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Landtagswahl in Schleswig-HolsteinHabeck nimmt Kurs auf Jamaika

Die Küstenkoalition in Schleswig-Holstein ist am Ende. Die Grünen debattieren nun, ob sie doch mit CDU und FDP regieren wollen.

Habeck? „Ein toller Typ“, sagt Kubicki Foto: dpa

HAMBURG taz | Robert Habeck muss nun doch Diskussionsbedarf haben. Wochenlang hatte Schleswig-Holsteins grüner Star im Landtagswahlkampf gebetsmühlenartig wiederholt, die „Küstenkoalition“ fortsetzen zu wollen. „Diese Koalition ist erfolgreich, wir sind mit ihr hoch zufrieden. Ende der Durchsage.“ Doch nach dem Ergebnis der Wahl am Sonntag gibt es keine Mehrheit mehr für das Dreierbündnis aus SPD, Grünen und der dänischen Minderheitenpartei Südschleswigscher Wählerverband (SSW).

Robert Habeck und seine Grünen werden nun die Angebote sortieren können. Denn begehrt sind sie weiterhin – SPD, CDU und FDP würden nur zu gerne mit der Ökopartei koalieren.

Denn zwei weitere Dreierbündnisse sind rechnerisch möglich: SPD oder CDU mit Grünen und FDP. Bislang hatte Habeck immer erklärt, es gebe „keinen Bedarf für Debatten über ein anderes Bündnis als die Küstenkoalition“. Es gäbe kein Politikfeld, „auf dem die CDU ein verlässlicher Partner wäre“. Schwarz-Gelb-Grün halte „einem Realitätscheck nicht stand“.

Doch schon am Wahlabend begann das Umdenken: Robert Habeck sei „ein toller Typ“, schmeichelte FDP-Vormann Wolfgang Kubicki vor laufenden Kameras in der ARD. An ein paar Windanlagen mehr oder weniger werde ein Bündnis mit CDU und FDP nicht scheitern, sagte Habeck, „das wäre doch Kinderkram“.

An ein paar Wind­rädern soll eine Jamaika-Koalition nicht scheitern

Spannend werden auch die bundesweiten Auswirkungen des Ergebnisses. Mit dem schlechten Abschneiden der SPD kommt den Grünen wie schon 2009 und 2013 ein möglicher Koalitionspartner abhanden. Selbst mit der Linkspartei zusammen würde es wohl nicht für eine Mehrheit im Bundestag reichen.

Dennoch hatte der Schulz-Effekt zunächst negative Auswirkungen auf die Grünen – sie verloren in den Umfragen an die SPD. Ein Teil des Grünen-Milieus war offenkundig für einen Gerechtigkeitswahlkampf ansprechbar, die potenziellen SPD-Wähler regierten gemischt.

Die grünen Spitzenkandidaten Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt stehen dagegen für eine Öffnung zu Schwarz-Grün. Auch dafür gibt es laut Umfragen derzeit aber keine Mehrheit. Spannend wird, wie das Grünen-Milieu in den bundesweiten Umfragen auf eine mögliche Jamaika-Koalition in Kiel reagiert.

Mit rund 13 Prozent schweben die Grünen im hohen Norden weiterhin in luftigen Höhen, von denen die Partei im Bund und in Nordrhein-Westfalen nicht mal zu träumen wagen darf. Dort haben sich die Grünen erst auf einem kleinen Parteitag am Sonntag noch einmal ausdrücklich zu einer Koalition mit der SPD bekannt. Möglich, dass sie das schon jetzt heimlich bedauern. Am nächsten Sonntag könnte die nächste grüne Richtungsdebatte beginnen.

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19 Kommentare

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  • Tja, hätten linke SPD-/Grünwähler mal lieber die Linke gewählt. Wäre die drin, könnte die Küstenkoalition weiter machen.

  • Soviel Geradlinigkeit wie die Linkspartei mit ihren paar Prozentchen hat der Wähler den Grünen wohl nicht zugetraut.

  • Wie sehr "Jamaika" grüne Inhalte voran bringt , hat man ja zuletzt im Saarland gesehen...

  • gelb und grün geht so gar nicht zusammen, ich glaube die spinnen

     

    fdp ist pro gentechnik und steht ideologisch diametral zu den gruenen grundbekenntnissen

     

    wenn das zusatnde kommt, sind die 5% auf bundesebene nicht mehr sicher

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    Ja, die Grünen, gemeinsam mit der CDU und FDP, fast so schön, wie gemeinsam kuscheln im Bett.

  • aus zwei verschiedenen himmelsrichtungen weht frischer politischer wind: oben vom norden aus kiel - und unten aus dem südwesten von paris herauf. von apolda aus gesehen ;-)

     

    um mit stefan heym zu sprechen: machen wir die fenster weit auf!

     

    merci und danke!

    • @Gion :

      Ja wunderbar, vermutlich wird der Abschieber- und Lobbyistenverein CDU mit der Regierungsbildung zu tun haben. Da wo heute noch ein Abschiebestop existiert, kann es bald munter wieder losgehen. "Vorwärts nimmer, rückwärts immer" wird das schöne neue Motto. Und wer begibt sich da mitten rein? Tja, die Antwort brauche ich wohl nicht zu geben...

       

      Die Grünen gehen den Weg der Rückgratlosen, verspielen sich jede Art von Vertrauen, das vielleicht irgendwer mal irgendwann gehabt haben könnte. Na und, dann gehen die halt mal in die Opposition. Eine Opposition aus SPD, Grünen und SSW (die AfD lasse ich bewusst außenvor) könnte einen starken Gegenpart zur konservativen Landesregierung werden. Aber neeeein, lieber mit am Tisch sitzen und sich bücken... ehhm, dann eher unterm Tisch sitzend.

  • Das Foto über dem Artikel zeigt die Schizophrenie: Jemand hält sich entsetzt (vermutlich über das Abschneiden des Koalitonspartners SPD) die Augen zu, andere jubeln. Im Hintergrund guckt jemand leicht erstarrt.

    Programme kommen in der deutschen Politik nicht mehr an, nur noch Gesichter und Images. Das ist die totale Verflachung der Politik.

  • Rechts...

     

    Für die Grünen geht es nun nach rechts... Immer schön ranwanzen an A. Merkel.

    Habeck - der Kretschmann des Nordens.

    • 7G
      74450 (Profil gelöscht)
      @Hartz:

      "Habeck - der Kretschmann des Nordens."

       

      Naja, bei 30 Prozent liegt er noch lange nicht. Aber Potenzial hat der Mann ohne Frage.

      • @74450 (Profil gelöscht):

        ... und der Hahn im Korb des Landfrauenvereins (Fotto) scheint er allemal zu sein. Da sollte sich Fat Freddy's Schulz mal ne Scheibe abschneiden.

  • Eine Schwampel/Jamaika Koalition könnte man sich auch auf Bundesebene vorstellen, falls es für Schwarz-Gelb oder Schwarz-Grün alleine nicht reichen wird.

     

    Allemal besser als eine weitere Legislaturperiode unter der GroKo.

  • In S.-H. waren die WählerInnen offensichtlich mit der Regierungsarbeit der Grünen zufrieden und nun kommt es darauf an, grüne Inhalte so stark wie bisher in der künftigen Landesregierung zu verankern, egal welch Partei diese Regierung anführt.

    In NRW konnte die Regierungsarbeit der Grünen im Ergebnis hingegen nicht überzeugen, weshalb viele WählerInnen sich abgewandt haben.

    Angesichts solcher Phänomene wie Klimawandel, Bienensterben, Verschwinden von Insekten und als Folge davon Bestandseinbruch bei Singvögeln, ungebremster Flächenversiegelung usw. halte ich das Thema Ökologie aber für dringlicher denn je und eine Partei die glaubwürdir dort ihre Schwerpunkte setzt ist alles andere als überflüssig.

  • Wenn die Grünen in Hedwig Holzbein jetzt schwampeln, obwohl auch eine SPD-geführte Ampel möglich wäre, fliegen sie in NRW aus dem Landtag.

  • Das Grauen hat einen Namen, er lautet "Schwampel". Jamaika muss man nicht mit der stolzfreiesten aller möglichen Konstellationen beleidigen.

  • Jaja, und so kehren die "revolutionären" Kinder des Bürgertums brav zu ihren konservativen Eltern und Großeltern zurück. Immerhin ist die AfD nur bei popeligen 5,3%, was angesichts der braunen Vergangenheit SHs als Erfolg betrachtet werden kann. Auch muss ich zugeben dass die CDU es offenbar geschafft hat Wähler zu mobilisieren ohne der fremdenfeindlichen Rhetorik der rechtsextremen zu verfallen. Zu mindestens ist es nicht so aufgefallen wie bei der polternden Schwesterpartei in Bayern.

  • Schleswig-Holstein mit Habeck ist was ganz anderes als Özdemir mit KGE für den Bund, das ist einfach alles nicht vergleichbar, weder die Regionen noch die Persönlichkeiten. Und Habeck wollten sie ja für den Bund nicht - Pech gehabt oder falsch entschieden.

    Es wird bei der Bundestagswahl daher auch nicht helfen/schaden, was im Norden so passiert, interessiert ja sonst auch keinen. Özdemir ist nicht Habeck und wird es auch nie werden, egal, was er die kommenden Wochen sagen und tun wird.

  • Da haben sich nur die Farben geändert sonst nichts.