Krimiserie „Killing Mike“ bei ZDFneo: Rohe Gewalt in der Provinz

Ein Mann terrorisiert seine Nachbarn. Die dänisch Serie „Killing Mike“ erzählt ungewohnt unvorhersehbar von deren Mordgelüsten.

Ein Mann guckt hinter einer Wand hervor

Mike ist der Dorftyrann Foto: Andreas Houmann

Ein ausgelassenes Gartenfest, Sekt, Knutschen mit der Freundin. Sieht so aus wie das Ende der Schulzeit, das hier gefeiert wird. Auf dem Heimweg, im milden Licht der Abendsonne, sich noch einmal rücklings in das goldgelbe Weizenfeld fallen lassen und laut schreien. Das ganze Leben mit all seinen Möglichkeiten, es liegt noch vor Aksel. In dem Moment, in dem er sein Fahrrad auf die Straße schiebt, ziehen die entfernten Scheinwerfer eines Autos am linken Bildrand auf.

Der Fahrer gibt ordentlich Gas. Ein roter Pick-up rast durchs Bild. Die Kamera folgt ihm nicht, sie zeigt das Weizenfeld in der Totalen. Aus dem Off das Geräusch eines Unfalls. Großaufnahme von kaputten Fahrradspeichen, sie schwingen noch. Großaufnahme von Aksels Ohr, Blut läuft heraus. Schnitt. Ein Wolf trottet über die Straße, die mitten durch die dänische Kleinstadt führt. Der Serientitel wird eingeblendet: „Killing Mike“.

Ein Wildtier im Vorspann einer Serie gab es schon einmal, damals war es ein Elch – aber mit „Ausgerechnet Alaska“ hat das, was nun folgt, wohl nicht mehr gemeinsam als das Kleinstadt-Setting irgendwo in der Provinz. Das Thriller-Genre könnte schon eher hinkommen. Der Coming-of-Age-Film am Anfang hat jedenfalls keine drei Minuten gedauert.

Anderthalb Jahre sind vergangen. Peter, der Arzt in der Kleinstadt, hat den Tod seines Sohnes nicht im Geringsten verarbeitet. Er ist davon überzeugt, besessen geradezu, dass es kein Unfall war. Dass Mike Aksel mit Absicht überfahren, ihn ermordet hat. So ein maximal möglicher Verlust kann schon mal in eine ausgewachsene Paranoia münden. Da kann man nicht einfach „nach vorne schauen“, auch wenn es einem ständig gesagt wird, sogar vom eigenen Bruder.

Niemand glaubt ihm

Martin hatte es einst von hier fortgeschafft. Peters Mordtheorie hält er für Hirngespinste. Das sagt er auch Kasper, dem Jungen, der damals mit Mike im Pick-up gesessen hat. Kasper erzählt Martin von einem Spiel, das Mike und er immer gespielt haben. Sie haben frisch geschlüpfte Küken eingegraben, so dass nur noch der Kopf herausguckte. Dann sind sie mit dem Rasenmäher darübergefahren. Das Spiel haben sie „Klukluk“ genannt. Martin trifft Kaspers Mutter wieder, seine Jugendliebe. Kasper habe der Unfall damals völlig verstört, er habe danach nur wirres Zeug von sich gegeben: „Klukluk“.

Und Mike ist wirklich ein veritabler Kotzbrocken, der mit einer Mischung aus psychologischer Manipulation und roher Gewalt eine ganze Handvoll der Kleinstädter quält, tyrannisiert, terrorisiert. Schon nach der ersten von acht Folgen der Serie sitzen sie zusammen und überlegen: „Wenn man das so einrichtet, dass man nicht ins Gefängnis kommt, dann …“ „Man muss es entsprechend planen. Und sauber ausführen. So dass jeder ein Alibi hat.“

Das wäre dann die Variante „Mord im Orient Express“. Aber ein gemütlicher Häkelkrimi à la Agatha Christie wird diese Serie gewiss nicht mehr werden. Die weitere Planung scheitert zunächst am Widerspruch Milads. Der weiß da noch nicht, dass sich Mike ausgerechnet seinen Sohn als sein nächstes Opfer auserkoren hat. Milad wird gespielt von dem im Irak geborenen Dar Salim, ohne den seit „Borgen“ keine dieser – aus deutscher Sicht: beneidenswert – vielen dänischen Qualitätsserien auszukommen scheint. Ob „Die Brücke“, „Dicte“, „Springflut“, „Countdown Copenhagen“, „Krieger“. Da war es nur konsequent, ihn als Kommissar für den neuen Bremer „Tatort“ zu engagieren. Wir sind gespannt.

Auch darauf, in welche Richtung sich „Killing Mike“ (Buch: Christian Torpe, Regie: Louise N. D. Friedberg) nach den ersten beiden vom ZDF vorab gezeigten Folgen entwickeln wird. Oft langweilen Filme und Serien ja deshalb, weil man viel zu früh durchschaut, wohin die Reise geht. Davon kann bei „Killing Mike“ nicht die Rede sein. Brauchen die dänischen Kleinstädter nun tatsächlich sechs weitere – knapp einstündige – Episoden, um sich endlich von Problemwolf Mike zu befreien? Und ist Mike am Ende vielleicht ein veritabler Kotzbrocken (gewesen), aber doch kein Mörder?

Man muss sich das unbedingt weiter angucken.

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