immer an ein 'Friedensprojekt EU' glauben mögen, die vdL/Meloni EU ist längst fest in den Händen der besitzenden Klasse bzw. ihrer schwarz/blau/braunen Repräsentanten und Repräsentantinnen.



    Nicht nur die Lissabon-Verträge sprechen gegen eine an Demokratie, Frieden und Solidarität ausgerichtete Reformierbarkeit der EU, sondern auch die geschlossen vom unverrückbar dominanten Rechts/Mitte/Grün Block beschlossene Hochrüstungsorgie und die unbedingte Entschlossenheit zur erneuten Durchmilitarisierung des Kontinents.



    Wirft noch wer den Stock in die Speichen? Oder ist 'Europa' längst irreversibel auf dem Kurs eines erneut von Blut überströmten Kontinents?

  • Wieder einmal zeigt die Rechte -wozu man getrost csDU rechnen muss- wieviel sie von Fairness, Menschenwürde und Klimaschutz hält: Nichts. Gar nichts. Einzig und allein zählen bei denen die Faktoren Profit und Macht, gerne auch in engster Verbindung. Christlich ist daran nichts, sozial ebensowenig. Was sind das für Heuchler.....

  • Ich glaube der Autor überschätzt die moralische Seite von Konsumenten bei Kaufentscheidungen. Den sogenannten Flugscham empfinden auch nur Leute, die eh nie Fliegen.

    Insoweit geht die wirtschaftliche Argumentationsblase des Autoren nicht auf.

    • @DiMa:

      Wie bei einer Zigarrettenpackung:

      "Mit diesem Hin- und Rückflug haben Sie 300% Ihres Jahresbudgets der CO2-Aquivalente (*Pariser Klimaziele) genutzt. Damit schädigen Sie sich und Ihre Kinder.

      Möchten Sie Ihre Bestellung nun abschließen?"

      Werbeverbot, Steuererhöhung, Transparenz und die Sache sieht ganz anders aus.

  • Diese Meinung ist... Eine Meinung.



    Dem wahrscheinlich sehr viele widersprechen würden.



    Ist das Lieferkettengesetz wünschenswert. In einer gewissen Art sicher.



    Was ist etwas das die europäische Wirtschaft im Konkurrenzkampf mit dem USA und China ganz sicher noch mehr braucht? Ach ja, genau Bürokratie und damit Kosten.

    Auch die Annahme die Masse an Menschen in der EU würde darauf besonderen Wert legen halte ich für Wunschdenken.

    Die allermeisten Menschen in der EU schauen auf den Preis und die Qualität. Und noch mehr eigentlich nur auf den Preis. Und das gleiche gilt für den Rest der Welt noch mehr.



    Es ist schön wenn die gehobene Mittelschicht dich neben ihrem Einfamilienhaus, ihrem neuen E-Auto und den Bio Lebensmitteln auch aussuchen kann was sie konsumieren. Für die Masse der Leute auch bei uns, ist das nicht der Fall.



    Und übrigens, aus der Erfahrung die ich über die Jahre gesammelt mit wohlhabenden Familien. Waren darunter auch sehr viele die bei allem wie Lebensmittel und Klamotten Ultra gegeizt haben um die dicken Autos und ihre Urlaube zu finanzieren.

    Eine Frage, wie will der Autor mit China und den USA wirtschaftlich konkurrieren? Wir sehen jetzt schon alt aus.

    • @Duplozug:

      "Auch die Annahme die Masse an Menschen in der EU würde darauf besonderen Wert legen halte ich für Wunschdenken.

      Die allermeisten Menschen in der EU schauen auf den Preis und die Qualität. Und noch mehr eigentlich nur auf den Preis."

      Die Preise steigen doch eh, denken Sie an Wohnungen, Kaffee, Käse oder Butter, auch ohne Lieferkettengesetz.

      Eine vollständige Lieferkettenrichtlinie würde die Verbraucher relativ umfassend informieren über Menschenrechts- und Umweltverstöße innerhalb der Produktions- und Lieferkette. So bleiben sie weitgehend unwissend. So viel zum Punkt "Konsumentensouveränität".

      Im übrigen würden durch ein vollständiges Lieferkettengesetz nicht die Preise steigen, sondern lediglich die Profite der schwarzen Schafe sinken. Verstöße würden nämlich mit bis zu 5% des gloablen Umsatzes bestraft werden.

      Nun haben Konservative und Rechtsextreme gezeigt, auf welcher Seite sie gemeinsam stehen. Gewiss nicht auf Seiten der Verbraucher.

      • @Uns Uwe:

        "Nun haben Konservative und Rechtsextreme gezeigt, auf welcher Seite sie gemeinsam stehen. Gewiss nicht auf Seiten der Verbraucher." Stimmt - und da standen sie auch noch nie. Die Wirtschaftpolitik der Konservativen und insb. der CDU bestand bisher im Wesentlichen daraus, Unternehmen von jeder Zumutung zu befreien. Wobei das auch eher nur die Großunternehmen waren ...



        Das Ergebnis kennen wir: Eine vollkommen inovationsunfähige Wirtschaft, die den Kosumenten und den Staat melkt und die Verantwortung für ihr tun woanders ablädt. Siehe deutsche Autoindustrie.



        Insofern muss ich dem Kommentar widersprechen: Die Konservativen sind nicht auf Irrwegen -- sie bleiben sich treu, auch mit der Neigung nach rechts. Bündnis der Mitte war gestern, zu einem Zeitpunkt, als das gesellschaftliche Klima das erforderte. Jetzt darf man wieder!

  • Die Argumente, warum diese Entscheidung "erheblichen wirtschaftlichen Schaden" anrichten, sind abwegig.



    Man kann die Aufweichung der Lieferketten-Richtlinie ja kritisieren, aber die Rechnung, dass "Qualität" die Kosten einer "menschenrechtlichen Regelung" kompensieren soll, würde mich mal interessieren. Wie hat der Autor das ausgerechnet?

    "Große Firmen müssen vielleicht zwei oder drei Leute mehr beschäftigen, um ihre globalen Lieferketten im Blick zu behalten und zu kontrollieren."

    Spätestens dieser Satz zeigt meiner Meinung nach, dass der Autor ganz bewusst simplifiziert und eher etwas, sagen wir mal "rotzig" diskutiert.

    Fazit: Eine moralische Entrüstung könnte ich nachvollziehen, die hier vorgebrachte "ökonomische Argumentation" ist aber nicht überzeugend.

  • Das Lieferkettengesetz gehört nicht nur an die Kette, es gehört abgeschafft. Das wäre ökonomische Vernunft.



    Zu glauben, mit der Entfernung wäre es weniger bürokratisch, ist ein Irrglaube. Die großen Firmen als Kunden lagern die Reportpflichten trotzdem an ihre Zulieferer aus. Wer das ignoriert, sollte nicht von ökonomischer Vernunft schreiben.

  • Das deutsche Lieferkettengesetz ist schon einige Jahre in Kraft.



    Gibt es irgendwelche Beweise für die behaupteten Folgen?



    Wo ist die Welt besser geworden?



    Wo ist der Run auf deutsche Produkte deshalb?



    Vielleicht sollte die taz überlegen, wie es wäre, wenn sie unmittelbar dafür haften würde, ob bei der Produktion ihrer Computer, Handys und Redaktionsstubenfensterjalousien alles richtig gelaufen ist - denn genau darauf läuft die Forderung des Artikels in letzter Konsequenz hinaus.

    • @Frauke Z:

      "Das deutsche Lieferkettengesetz ist schon einige Jahre in Kraft. Gibt es irgendwelche Beweise für die behaupteten Folgen?"

      Ja, gibt es:

      "Lieferkettengesetz: Neue Studie sieht Erfolge – und Reformbedarf für mehr Gerechtigkeit"

      www.misereor.de/pr...mehr-gerechtigkeit

      Die Studie ist ziemlich neu, von Mai diesen Jahres.

  • Zitat: Aber vieles lässt sich auch mit automatisierter, computergestützter und kostengünstiger Kontrolle erledigen.

    Das stimmt, aber es ist doch ein enormer Aufwand und zum Teil unsinnig. Alle chinesischen Unternehmen haben eine Menschenrechtserklärung und einen Verhaltenskodex, Alle Unternehmen dort, damit ist China draußen (wird auch von allen NGO`s so gesehen). Alle islamischen Länder haben eine Halalerkläung (Produkte sind nach dem islamischen Recht hergestellt), sind damit auch raus. Bestimmte Länder aus der sogenannten Dritten Welt sind auch tabu, das wäre diskriminierend usw... Bleiben am Schluß nur noch deutsche Firmen übrig. Wir hatten enorme Schwierigkeiten bei unserem Bäcker, der die Kantine mit Brötchen beliefert. Wie soll man nachweisen, dass der keine Kinder beschäftigt oder Leute nach dem Mindestlohn bezahlt. Aufgrund des Datenschutzgesetzes darf man nicht die Lohnabrechungen einsehen, wegen KInderarbeit sollte man jetzt den Laden den Tag über beobachten, dass auch tatsächlich kein Kind hinter dem Tresen steht und Backwaren verkauft. Kein Witz.



    Etwas übertrieben alles, aber so in etwas läuft das ab. Die Datenbeschaffung ist enorm, aber alles irgendwie sinnlos.

  • Es handelt sich wohl um ein Missverständnis,



    die Konservativen haben doch nur in einem Teilbereich der Wirtschaft Kompetenzen,



    er beginnt mit Vettern...