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Lehren aus LiverpoolWie wir uns besser vor Auto-Attacken schützen könnten

In Liverpool ist ein Mann mit dem Van in eine Menschenmenge gefahren. Solche Fälle häufen sich. Mehr Schutz für Fuß­gän­ge­r:in­nen wäre möglich.

Mobile Poller können schützen, sind aber nur eine temporäre Lösung Foto: Marijan Murat/dpa

Berlin taz | Dutzende Menschen sind verletzt, teilweise schwer: Ein Mann ist am Montagabend bei der Meisterfeier des britischen FC Liverpool mit einem Van in eine Menschenmenge gefahren. Ob es sich um einen gezielten Angriff handelte, und wenn ja, mit welcher Motivlage, war bis Redaktionsschluss unbekannt.

Die Fälle, in denen Autos zu Waffen werden, häufen sich – auch in Deutschland. Im März fuhr ein Mann in Mannheim in eine Menschenmenge, ein weiterer im Februar in München, noch einer im Dezember in Magdeburg. Dabei gab es jeweils Tote.

Können Kommunen ihre Be­woh­ne­r:in­nen schützen? Eine der gängigsten Maßnahmen sind Poller. Helmut Dedy, Chef des Deutschen Städtetags, wirft auf Anfrage der taz aber ein Problem auf: „Zur Sicherheit in der Stadt gehört auch, dass wir Wege für Rettungs- und Einsatzkräfte freihalten. Schon deshalb lässt sich nicht jede Straße und jeder Platz durch Barrie­ren sichern.“

Sein Sachreferent für Zufahrtsschutz, ­Christian Schneider, hat dafür aber eine Lösung auf Lager: bewegliche Barrieren. Das können Poller sein, die man bei Bedarf herunterfahren kann. Aber: „Moderner Zufahrtsschutz bedeutet viel mehr, als nur Poller aufzustellen“, betont Schneider. Man könne Schutz­maßnahmen auch so gestalten, dass sie im Alltag weitere Vorteile haben. Bänke, Fahrradständer, Blumenkübel oder Hochbeete zum Beispiel können Autos am Durchfahren ­hindern – aber schaffen auch Platz für Fahrräder sowie Menschen und verschönern die Stadt.

Fußgänger-Verein warnt auch vor „Alltagsraserei“

Doch das reicht nicht allen. Roland Stimpel, Chef des Fußgängervereins Fuss, hat zwar nichts gegen mehr Sitzgelegenheiten, weist aber auf ihre Grenzen beim Fuß­gän­ge­r:in­nen­schutz hin: „Stadtmöbel können natürlich helfen, bestimmte Orte zu schützen, aber nur einzelne Orte – und zum Beispiel keinen Demonstrationszug wie in München und keine ganze Fußgängerzone wie in Mannheim.“ Auch die Menschen, die eine Straße überqueren, seien dadurch nicht geschützt.

Zudem gehe vom Autoverkehr auch abseits von gezielten Attacken Gefahr aus: „Amok- und Terrorfahrten darf man nicht relativieren“, so Stimpel. „Aber es darf nicht ihretwegen verschwiegen werden, dass viel mehr Menschen der Alltagsraserei zum Opfer fallen.“

Großes Potenzial sieht der Verein in Geschwindigkeitsassistenten. Sogenannte Intelligent Speed Adaptors (ISA) erfassen im Auto, welches Tempolimit gilt, und bremsen das Fahrzeug gegebenenfalls ab. „ISA muss in alle Autos, so rasch es geht – und es muss mindestens innerorts immer eingeschaltet bleiben“, sagt Stimpel.

Zwar müssen seit Juli 2024 alle Neuwagen in der Europäischen Union mit ISA ausgestattet sein, Fah­re­r:in­nen können das System aber einfach ausschalten. Für ältere Fahrzeuge gilt es ohnehin nicht.

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7 Kommentare

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  • Oh je! Wieder mal die üblichen Reflexe der taz und der zugehörigen Leserschaft. Was hat bitte ein Amok/Anschlag/Psychofahrt mit dem normalen täglichen Verkehr zu tun? Schlichtweg nichts. Obwohl das eigene Narrativ bedient ist, ist der darauf folgende Diskurs ohne Wert.

  • Eine weitgehende Verringerung des Automobilverkehrs in Städten durch ein MIV-Verbot wäre eine echte Maßnahme. Aber das ist derzeit immer noch politischer Selbstmord.

    • @Mustardmaster:

      Aber kommen Sie jetzt bloß nicht mit Pferdekutschen!

      Tierquälerei!

  • Langsamer fahren und Kontrolle durch viel viel mehr stationäre Blitzer und Streckenüberwachung mit hohen Strafen. Wenn ich an den Punkten in der Stadt wo tagsüber flächendeckendes Tempo 50 an ein paar Unfallschwerpunkten durch Tempo 30 unterbrochen wird, werde ich garantiert überholt, weil keine Strafe zu erwarten ist. Wenn man wie in manchen Nachbarländern durchgreifen würde, wären 50% der Idiotenraser ohne Führerschein und die anderen 50% der Idiotenraser würden vorsichtig fahren.



    Ansonsten für Privatleute und Hinterhofvermieter, kein Autokauf und keine Versicherung ohne gültigen Führerschein und einer Haltererklärung, dass man die volle Verantwortung auch für die trägt denen man das Fahrzeug überlässt.

  • WARUM ost ISA abschaltbar.



    Ich fasse es nicht.



    Das war natürlich die Autolobby.



    Sinnvolle Regeln aushebeln ist ja Programm.

  • Wie ich in dem Zusammenhang gelesen habe, deutete lt. Polizei bei der Anfahrt des Tatfahrzeugs nichts auf eine solche Attacke hin, eher dass der Fahrzeugführer spontan ausgerastet ist.



    Ich selbst habe eine solche Situation erlebt, als der Fahrer eines SUV einen "zu späten" Fußgänger mit dem Tritt aufs Gaspedal eingeschüchtert und beinahe zu Fall gebracht hat.

  • Und das System erkennt dann eine Demo?