Krieg in Gaza: Die zähen letzten Meter vor der Waffenruhe
Eine Einigung zwischen der islamistischen Hamas im Gazastreifen und Israel scheint zum Greifen nahe. Die Rechte in Israel rebelliert.

Regierungschef Benjamin Netanjahu traf sich am Nachmittag mit dem rechtsextremen Finanzminister und erklärten Gegner des Abkommens, Bezalel Smotrich. Ein israelischer Vertreter sagte gegenüber CNN, Israel sei „bereit für einen Waffenstillstand“. Oppositionsführer Jair Lapid kündigte an, ein Abkommen auch gegen den Widerstand der rechtsextremen Koalitionspartner Netanjahus mitzutragen.
Der künftige US-Präsident Donald Trump hatte in den vergangenen Tagen massiv darauf gedrängt, vor seinem Amtsantritt in der kommenden Woche zu einer Einigung zu kommen. Dessen Drohungen scheinen auf Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu gewirkt zu haben. Nach allem, was über das Abkommen bekannt ist, sind die israelischen Verhandler von mehreren Punkten abgerückt, an denen vergangene Gespräche gescheitert waren.
Eines der Zugeständnisse: Die Armee soll im Rahmen einer Einigung den Netzarim- und den Philadelphi-Korridor im Zentrum des Küstenstreifens und an der Grenze zu Ägypten verlassen. Netanjahu hatte monatelang betont, die Kontrolle über den Philadelphi-Korridor sei unabdingbar für Israels Sicherheit. Nun aber sollen Hunderttausende aus dem Norden des Küstenstreifens vertriebene Palästinenser unter einer nicht näher definierten Aufsicht in den Norden zurückkehren können.
Auch Hamas rückt wohl von Kernforderung ab
Die erste von drei Phasen soll laut der Nachrichtenagentur Reuters 42 Tage dauern, während der sich die israelischen Truppen bis auf eine Pufferzone entlang der israelischen Grenze zurückziehen sollen.
Im Gegenzug zur Freilassung der Geiseln sollen in der ersten Phase auch Hunderte palästinensische Gefangene freikommen, auch solche, die für tödliche Angriffen auf Israelis verantwortlich sind.
Laut dem US-Nachrichtenportal Axios hat die Hamas, anders als von Israel gefordert, noch keine Liste präsentiert, welche der in einer ersten Phase des Waffenstillstands freizulassenden 33 Geiseln noch leben. Unter ihnen sollen Frauen, Kinder, Männer über 50 sowie Verwundete und Kranke sein. Israelische Vertreter gehen laut der New York Times davon aus, dass die meisten von ihnen am Leben sind. Insgesamt befinden sich noch knapp 100 israelische Geiseln im Gazastreifen.
Auch die Hamas scheint von einer ihrer Kernforderungen abzurücken, nämlich von der, nur einen Waffenstillstand zu akzeptieren, der zu einem Ende des Krieges führt. Zwar soll am Ende der zweiten Phase der vollständige Abzug Israels aus Gaza und ein dauerhafter Waffenstillstand folgen. Die Verhandlungen dafür beginnen jedoch erst 16 Tage nach dem Beginn der ersten Phase.
Ben-Gvir droht, die Koalition zu verlassen
Israels rechtsreligiöser Polizeiminister Itamar Ben-Gvir kündigte an, im Falle eines Waffenstillstands die Regierung zu verlassen. Auch der rechtsextreme Finanzminister Bezalel Smotrich nannte das Abkommen am Montag beim Onlinedienst X eine „Katastrophe für die nationale Sicherheit“.
Viele Kritiker der Regierung sehen darin einen Beweis, dass eine frühere Einigung bisher vor allem aus politischen Gründen abgelehnt worden sei. Ben-Gvir, Smotrich sowie Politiker aus Netanjahus eigener Partei fordern seit Monaten offen die Vertreibung der Palästinenser und die jüdische Besiedlung Gazas.
Seinen Kriegszielen ist Israel in den letzten Monaten kaum noch näher gekommen. Die Hamas ist massiv geschwächt, doch Mohammed Sinwar, der Bruder des getöteten Hamas-Anführers Jahia, arbeitet laut einem Bericht des Wall Street Journal am Aufbau einer neuen Generation von Kämpfern. Auch zur Befreiung der Geiseln hat der militärische Druck bisher nicht geführt.
Während der Gespräche in Doha gingen die Angriffe in Gaza weiter: In der Nacht auf Dienstag wurden bei israelischen Angriffen 31 Menschen getötet, darunter Frauen und Kinder.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?