piwik no script img

Krise in der PhotovoltaikbrancheZweite Solarfirma schließt

Erst gab Meyer Burger auf, jetzt stoppt auch Solarwatt seine Modulfertigung in Deutschland. 190 Mitarbeiter des Dresdner Unternehmens sind betroffen.

Im August zu Ende: Lötstation bei Solarwatt in Dresden Foto: Sylvio Dittrich/picture alliance

Berlin taz | Die deutsche Solarindustrie schrumpft weiter: Nur wenige Wochen, nachdem die Firma Meyer Burger ihre Modulproduktion im sächsischen Freiberg endgültig aufgegeben hat, will nun auch die Firma Solarwatt in Dresden ihre Modulfertigung im Sommer einstellen. Das Werk verfügt über eine Jahreskapazität von 300 Megawatt. Nach eigenen Angaben ist das Unternehmen europäischer Marktführer bei sogenannten Glas-Glas-Modulen – das sind Paneele, bei denen sich die Solarzellen zwischen zwei Glasscheiben befinden. Sie gelten als besonders belastbar und langlebig.

Die Nachricht aus Dresden kam unmittelbar, nachdem Bundestag und Bundesrat Ende vergangene Woche das „Solarpaket 1“ verabschiedet hatten. In dem Paket ist der lange von der Branche erhoffte „Resilienzbonus“ – ein Zuschlag bei der Einspeisevergütung für Solaranlagen mit heimischen Komponenten – nicht enthalten.

So gesehen dürfte der Zeitpunkt der Entscheidung des Firmenmanagements, die Modulfertigung stillzulegen, direkt mit den politischen Entwicklungen in Berlin zusammenhängen. Solarwatt-Geschäftsführer Detlef Neuhaus sagte, seine Firma habe „angesichts des internationalen Verdrängungswettbewerbs keine andere Wahl“, als die Fertigung Ende August einzustellen.

Etwa 190 der 750 Mitarbeiter des Unternehmens seien betroffen, heißt es. Sollten sich die Bedingungen am Markt allerdings wieder bessern, könne man die Produktion in Dresden schnell wieder aufnehmen. Der Maschinenpark nämlich soll erhalten bleiben. Auch das Wissen will die Firma weiterhin am Ort vorhalten, nicht zuletzt für die Qualitätssicherung der von Auftragsfertigern bezogenen Module.

Modulproduktion „nicht akzeptabler Ballast“

Ohnehin wird am Firmensitz in Dresden weiterhin Forschung und Entwicklung stattfinden, zumal dort auch Batteriesysteme für den Heimbereich samt Steuerung gefertigt werden. Statt Geld zu verbrennen mit der Modulproduktion, die sich derzeit als „nicht akzeptabler Ballast“ erweise, will die Firma lieber in ihren anderen Sparten umso mehr investieren.

Das Unternehmen, das 1993 gegründet wurde und damit zu den Traditionsunternehmen der deutschen Solarwirtschaft gehört, begann noch mit der manuellen Fertigung von Solarmodulen. Im Jahr 2000 startete Solarwatt dann in Dresden mit der ersten Serienproduktion. Heute ist die Firma, die 2012 nach dem Zusammenbruch der deutschen Photovoltaik in die Insolvenz geriet und erfolgreich saniert wurde, zu einem großen Teil auch ein Installationsbetrieb.

Jede fünfte Solaranlage in Deutschland stamme im Segment der kleinen Dachanlagen (bis zehn Kilowatt) von Solarwatt, wirbt das Unternehmen. In den vergangenen Jahren haben die Dresdner mehrere Installationsunternehmen übernommen, erst im Februar erwarben sie die Mehrheit an einem großen Installationsbetrieb für Solar- und Dachtechnik in Bückeburg im Landkreis Schaumburg.

Mittlerweile verfügt Solarwatt über eigene Niederlassungen in Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden, Italien und Spanien; rund 40 Prozent des Gesamtumsatzes generiert die Firma bereits im europäischen Ausland. Dahinter stehe ein Netzwerk von 8.500 Handwerkern. Das Unternehmen nennt sich selbst „Vorreiter im Bereich solargetriebener Sektorenkopplung“.

Für 2025 peilt Solarwatt einen Umsatz von 1 Milliarde Euro an – europaweit entspricht das etwa 200.000 verkauften Photovoltaik-Anlagen. Aufgrund seines starken Standbeins im Installationsgewerbe hat das Unternehmen bereits mitgeteilt, es könne den bisherigen Mitarbeitern der ab Sommer ruhenden Modulproduktion in vielen Fällen ein Übernahmeangebot machen. Monteure, Servicemitarbeiter oder Planer werden schließlich weiterhin gebraucht – selbst wenn die Module dann alle aus Asien kommen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

30 Kommentare

 / 
    • @tomás zerolo:

      Sie können die gleichen Solarmodule von den gleichen Herstellern nun aus den USA beziehen. Dort werden diese massiv gefördert. Danke an die USA also.

      Warum wollen Sie, dass man international einen irrationalen internationalen Förderwettstreit vom Zaun bricht, statt das Geld an sinnvoller anderer Stelle gegen den Klimawandel zu investieren?

  • Schade das immer mehr Produkte aus Asien kommen weil Deutschland nicht mehr mithalten kann in jederlei Hinsicht. Diese Situation haben wir bereits seit Jahrzehnten und das wird auch noch die nächsten Jahre so weitergehen. Es ist nicht nur eine Katastrophe für die Unternehmen sondern vor allem für die Menschen die Ihren Job dadurch verlieren. Man sieht es ja das seit Jahren die Zahl der Bewerber steigt.

  • Warum soll der Arbeiter, der zur Miete wohnt dem Besserverdienenden der sich die PV Anlage auf sein Dach legen kann noch diese neben der EEG Umlage zusätzlich bezahlen?



    Kann der Bersserverdienende nicht etwas mehr ausgeben und deutsche Module kaufen?



    Zudem sind ja auch die Profite aus der Solaranlage noch nicht mal Sozialabgabenpflichtig - die Überstunde des Arbeiters schon!

    • @Bernd Simon:

      Wie soll so etwas in der Praxis funktionieren?



      Gibt es zukünftig Vorgaben, dass man ab einem gewissen Einkommen nur noch deutsche Produkte kaufen darf? Also auch Autos?

  • Es gab einmal eine Partei, die hat ein Industrieunternehmen mit Milliarden Steuermitteln gefördert, weil sich Europa nicht von einem US Monopolisten abhängig machen sollte.



    Sie hieß CSU. Kann man sich heute kaum noch vorstellen. Dabei sitzt Airbus heute nicht einmal in Bayern, sondern in Hamburg.



    Lindner braucht einen Job, den er kann. Finanzminister gehört nicht dazu. Vielleicht irgendwas mit Laub blasen. Macht viel Lärm und bewegt viel....Luft.

  • Nachdem Gabriel die erste Pleitewelle in der Solarindustrie produziert hat, kommt jetzt die Zweite. Wir spielen weiterhin mit den chinesischen Merkantilisten Freihandel.

  • DE bekommt es einfach nicht hin Solarpanel günstig herzustellen.

    • @Rudolf Fissner:

      Günstiger als mit chinesischer Zwangsarbeit und chinesischen staatlichen Subventionen auf keinen Fall.

  • An sich hat die Firma recht. Mit der Produtkion von Solarodulen kann man in Deutschland kein Geld verdienen. China ist wegen der niedrigeren Energiepreise, niedrigeren Löhne und Umweltauflagen da konkurrentlos. Es ist wichtiger sich auf andere Bereiche wie Energiespeicherung zu fokussieren. Ob



    Batteiesysteme da sinnvoll sind, bezweifle ich aber das ist deren Entscheidung. Im Übrigen habe ich gerade von Bekannten aus Kalifornien gehört dass auch dort Firmen die sich auf große Solaranlage spezialisiert hatten bankrott gehen. Liegt wohl an den niedrigen Energiepreisen und dem Überangebot an Solarstrom der das Netz destabilisiert. Auch da wären andere Systemkomponenten wichtiger.

    • @Gerald Müller:

      In Kalifornien haben sich die Einspeisevergütungen so geändert, daß sich PV-Anlagen erst nach viel längerer Zeit lohnen. Das geschieht auf Veranlassung der Elektrizitätsversorger, denen die Profite davonschwimmen. Hat sonst mit wenig zu tun.

  • Wirtschaftsliberal sollte mensch dort produzieren lassen, wo es am günstigsten ist. Und wenn China uns indirekt subventioniert, dann nehmen wir das dankend mit.



    Nebenbei: die BRD mit ihrer Steuerstruktur und einigem anderen auch bezuschusst auch noch die Exportunternehmen indirekt - der ungesunde Dauer-Überschuss zeigt es auf. Bevor wir zu sehr mit dem Finger zeigen.

    Doch wie damals bei Boeing/Airbus (als Fliegen noch nicht so als Drcksschleuderei bekannt war) kann man gut und gerne ein Gegengewicht gegen strategische Abhängigkeiten wollen. Das ist dann sogar gezielte Wirtschaftspolitik.

  • Geiz ist geil sagt der Kunde und kauft in China!

  • Ja, so lieben wir die FDP - das tun, was man den Grünen vorwirft.

  • Lindner wird zufrieden sein und seine Wähler auch.

  • Wiedereinmal hat es die FDP geschafft auf innovativem Wege unserer Wirtschaft zu schaden. Zum Glück ist das Management von Solarwatt schlauer als unser Finanzminister und hat aus der ersten staatlich verursachten Pleite mit einem breiteren Geschäftskonzept nun eine tragfähige Basis den zweiten staatlich verordneten Showdown zu überstehen.



    Um den Wirtschaftsstandort Deutschland zu erhalten gibt es nur eins - FDP abwählen. Schluss mit Hamburg Mannheimer Know how.

    • @Sonnenhaus:

      Für Wirtschaftsförderung ist Habeck zuständig.

  • Bravo, Lindner!

    Nachdem Sie schon mal ein Startup unter Verheizen von KfW-Ressourcen in die Fritten gefahren haben versenken Sie -- eins nach dem anderen -- die wenigen der Solarbranche, die Ihnen einer Ihrer Vorgänger noch überlassen hat.

    Von Altmaier lernen heisst siegen lernen!1!!

    • @tomás zerolo:

      Die FDP kann ohne Zustimmung der SPD und Grüne rein gar nichts beschließen.



      Wenn also irgend ein Beschluss erfolgt, dann haben die anderen Ampelpartner auch zugestimmt.



      Insofern sind alle drei schuldig.



      Aber es ist halt schön, wenn man einem den schwarzen Peter zuschieben kann um von den eigenen Fehlern abzulenken.

    • @tomás zerolo:

      Wo habe ich den absatz ueberlesen, dass lindner was damit zu tun hat?



      Und wissen sie weshalb die produktion eingestellt wird?

  • Und das beim grünen Wirtschaftsministerium und grünen Umweltministerium, wie das wohl kommt?

    • @Arno Dittmer:

      Und das in weniger als zwei Jahren nach 16 Jahren Spitzenpolitik in allen Bereichen.

    • @Arno Dittmer:

      Was nützt der beste, ideenreiche Kopf, wenn der Hals (hier der Finanzminister) bestimmt, wohin sich der Kopf zu drehen hat.



      (Konstruktionsfehler der Koalition: FDP in der Schlüsselposition des Finanzministeriums)

      • @Thüringer:

        Wie kriegen wir Herrn S. aus HH in dieses Bild?

  • Das ist in Zeiten der forcierten Energiewende durch einen grünen Wirtschaftsminister der nächste Nachweis seiner Inkompetenz.



    Ich erinnere hier gerne an die Coronahilfen für Porsche und die Lufthansa in Milliardenhöhe.



    Wie wäre es jetzt mal mit Hilfen für deutsche Solarfirmen in gleicher Höhe?



    Traurig.

  • natürlich schrumpft die deutsche Solarindustrie, in den USA und China werden nicht Milliarden sondern in Billionen gerechnet bei EE, Speichern + Subventionen, etz

  • Habeck 2024: In fünf Jahren wird es noch eine Solarindustrie in Deutschland geben



    So viel Zweckoptimismus tut schon weh. Da ist nicht mehr viel übrig, Herr Habeck, zünden sie mal den Turbo.

    Quelle der Aussage: www.pv-magazine.de...deutschland-geben/

  • Und in 5 Jahren, wenn China Taiwan überfällt und der Westen in den nächsten Krieg involviert wird, sind wieder alle vollkommen überrascht - und geschockt, weil Lieferketten zusammenbrechen und u.a. die Solarmodule aus China nicht mehr geliefert werden.

    • @gyakusou:

      Wohl eher nicht, weil auf der langen Liste der Produkte, die Mensch, Gesellschaft und Wirtschaft dringend brauchen, stehen fertige Solarmodule ziemlich weit hinten.

      • @Mai Wetter:

        Strom aber nicht...