Corona-Impfstoffentwicklung in Kuba: Registrierung nicht rundgelaufen

Kuba entwickelte mehrere Corona-Impfstoffe. Es ist still geworden um Soberana, Abdala und Co. Warum, erklärt Kubas Chef-Epidemiologe Francisco Durán.

Ein Mann wird geimpft

Covid 19 Impfung in Havana Foto: Alexandre Meneghini/reuters

HAMBURG taz | In Kuba kennt jedes Kind Francisco Durán als Dr. Nasobuco. Regelmäßig trat der Direktor für Epidemiologie des kubanischen Gesundheitsministeriums zwischen März 2020 und Dezember 2021 im kubanischen Fernsehen auf. Er informierte über und warnte vor Covid-19, erklärte aber auch, wie die Regierung gegen die Ausbreitung der Pandemie vorging und wie sich die 11,2 Millionen Ku­ba­ne­r:in­nen schützen können: mit dem Tragen einer Maske. Das brachte dem Gesundheitsexperten aus Santiago de Cuba mit dem Dienstsitz Havanna den Spitznamen Dr. Mund-Nasen-Schutz, eben Dr. Nasobuco, ein.

Durán könnte in den kommenden Monaten wieder öfter im kubanischen Fernsehen auftauchen. Der Grund liegt auf der Hand: auf Kuba steigen wie im Rest der Welt die Infektionszahlen wieder.

„Die Omikronvarianten sind in Kuba angekommen. Die Maske ist in öffentlichen Verkehrsmitteln und bei größeren Veranstaltungen seit ein paar Tagen wieder obligatorisch“, erklärte Durán auf einer Informationsveranstaltung der kubanischen Botschaft an der Hamburger Uni Ende Juli. Die Omikron-Untervariante BA.5 macht dem Direktor für Epidemiologie des Gesundheitsministeriums in Havanna Sorgen, denn noch ist unklar, ob die kubanischen Impfstoffe gegen die Variante wirken. „Eine Modifizierung der Impfstoffe wird wahrscheinlich nötig sein, um der Omikronvariante zu begegnen“, sagt der Epidemiologe, der in etwa die gleiche Funktion in Kuba inne hat wie RKI-Chef Professor Lothar Wieler in Deutschland und ähnlich präsent ist.

Mitte Juni 2022 wurde die Omikron-Untervariante BA.5 in Kubas erstmals nachgewiesen, so Dúran, und vieles deute darauf hin, dass die kubanischen Impfstoffe trotz einer Impfquote von rund 90 Prozent nicht so effektiv wirken würden wie erhofft. „Wir setzen auf eine zweite Booster-Impfung für die gesamte Bevölkerung und hoffen, dass es so wie in den vergangenen zehn Wochen keine Todesfälle geben wird.“ Basis dafür sind die kubanischen Impfstoffe Soberana 02 und Abdala – zwei von insgesamt fünf Impfstoffen, die die kubanischen Wis­sen­schaft­le­r:in­nen auf der Insel entwickelt haben.

Eigene Impfstoffe als einzige Alternative

Für die Insel war das die einzige Option, denn Impfstoffe auf dem internationalen Markt zu kaufen hätte sich das Land schon vor der Pandemie und noch weniger in der Pandemie leisten können, so Durán. Mit dem weltweiten Ausbruch der Pandemie im März 2020 brach einer der zentralen Devisenbringer zusammen: der Tourismus. Die Politik habe damals an die Wissenschaft appelliert, einen eigenen Impfstoff zu entwickeln.

Vier Monate später sei ein erster proteinbasierter Impfstoff vorgestellt worden. Dabei setzten die kubanischen Wissenschaftler im Gegensatz zu den neuartigen mRNA-Impfstoffen von Pfizer-Biontech und Moderna auf traditionelle Verfahren, wie sie bei der Entwicklung herkömmlicher Vakzine wie gegen Polio, Tetanus und Co üblich sind. Das hat Vorteile, denn Soberana 02 und Abdala, mit denen rund 90 Prozent der Bevölkerung, darunter auch alle Kinder über zwei Lebensjahren, geimpft sind, bedürften keiner extremen Kühlung und können in bestehenden Produktionsanlagen hergestellt werden.

Doch an diesem Punkt kam es in Kuba zu Verzögerungen. Anders als ursprünglich geplant, entschied man sich, eine neue Impfstofffabrik in der Sonderwirtschaftszone von Mariel zu bauen, um eine potenzielle Nachfrage aus dem Ausland zu decken, so Omar Everleny Pérez, kubanischer Sozialwissenschaftler. Dabei wurde aufgrund unterschiedlicher Faktoren, darunter wahrscheinlich der US-Embargo-bedingt erschwerte Import von Anlagen, Rohstoffen und Abfüllmaterialien, der Zeitplan nicht eingehalten. Auch die Dokumentation der kubanischen Studien zu den beiden inselweit verabreichten Impfstoffe Soberana 02 und Abdala sei verspätet und erst nicht vollständig bei der Weltgesundheitsbehörde (WHO) eingegangen, so Everleny Pérez.

Das bestätigt auch Francisco Durán und tritt damit Gerüchten entgegen, dass die WHO sich unnötig Zeit lasse. „Die Unterlagen sind erst vor zwei Monaten komplettiert worden, die Zertifizierung der Produktionsanlagen in Mariel steht noch aus“. Das sei ein normales Procedere, so Durán.

Gleichwohl hofft Dr. Nasobuco, dass die Impfstoffe schnell ihre WHO-Zulassung, quasi den Medikamenten-TÜV, erhalten und dass auch deren Modifizierung für die Omikron-Untervariante BA.5 schnell erfolge. Genau das ist die Voraussetzung für den Export der Vakzine, die dringend benötigte Einnahmen in einer wirtschaftlich prekären Situation generieren könnten.

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