Krieg in der Ukraine: Düstere Stimmung im Osten Europas
Die Abwehr des iranischen Luftangriffs auf Israel weckt Fragen in Osteuropa. Warum ist eine solche Intervention nicht auch in der Ukraine möglich?

V or ein paar Tagen haben wir in einer Gruppe von Freunden in Warschau diskutiert. Die Gesellschaft war bunt gemischt: mehrere Intellektuelle und Aktivisten, nicht nur Polen, sondern auch andere Europäer von der östlichen Seite der Elbe. Das Gespräch drehte sich um die Frage, ob die Ukraine noch gerettet werden kann. Die Stimmung war düster.
Die Sorge unter den Europäern von der östlichen Seite Europas ist, dass Berlin auf Abstand zu der von Bundeskanzler Olaf Scholz ausgerufenen Zeitenwende gehen könnte. Einerseits steht Deutschland zwar an vorderster Front, wenn es um Hilfe für die Ukraine geht. Andererseits herrscht der Eindruck vor, dass die deutsche Regierung die Entscheidungen lange hinauszögert und immer erst unter Druck gesetzt werden muss.
Mehr noch, man meint, dass die deutsche politische Elite immer weniger Mut hat, je näher die Wahlen rücken. Immerhin hat es in letzter Zeit Versuche gegeben, sogar von diesem bisher extrem vorsichtigen Kurs abzurücken. Die Frage der Lieferung deutscher Taurus-Raketen ist ein Beispiel dafür.
Obwohl Charkiw brennt, Kraftwerke in Kyjiw bombardiert werden und Warschau in Bezug auf das Weimarer Dreieck gibt, was es kann, scheint sich an der Zurückhaltung in der deutschen Ostpolitik nichts zu ändern. Als würde sich vor den Wahlen in der deutschen politischen Klasse zunehmend eine Angst breitmachen vor der Gesellschaft, die keinen Krieg will.
Dazu kommt, dass nach dem jüngsten iranischen Angriff auf Israel die Stimmung unter den osteuropäischen Verbündeten der Ukraine noch verbitterter ist. In jener dramatischen Nacht, als iranische Raketen gegen Israel flogen, haben britische, amerikanische, französische und sogar jordanische Streitkräfte geholfen, sie abzuschießen. Warum ist es möglich, im Falle Israels zu intervenieren, aber nicht im Falle der Ukraine?
Die Bedenken aus Mittel- und Osteuropa wurden zuerst vom ehemaligen britischen Premierminister David Cameron angesprochen. Als derzeitiger Chef des Außenministeriums erklärte er, dass ein Abschuss von Drohnen durch die Briten im ukrainischen Luftraum nicht infrage käme, da dies „das Risiko einer Eskalation und des Ausbruchs eines ausgewachsenen Kriegs mit sich bringen würde“. Es ist kaum zu glauben, dass das Argument der Eskalation immer noch im Umlauf ist.
Eine schmerzliche Schlussfolgerung
Will Cameron nach zwei Jahren Krieg wirklich noch jemanden davon überzeugen, dass die Form eines russischen Angriffs nicht von Moskau, sondern von Paris oder London entschieden wird? Die Angelegenheit wurde dann vom Sprecher des Sicherheitsrats des Weißen Hauses angesprochen, John Kirby. Er erklärte, dass Israel und die Ukraine die besten Freunde der USA seien. Beide Länder kämpften um ihre Souveränität.
Der Kontext ihrer militärischen Kämpfe sei jedoch ein anderer, und die USA hätten nicht die Absicht, sich direkt an dem Krieg zu beteiligen. Osteuropa hat heute das Gefühl, dass Tausende von toten Ukrainern immer noch nicht genug Eindruck auf die westlichen Verbündeten machen; auf dieselben Verbündeten, die in den 1990er Jahren die Unverletzlichkeit der ukrainischen Grenzen im Austausch für den Verzicht Kyjiws auf seine Atomsprengköpfe garantierten.
Eine schmerzliche Schlussfolgerung, aber eine, die auch von ukrainischen Freunden zu hören ist. Hätten sie damals ihre Atomwaffen nicht aufgegeben oder zumindest nicht alle, bräuchte es heute vielleicht keine Eisenkuppel wie in Israel. Vielleicht hätte es gar keine russische Aggression gegeben, und selbst wenn, hätte Kyjiw auch etwas zu einer möglichen Eskalation des Kriegs zu sagen gehabt.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Macrons Krisengipfel
Und Trump lacht sich eins
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
USA und Russland besetzen ihre Botschaften wieder regulär
Maßnahmenkatalog vor der Bundestagswahl
Grünen-Spitze will „Bildungswende“
Frieden in der Ukraine
Europa ist falsch aufgestellt
Die Neuen in der Linkspartei
Jung, links und entschlossen
Gentrifizierung in Großstädten
Meckern auf hohem Niveau