Kriegsverbrechen und Armenien: Putins Angst vor Den Haag

Armenien debattiert erneut darüber, das Rom-Statut des Internationalen Strafgerichtshofs zu ratifizieren. Russland reagiert mit Drohgebärden.

Russische Militärkolonne auf dem Weg nach Bergkarabach Foto: Sergei Grit/AP

BERLIN taz | Die Warnung Russlands an Armenien war eindeutig: Vor dem Hintergrund der „rechtswidrigen und rechtsunwirksamen Haftbefehle“ des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGh) gegen die russische Führung halte Moskau die Pläne Jerewans für absolut inakzeptabel, dem Römischen Statut des IStGh offiziell beizutreten. Sollte es dazu kommen, könne das extrem negative Konsequenzen haben, zitiert die staatliche Nachrichtenagentur RIA eine Quelle im russischen Außenministerium.

Hintergrund der Drohgebärden ist neben dem Haftbefehl gegen Russlands Präsidenten Wladimir Putin wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in der Ukraine eine Entscheidung des armenischen Verfassungsgerichts. Das hatte vergangene Woche das Römische Statut mit dem armenischen Grundgesetz für vereinbar erklärt.

Jerewan hatte das Statut 1998 als einer von 120 Staaten unterschrieben, jedoch nicht ratifiziert. 2004 urteilte das Verfassungsgericht in dieser Angelegenheit zum ersten Mal. Der Vertrag verstoße gegen Vorschriften der Verfassung, die die nationale Souveränität über juristische Angelegenheiten stellten, hatte es dort geheißen.

Seitdem passierte nichts mehr. Im vergangenen Dezember nahmen die Diskussionen über den IStGh jedoch wieder an Fahrt auf. Auslöser dafür war der Dauerkonflikt zwischen Armenien und seinem Nachbarn Aserbaidschan um die von Ar­me­nie­r*in­nen bewohnte Region Bergkarabach. Dort war 2020 nach einem 40-tägigen Krieg unter Vermittlung von Moskau ein Waffenstillstand ausgehandelt worden, den sogenannte russische Friedenstruppen sichern sollen.

Im Stich gelassen

Doch die Feindseligkeiten halten an, immer wieder kommt es zu Eskalationen. Mittlerweile waren auch Gebiete im Süden Armeniens mehrmals von aserbaidschanischen Angriffen betroffen. Die armenische Regierung von Ministerpräsident Nikol Paschinjan fühlt sich im Stich gelassen und wirft Russland, das dort seine einzige Militärbasis im Südkaukasus unterhält, Untätigkeit vor.

Die Ratifizierung des Römischen Status böte Jerewan die Möglichkeit, gegen Aserbaidschan vor den IStGh zu ziehen. Jedoch müssten armenische Behörden Wladimir Putin, sollte er nach Armenien reisen, festsetzen. Aus diesem Grund glaubt Ara Zakarian, armenischer Experte für Internationales Recht, dass der Ratifizierungsprozess erst einmal gestoppt werde. Laut armenischer Gesetzeslage muss die Regierung innerhalb von drei Monaten das Parlament mit dieser Frage befassen.

Demgegenüber hält der armenische Menschenrechtler Artur Sakunts die Ratifizierung des Römischen Statuts für ex­trem wichtig. Nur so könne sich Armenien in internationale rechtliche und institutionelle Strukturen integrieren. Das erlaube der Führung, auch dem kolossalen Druck Russlands zu widerstehen.

Von den Staaten der ehemaligen Sowjetunion haben außer den EU-Mitliedern Estland, Lettland und Litauen auch noch Georgien, Moldau und Tadschikistan das Statut ratifiziert.

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