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Letzter NS-Scherge in den USAErmittlungen gegen KZ-Wachmann

Ein 94-jähriger Deutscher soll aus den USA abgeschoben werden, weil er im KZ-Außenlager Meppen-Dalum Aufseher war.

Reste des Emslandlagers Dalum: die Pfosten des Eingangstors neben dem Trafohaus Foto: Frank Vincentz/wikimedia commons

Hamburg taz | In Niedersachsen könnte es zu einem weiteren Prozess gegen einen ehemaligen KZ-Wächter kommen: Das Justizministerium­ in Hannover hat die Generalstaatsanwaltschaft in Celle mit den Ermittlungen gegen den 94-jährigen Karl Friedrich B. beauftragt. Er soll als Wachposten im Außenlager des Konzen­trationslagers Neuengamme, das sich in Meppen-Dalum befand, Beihilfe zum Mord an Gefangenen geleistet haben. B. lebt derzeit noch in den USA, soll dort aber abgeschoben werden.

B. war von Januar bis März 1945 Aufseher im Außenlager des KZ Neuengamme. Dort mussten die Gefangenen Strafarbeiten verrichten. Auch bewachte er die Häftlinge im März 1945 nach der Auflösung des Außenlagers während des Marsches nach Neuengamme. Während dieses Marsches sollen rund 70 Häftlinge gestorben sein.

„Der Vorwurf, Beihilfe zur Tötung von Gefangenen geleistet zu haben, bezieht sich insbesondere auf die Bewachung des Marsches zur Evakuierung der Nebenlager“, sagt der Sprecher der Celler Generalstaatsanwaltschaft, Colin Arnold. Für seine Arbeit im KZ erhält B. bis heute eine Rente. Seinen Kriegsdienst verrichtete er ursprünglich bei der Marine.

Derzeit lebt B. noch im US-Bundesstaat Tennessee. Nach dem Krieg war er mit seiner Frau und seiner Tochter zunächst nach Kanada ausgewandert, 1959 dann weiter in die USA. Diesen März ordnete ein Gericht in Memphis seine Abschiebung an.

Beweise auf gesunkenem Schiff

B. war erst in die USA ausgewandert, als eine Vergangenheit als NS-Verbrecher nicht mehr von den amerikanischen Behörden verfolgt wurden. Allerdings können mit einem 1978 eingeführten Bundesgesetz NS-Verbrecher neuerlich abgeschoben werden. Laut dem US-Justizministerium geschah dies seither mit 67 Personen.

KZ Neuengamme

Zunächst als Außenlager des KZ Sachsenhausen errichtet, wurde Neuengamme bei Hamburg zum größten KZ im Nordwesten.

In ganz Norddeutschland mussten durch den Aufbau dutzender Außenlager die Häftlinge Zwangsarbeit leisten.

Die Häftlinge der Außenlager im Westen, unter anderem in Dalum, wurden zum Bau des „Friesenwalls“ gezwungen.

Mehr als 50.000 Inhaftierte starben in den Lagern oder auf den Todesmärschen zu Kriegsende.

Das US-amerikanische Justizministerium konnte B.s Dienst im KZ durch die Auswertung von Karteikarten nachweisen, auf denen seine Diensttätigkeiten notiert waren. Diese befanden sich 1945 auf den Schiffen Cap Arcona und Thielbek, auf die die KZ-Häftlinge des Neuengammer Außenlagers gebracht wurden, nachdem sie vor den vorrückenden Alliierten evakuiert worden waren. Aufgrund einer versehentlichen Bombardierung durch die Alliierten sanken sie in der Ostsee. Tausende Häftlinge starben.

Einige Jahre später wurden die Schiffe geborgen, die Karteikarte mit den Informationen über B. blieb erhalten. Durch zusätzliche Nachforschungen des U.S. Holocaust Memorial Museum konnten die Vorwürfe erhärtet werden.

Laut der Washington Post hat B. vor dem Gericht die Arbeit als Aufseher zugegeben. Entgegen der Ansicht des Justizministeriums will er dort aber nicht freiwillig Dienst getan haben. Auch habe er dabei keine Waffe getragen und sei ohnehin nur kurz im Lager gewesen. Das Gericht folgte jedoch der Ansicht der Anklagebehörde, wonach er sich freiwillig zu dem Dienst gemeldet haben soll. Der Washington Post sagte B. im Frühjahr, die Vorwürfe seien „lächerlich“. B. hatte nach dem Urteil Berufung eingelegt.

Letzter in den USA lebender NS-Verbrecher

Laut der Celler Generalstaatsanwaltschaft ist unklar, wann es zu einer Abschiebung kommen wird. Ohnehin ist laut US-Medien über die Berufung noch nicht entschieden worden.

Ob es in Niedersachsen zu einem Verfahren kommt, ist auch angesichts des Alters von B. fraglich. In Braunschweig platzte vor zwei Jahren ein Prozess gegen einen 96-jährigen mutmaßlichen NS-Verbrecher aufgrund dessen Gesundheitszustandes. Er war für verhandlungsunfähig erklärt worden.

Dabei dürfte es noch Monate dauern, ehe die Generalstaatsanwaltschaft im Fall B. Anklage erhebt. „Wir sichten derzeit noch die vorliegenden Unterlagen“, sagt Arnold.

Die Vorermittlungen wurden von der zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen in Ludwigsburg geführt, die bundesweit für die Aufklärung von NS-Verbrechen zuständig ist. Da die vorgeworfenen Taten im heutigen Niedersachsen stattfanden, übernimmt die Celler Generalstaatsanwaltschaft.

Soweit bekannt, ist B. der letzte in den USA lebende NS-Verbrecher. 2018 wurde der ehemalige KZ-Wächter Jakiv Palij von den USA nach Deutschland abgeschoben. Er starb kurze Zeit darauf mit 95 Jahren – ohne, dass Anklage erhoben wurde.

Zuletzt hatte die Hamburger Jugendstrafkammer einen 93 Jahre alten Angeklagten wegen Beihilfe zum Mord in 5.232 Fällen und wegen Beihilfe zu einem versuchten Mord zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt.

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6 Kommentare

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  • Was soll das, da wird ein Baldtoter nochmals den ganzen Justizapparat beschäftigen... 30 bis 40 Mitarbeiter blocken die an der Front für Naziumtriebe und anderen Rassistenuntaten gebraucht werden, von den anfallenden Millionen Kosten ganz zu schweigen. Es wird dann nach geschätzten 76 bis 77 Jahren nach Jugendstrafrecht gegen einen 96 bis 97 jährigen verhandelt...wer soll das verstehen ? Jetzt die neuen Täter packen und zeitnah bestrafen. sic!

  • Er war 1945 also 18 oder 19. Gilt man nach heutiger Rechtsprechung nicht mal als ganz erwachsen.

    • @Thomas Schöffel:

      Man gilt nach heutiger Rechtssprechung sehr wohl als erwachsen ab 18 Jahren, man kann bei Zweifeln der geistigen Reife nach Jugendrecht urteilen.



      Außerdem wirken sich die Umstände der Tat doch immer auf das Strafmaß aus, zumindest nach heutiger Rechtssprechung.

      • @Hauke:

        Mein Vater, ein Jahr später geboren, hatte Glück. Ein profilierungssüchtiger Zeitgenosse wollte es so, daß sich die ganze Klasse "freiwilig" zur SS meldete, was der Rektor verhindern konnte. Vater mußte dann mit 17 als Flakhelfer Munition heranreichen. Vermutlich hätte auch er heute eine gewisse Chance, als Kriegsverbrecher eingetütet zu werden, denn im Gegensatz zu einem Wachmann hatte mein Vater ja richtig mit Waffen und Schießen zu tun und einmal haben sie auch einen Lancaster-Bomber runtergeholt und er ist ihnen fast auf die Stellung gefallen. Reicht das nicht jetzt schon, ihn als Kriegsverbrecher zu handeln.

        • @Thomas Schöffel:

          Offensichtlich wissen sie nicht was Kriegsverbrechen sind. Als Soldat an einem Krieg beteiligt zu sein ist jedenfalls erstmal kein Kriegsverbrechen. Wo sie die Parallelen zur aktiven Beteiligung am Holocaust sehen ist mir schleierhaft. Klingt schon nach Relativierung der Shoah was sie von sich geben.

  • Toll dass man für die "Arbeit" in einem KZ Rente erhält.



    Kann man sich nicht ausdenken!