Kuba legalisiert Ehe für alle: Ein kluger Schachzug des Regimes
Das Referendum macht das Leben auf Kuba für queere Personen ein bisschen besser. Ein billiger Punkt für das Regime – ein Tiefpunkt für die Opposition.
E gal, wie das Referendum am Sonntag ausgegangen wäre, einen Sieger hätte es immer gegeben: Das kubanische Regime. Hätte eine Mehrheit der Bevölkerung das von der Regierung vorgeschlagene neue Familiengesetz abgelehnt, hätte die Diktatur einen Beweis dafür gehabt, gar keine zu sein. Schade drum, aber wenn das Volk es so will?
Dem Machtanspruch der kubanischen KP und ihrer Führung hätte es jedenfalls keinerlei Abbruch getan, die Bürgerrechte der LGBTQi*-Community und der Frauen in Familien nicht auszuweiten. Kubas Regierung hat ein Referendum anberaumt, dessen Ergebnis sie nicht fälschen musste. Es war ihr schlicht egal.
Jetzt haben nach offiziellen Angaben rund zwei Drittel jener rund 75 Prozent, die sich am Referendum beteiligt haben, mit „Ja“ gestimmt. Und prompt feiern die Staatsmedien einen Sieg des revolutionären Kuba auf seinem unaufhaltsamen Weg zu immer mehr Gerechtigkeit.
Das ist zwar unendlich zynisch: Bis heute hat sich etwa keine Staatsinstitution für die Umerziehungszwangslager der 1960er Jahre entschuldigt, in denen Homosexuelle weggesperrt wurden. Und wann immer LGBTQi*-Aktivist*innen versuchen, selbst und unabhängig für ihre Anliegen auf die Straße zu gehen, sehen sie sich der gleichen Repression durch Polizei und Staatssicherheit ausgesetzt wie alle anderen, die sich außerhalb des schmalen zugelassenen Meinungskanals politisch äußern wollen.
Und dennoch feiern auch diese Aktivist*innen an diesem Tag einen Sieg: Immerhin bringt ihnen das Ja zum Referendum jetzt die gleichen Rechte, die alle anderen bereits haben. Damit wird Kuba nicht zum Rechtsstaat – von unabhängiger Justiz kann nach wie vor nicht die Rede sein – aber die Extraportion Diskriminierung, der queere Menschen bislang ausgesetzt waren, ist zumindest auf dem Papier vorbei. Das revolutionäre Kuba, die Avantgarde der Gerechtigkeit, ist damit wenigstens in diesem Punkt gesetzlich auf dem Stand angekommen, auf dem die meisten Demokratien schon seit Jahren sind.
Die vor allem in den sozialen Medien geführte Debatte unter Kubaner*innen inner- und außerhalb der Insel zeigte erschreckend, wie verkommen die Diskussionskultur nach jahrzehntelanger Unterdrückung öffentlichen Diskurses ist.
Ja, da gab es diejenigen, die aus evangelikalem Fundamentalismus jede Abweichung vom traditionellen Familienbild ablehnen. Aber es gab auch viele Anhänger*innen von Opposition und Dissidenz, die allein deshalb für ein Nein warben, weil der Vorschlag für das Gesetz von der Regierung kam. Das ist das gleiche Segment von Anti-Castro-Kubaner*innen, die vehement Donald Trump unterstützen und bei jeder Wahl in einem lateinamerikanischen Land „Kommunismus“ wittern, wo nicht die extreme Rechte gewinnt – und die dann im Netz queere Aktivist*innen, manche von ihnen mit einer langen Leidensgeschichte, als Castro-Büttel beschimpfen.
Diese Art Oppositioneller sind die besten Freunde des kubanischen Regimes. Denn das aktuelle Kuba mit seiner – wahrlich nicht nur von außen verschuldeten – Wirtschaftskrise, seiner massiven Ausweitung der Repression gegen Andersdenkende und dem staatlichen Mitverdienen am Massenexodus von Kubaner*innen ist nun wirklich kein erstrebenswertes Objekt der Solidarität oder gar Bewunderung. Erst im Glanze solcher Gegner wird es irgendwie attraktiv.
Insofern war es ein kluger Schachzug, ausgerechnet ein Familiengesetz zur Abstimmung zu stellen, das Themen verhandelt, die zwar kulturkämpferisch aufgeladen, aber meilenweit davon entfernt sind, in Kuba die Machtfrage zu entscheiden. Und eine Opposition, die engstirnig und kurzsichtig gegen die Ausweitung von Bürgerrechten mobilisierte, hat sich selbst diskreditiert. Das dürfte genau so gedacht gewesen sein.
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