Lampedusa und Italiens Migrationspolitik: Eine Strategie, die Leid schafft
Giorgia Melonis Ziel, die Grenzen „sicher“ zu machen, ist gescheitert. Migration lässt sich nicht einfach so kontrollieren.
![Eine Mutter, die ihr Kind auf den Rücken gebunden hat, neben ihr eine Frau, die sich mit einem Handtuch auf dem Kopf vor der Hitze schützt Eine Mutter, die ihr Kind auf den Rücken gebunden hat, neben ihr eine Frau, die sich mit einem Handtuch auf dem Kopf vor der Hitze schützt](https://taz.de/picture/6523106/14/lampedusa-1.jpeg)
W ährend die einen in der Lage auf Lampedusa völlig zu Recht einen humanitären Notstand erkennen, schlachten rechte Medien und Parteien in ganz Europa diese nach Kräften aus. Sie schreiben von einer „Invasion“, die knapp 7.000 in dieser Woche auf der Insel Angekommenen nennen sie eine „Armee“. Die polnische PiS setzt im laufenden Wahlkampf voll auf die dramatischen Lampedusa-Bilder. Es ist eine Rhetorik wie im Krieg, deren Ziel nur sein kann, mehr Gewalt zu legitimieren. Die Lage an den Außengrenzen sei „außer Kontrolle“; daran, die Grenzen nun „endlich sicher“ zu machen, führe kein Weg mehr vorbei, heißt es. Es wäre interessant zu erfahren, wie sie sich das vorstellen.
Die Ankunftszahlen in Italien sind in diesem Jahr so hoch wie seit sechs Jahren nicht. Lampedusa, eine der Inseln Italiens, die Nordafrika am nächsten liegen, war in der Vergangenheit eines der wichtigsten Ziele der Boote Papierloser. Die Insel war schon mehrfach überfüllt, das Aufnahmelager zwischenzeitlich geschlossen. Heute sieht es dort wieder so aus wie vor Jahren. Und das unter der wohl rechtesten Regierung Italiens seit Mussolini – dem Bündnis von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni.
Meloni wollte die Migration über das Meer beenden und hatte dafür im Wahlkampf eine Seeblockade durch die Marine angekündigt. Es wäre die letzte Konsequenz eines seit Jahren zunehmend militarisierten Grenzregimes. Und zweifellos wäre es illegal.
Zum Glück schreckte Meloni davor bisher zurück. Stattdessen gibt es den mehr oder weniger selben Mix zur Migrationsabwehr wie bei den Vorgängerregierungen: Verhandlungen mit Nordafrika um Türsteherdienste, Unterstützung für die libysche Küstenwache, Repression gegen Seenotretter:innen, möglichst schlechte Aufnahmebedingungen für Ankommende in der Hoffnung, diese mögen in andere EU-Staaten weiterziehen – und die berechtigte Klage über zu wenig Umverteilung innerhalb der EU. Dass die deutsche Regierung in dieser Woche die zahlenmäßig kaum ins Gewicht fallende, symbolisch aber höchst bedeutsame Umverteilung aus Italien stoppte, ist da ein fatales Signal.
2.340 Tote bisher im Mittelmeer
Diese Strategie verursacht enormes Leid unter den Flüchtenden – unter anderem 2.340 Tote bisher in diesem Jahr im Mittelmeer. Und die Ankunftszahlen stiegen trotzdem. Wer die Grenzen nun angesichts der Bilder aus Lampedusa „endlich sicher“ machen will – also weiter gehen will als Meloni –, wird letztlich nur eins erreichen: noch mehr Gewalt gegen Schutzsuchende.
Denn Migration lässt sich nicht so kontrollieren, wie immer behauptet wird. Dass Meloni ihr Wahlversprechen nicht einlösen kann, beweist das einmal mehr.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator