Kritik am ungerechten Erbschaftsrecht: Reiche erben billig
Das Erbschaftssteuerrecht bevorzugt Vermögende, kritisiert die Organisation Finanzwende. Sie fordert die Abschaffung der Privilegien.
Vor genau fünf Jahren hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass die Neuregelung von 2016 verfassungswidrig ist, weil sie zu weitgehende Ausnahmen zulässt. Aber: Das Bundesfinanzministerium zwingt die Finanzverwaltung per Erlass, dieses Urteil zu ignorieren. Formell ist das nicht zu beanstanden. „Materiell ist das aus meiner Sicht ein Skandal“, sagt Joachim Wieland, Professor für Steuerrecht an der Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer. „Wir sind weiterhin in einer Situation, wo verfassungswidrig Ausnahmen gemacht werden“, betont er.
Über viele Jahre haben Gesetzgeber und Rechtsprechung bei der Erbschaftssteuer Ping-Pong gespielt, sagt Finanzwende-Vorstand Gerhard Schick, der von 2005 bis 2018 grüner Bundestagsabgeordneter war. Immer wieder haben Gerichte Reformen als verfassungswidrig kritisiert, weil sie Mega-Reiche zu sehr begünstigten. Dass der Gesetzgeber immer wieder solche Regelungen geschaffen hat, sei der enormen Lobbyarbeit der Vermögenden geschuldet, sagt Schick. Die Stiftung Familienunternehmen habe auf Bundesebene und über die Länder immer wieder interveniert, so dass der Gesetzgeber stets bereit war, erneut die Kritik der obersten Gerichte in Kauf zu nehmen.
Zwar dürfen bei Summen über 26 Millionen Euro die Empfangenden nicht steuerfrei davonkommen. Aber wenn sie als bedürftig gelten, können die Steuern erlassen werden, sagt Julia Jirmann vom Netzwerk Steuergerechtigkeit. „Bedürftigkeit“ wird von der Finanzverwaltung nicht mit den Maßstäben der Arbeitsagenturen bewertet. Laut Jirmann wurden 2021 in zehn Fällen Steuern von fast einer halben Milliarde Euro erlassen. Die Privilegien bei der Erbschaftssteuer führen jährlich zu Einnahmeverlusten von rund 5 Milliarden Euro.
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