Landtagswahlen in Ostdeutschland: Wagenknecht bereitet ihr Terrain
Das Bündnis Sahra Wagenknecht gründet seine ersten Landesverbände. Im Herbst will es damit in Sachsen und Thüringen antreten.
Plötzlich geht alles ganz schnell. Am Freitag stellt das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) in Thüringen seine Kampagne für die Landtagswahl in Thüringen vor, und zwar in der Landeshauptstadt Erfurt. Nur einen Tag später, am Samstag, gründet sich in Sachsen der erste Landesverband. Er wird in der von Erfurt knapp 150 Kilometer entfernten sächsischen Stadt Chemnitz aus der Taufe gehoben.
In Thüringen lädt Sahra Wagenknecht in die Arena Erfurt, genauer gesagt, in das Tagungszentrum am Steigerwaldstadion, der Heimspielstätte des Regionalligisten FC Rot-Weiß Erfurt. Bei der Pressekonferenz sind neben ihr selbst als Parteivorsitzende und Namensgeberin ihr Neuzugang, die Eisenacher Oberbürgermeisterin Katja Wolf, sowie der Unternehmer Steffen Schütz angekündigt.
Wolfs Wechsel von der Linkspartei, der sie lange Jahre angehörte, zu Wagenknechts Start-up hat in Thüringen für Aufsehen gesorgt. Schütz ist Geschäftsführer einer Agentur für Marken- und Pharmakommunikation.
In Sachsen wird am Samstag dann der Landesverband am Samstag im Chemnitzer „Wirkbau“ ausgerufen, einem ehemaligen Fabrikareal in der Innenstadt, das Unternehmen, Vereine und Bildungseinrichtungen, Künstler und Kreative beherbergt. Dem Landesverband Sachsen gehören nach Angaben des BSW rund 60 ausgewählte Mitglieder an.
BSW-Sachsen startet in Chemnitz
Die ehemalige Linken-Bundestagsabgeordnete Sabine Zimmermann koordiniert den Aufbau der BSW-Strukturen in Sachsen. Neben ihr soll bei der Pressekonferenz in Chemnitz der Unternehmer Jörg Scheibe auftreten, der bereits dem neuen sächsischen Landesverband angehören soll. Angekündigt ist auch Amira Mohamed Ali, eine der beiden Vorsitzenden des Bündnisses. Sahra Wagenknecht, die andere Vorsitzende, wird in Chemnitz nicht dabei sein
Der sächsische Landesverband soll bei den Landtagswahlen in Sachsen am 1. September antreten, der thüringische Ableger am gleichen Tag in Thüringen. Dessen Gründung steht noch bevor. Ein Landesverband in Brandenburg soll bald folgen: Dort wird am 22. September gewählt. Glaubt man den Umfragen, könnte das Wagenknecht-Bündnis sowohl in Sachsen als auch in Thüringen den Sprung in den Landtag schaffen.
„Gerade im Osten ist der Wunsch nach Veränderung besonders stark“, sagt Wagenknecht. Sie will mit den Themen Rente, Reallohnverluste und hohe Preise für Energie- und Lebensmittel punkten. Damit macht sie ihrer ehemaligen Partei Konkurrenz. Deren neue Führung der Linken im Bundestag hat gerade angekündigt, sich besonders für Ostdeutschland einzusetzen und auf die Themen Löhne und Renten zu setzen. „Der Osten ist für uns die Herzkammer dieser Partei“, sagte der neue Vorsitzende der linken Parlamentariergruppe im Bundestag, Sören Pellmann, am Dienstag in Berlin. Die Co-Vorsitzende Heidi Reichinnek betonte, die Linke sei die „Stimme des Ostens“, auch wenn sie keine reine Ostpartei sein wolle.
Wer ist die bessere Ostpartei?
Beide kündigten ein Strategiepapier mit Perspektiven für den Osten 2030 an. Der 47-jährige Pellmann stammt aus Sachsen, die 35-jährige Reichinnek wuchs in Sachsen-Anhalt auf. Beide wurden am Montag nach Kampfabstimmungen zu den neuen Vorsitzenden der 28 Linken-Abgeordneten im Bundestag gewählt. Sie wollen bald ein Strategiepapier mit Perspektiven für den Osten 2030 vorlegen. Dem Bündnis Sahra Wagenknecht werfen sie vor, ihre Konzepte zu kopieren. Im Gegensatz zu Wagenknecht sei ihr Rentenkonzept „ausfinanziert“, sagt Pellmann.
Wagenknecht hatte im Januar ihre eigene Partei gegründet und kurz darauf in Berlin ihren ersten Bundesparteitag abgehalten. Erstmals treten beide Parteien bei der Europawahl am 9. Juni gegeneinander an: Es wird ein Testlauf für die drei Landtagswahlen im Osten.
In einer früheren Fassung des Textes hieß es, in Erfurt werde das BSW bereits einen Landesverband gründen. Dort stellt es am Freitag aber erst einmal seine Kampagne zur Landtagswahl vor. Die Gründung eines Landtagsverbands in Thüringen steht erst noch bevor.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin