Kritik der ARD-Sendung „Hart aber Fair“: Juristische Laien auf Abwegen
Frank Plasberg bewertet emotionale Fälle von Rechtsversagen. Dem Moderator fehlt es an juristischem Fingerspitzengefühl.
Wenn juristische Laien auf Anwälte, Richter oder Staatsanwälte treffen, dann ist das Missverständnis füreinander groß. In Frank Plasbergs ARD-Sendung „Hart aber Fair“ wurde dieses Dilemma erneut deutlich. Drei Volljuristen und die langjährige Gerichtsreporterin Gisela Friedrichsen diskutierten mit dem Vorsitzenden der Bild-Chefredaktion, Julian Reichelt, und Frank Plasberg über aktuelle kritische und emotionale Fälle von Rechtsversagen. Juristen gegen das „gesunde Volksempfinden“, wie Plasberg einleitend festlegt.
Heiligabend 2016. Sechs junge Männer zünden am Berliner U-Bahnhof Schönleinstraße ein Taschentuch gefährlich nahe am Kopf eines Obdachlosen an. Der Haupttäter wird zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt – wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung. Die Staatsanwaltschaft forderte ein Urteil wegen versuchten Mordes. So auch der juristische Laie Julian Reichelt, der zwar zu keinem Gerichtstermin anwesend war, sich aber einfach nicht vorstellen kann, dass eine solche Tat ohne Mordvorsatz geschehen könnte.
Einen Verbündeten in seiner Forderung nach härteren Strafen findet er im ehemaligen Berliner Staatsanwalt und heutigen AfD-Politiker Roman Reusch. Ob dieser wisse, dass die Angeklagten Flüchtlinge waren, fragt Plasberg grundlos nach etwa neun Minuten Sendezeit. Ja, das sei egal entgegnet er – nutzt aber die Chance um von „orientalischen“ Straftätern zu erzählen. Letztlich braucht es den Vorsitzenden des Richterbundes Jens Gnisa, um Reusch und Plasberg auf die verbundenen Augen der Justitia hinzuweisen.
Im Laufe der Sendung wird immer deutlicher, dass sich Plasberg als Sprecher der Entmachteten und Vertreter des „gesunden Volksempfindens“ sieht. So macht er Stimmung gegen die Justiz; die anwesenden Juristen geraten immer stärker in die Verteidigung.
Die Fälle, die Plasberg präsentiert sind grauenhaft und die Justizfehler dramatisch: Der Hamburger Kinderschänder Olaf R. wurde trotz jahrelanger sexueller Gewalt an Kindern nicht in Sicherheitsverwahrung überführt. In einem anderen Fall prostituierte eine Frau im Raum Freiburg gemeinsam mit ihrem Freund ihren neunjährigen Sohn während das Jugendamt untätig blieb. Die Niedertracht der Täter und die Ignoranz der Behörden steht außer Frage.
Dennoch ist es ein Unterschied wie stark – und vor allem von wem – gegen unser Rechtssystem geschossen wird. Anwalt und Ex-FDP-Innenminister Gerhart Baum hebt hervor, dass gravierende Mängel in der Strafprozessordnung zu elendem Verschleppen von Verfahren führen. Außerdem müssten die Straftatbestände „entrümpelt“ werden. Er erhält Zustimmung von den anwesenden Juristen. Vielleicht sollte die Bewertung der Prozess- und Rechtslage fachlichen Profis überlassen werden, die nicht – wie Julian Reichelt – von angeblich ideologischem Verhalten der Richter schwadronieren ohne den Justizalltag zu kennen.
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