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Krieg im Nahen OstenGefährliche Doppelmoral

Gastkommentar von Aiman A. Mazyek und Aiman Mazyek

Im Gazastreifen gilt das Völkerrecht ganz offensichtlich nicht mehr. Dort sind die Regeln einer werteorientierten Außenpolitik bedeutungslos geworden.

Ein Drohnenfoto zeigt Betende neben der Ruine der Al-Farouk-Moschee in Rafah Foto: Shadi Tabatibi/reuters

A ngesichts der Entwicklungen im Gaza-Krieg wird deutlich, dass alle Handlungen im Widerspruch zum Völkerrecht stehen: die Tötung von Zigtausenden Zivilisten, von Journalisten und humanitären Helfern, die weitreichende Zerstörung im Gazastreifen – darunter Krankenhäuser, Moscheen, Kirchen und Schulen – und das Aushungern der Bevölkerung. Nie zuvor wurde der massive Kontrast zwischen den Prinzipien des Völkerrechts und der aktuellen Kriegsführung täglich und über eine so lange Zeit vor Augen geführt.

Die Konsequenzen für die Integrität der internationalen Beziehungen und Ordnung sind bedeutend. Die Weltmächte haben die Weltordnung, die sie größtenteils nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffen haben, zerstört – nicht zuletzt aufgrund einer Doppelmoral, die einerseits die bedingungslose Einhaltung der Menschenrechte einfordert, sie aber in anderen Fällen bewusst ignoriert.

Die Botschaft, die vom Gaza-Krieg ausgeht, lautet: Institutionen, Regeln und Normen, auf denen eine wertebasierte Außenpolitik und eine globale Weltordnung beruhen, sind bedeutungslos geworden. Wir befinden uns nun praktisch im freien Fall in einem Weltsystem, in dem die Autorität von Regierungen und grundlegenden Überzeugungen infrage gestellt wird. Das verändert alles.

Gaza ist nicht nur ein Friedhof für mittlerweile 33.000 Menschen, sondern auch ein Friedhof der internationalen Ordnung geworden. Die größten Unsicherheiten bestehen nun darin, ob eine neue, für alle faire Weltordnung ohne einen großangelegten globalen Konflikt und Krieg entstehen kann, wer die Grundlagen dafür legen wird und wie sie gestaltet werden kann.

Aiman Mazyek

ist 55 Jahre alt und wird zum Juni nach 13 Jahren als Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland sein Amt abgeben. Der studierte Arabist und Politologe ist Mitglied der Christlich-­Islamischen Gesellschaft und der staatlichen Deutschen Islamkonferenz.

Und in Deutschland? „Nie wieder“ bedeutet, dass die Lehren des Holocaust universell gültig sind, und zwar für alle Menschen weltweit. Bedauerlicherweise haben wir uns im deutschen Diskurs davon entfremdet und erreichen sogar einen Punkt, an dem der Holocaust in Teilen instrumentalisiert und als Rechtfertigung für den Verzicht auf moralische Klarheit herangezogen wird.

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16 Kommentare

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  • Ja, ein Krieg setzt die Regelbasierte Ordnung aus.



    Das ist wohl in jedem Fall so.



    Daraus einen Abgesang auf sämtliche Werte abzuleiten, halte ich jedoch für falsch.



    Die Zivilisten waren, von Beginn an , ein Thema.



    Sowohl in der westlichen und Arabischen Diplomatie, als auch für Israel und seine Armee.



    Die Korridore nach Süden waren ein deutlicher Hinweis, dass es sich eben nicht um einen Genozid handelt.



    Die internationale Krisendiplomatie hat nicht nur den Geisel/ Gefangenen Austausch bewirkt, sondern auch Wege für mehr Versorgung der Zivilbevölkerung gefunden, insbesondere in den letzten Tagen.



    Der Artikel ignoriert diese Entwicklung.



    Die Opferzahlen sind natürlich erschreckend.



    Allerdings bleiben sie nur die halbe Wahrheit, solange nicht klargestellt wird, wer Kämpfer und wer Zivilist war.



    Ein Krieg auf der Größe eines Stadtgebiets ist schwierig und wenn sich der Gegner in und unter Krankenhäusern versteckt und zivile Einrichtungen militärisch nutzt, so ist das bereits Völkerrechtswidrig, ebenso, wie sich grundsätzlich hinter ZivilistInnen zu verschanzen.



    Es bleibt die Hoffnung, dass das Grauen des Krieges endet.

  • Menschenrechte und Völkerrecht gelten allgemein, das können wir u.a. von der kantianischen Tradition lernen.



    Baerbock sollte an der LSE auch die 'British School' kennengelernt haben, mit ähnlichen Ansätzen.



    Hier könnte sie es anwenden: weder Hamas noch Netanyahu fördern, sondern die Menschen und das Recht!

  • Natürlich gilt sollte „Nie Wieder“ gelten und zwar für alle. Aber was will uns der Autor damit sagen? Ich habe das sehr, sehr unangenehme Gefühl, dass er mit seinem Pamphlet Israel in die Nähe des Holocaust rücken will.

    Klipp und klar und für alle: Was grade im Gatastreifen passiert ist schwer auszuhalten aber definitiv kein Holocaust und auch kein sonstiger Völkermord. Diejenigen welche ohne Zögern einen Völkermord begehen würden wenn sie es denn könnten sind die Hamas und ihre Unterstützer, von denen es leider auch bei uns im Land zu viele gibt.

  • Nun das mit der Doppelmoral des Westens ist bekannt und eine wertebasierte Aussenpolitik, eher Marketing als Überzeugung, wie so vieles in der Politik. Eigeninteressen halt oder im Falle Israels Staatsräson. Soweit gehe ich mit dem Autor konform.

    Aber den "Niedergang" bzw die Missachtung des Völkerrechts rein auf die Vorgänge in Gaza zu reduzieren ist schon sehr gewagt. Da fallen mir noch ganz andere Konflikte ein, in denen das Völkerrecht mit Füßen getreten wurde. Und vom Vorsitzenden des Zentrarates der Muslime in Deutschland, hätte ich mir auch einige Zeilen über die Rolle der Anrainerstaaten in diesem Konflikt gewünscht. Sind nicht etwa Katar und Saudi-Arabien neben dem Iran die Hauptfinanziers der Hamas? Hält Ägypten nicht hartnäckig seine Grenzen geschlossenen? Ist Israel nicht immer noch ständigen Raketenbeschüssen aus dem Libanon ausgesetzt?

    Auf diese Fragen mit einzugehen, hätte sich auch auf den Kontext des Artikels ausgewirkt. So aber bleibt es bei einer, indirekten und sehr einseitigen Anklage Israels.

    Und wer wollte angesichts des Leids in Gaza da schon widersprechen, dass Israel die Verhältnismäßigkeit ausser Kraft gesetzt hat und sich für so manches Vergehen wohl vor dem IGH wird verantworten müssen.

    Nur bitte Ursache und Wirkung nicht verwechseln. Der Aggressor war die Hamas, nicht Israel. Zu Leiden darunter haben die palästinensische aber auch die israelische Zivilbevölkerung.

    • @Sam Spade:

      Die von Ihnen zutreffend genannten Punkte will man sicher nicht gerne sehen. Das meinte ich übrigens auch in meinen Kommentaren zum Berliner Frühling. Leider konnte ich das wohl nicht gut genug formulieren.

  • Dass mit zweierlei Maß gemessen wird, würde ich nicht abstreiten. Allerdings nicht nur vom "Westen, Deutschland und Israel!



    So wie ich dass sehe hat sich die Situation in Nahost, welche schon lange als Clusterfuck bezeichnet werden kann, zu einer Sackgasse entwickelt, aus der Israel und die Palästinenser nicht so einfach herauskommen.



    Israel wurde von der Hamas angegriffen, was einer Kriegserklärung gleichkommt, gleichzeitig verstecken sie sich hinter der Zivilbevölkerung, während Israel dies wiederum weiss und in Kauf nimmt.



    Beide Seiten werden ohne Garantien aber nicht auf ihre Strategie verzichten. Enttäuschend ist doch auch, das die arabische Liga sich bemerkenswert wenig um das Schicksals der Paklästinenser kümmert, ausser diese für ihrer eigenen Machtspiele zu benutzen.



    Sir nutzen weder ihren Einfluss in der Region um Israel etwas anzubieten (z.B. für ein Cease Fire), noch helfen Sie direkt den Palästinensern (geschlossene Grenze zu Ägypthen, Weigerung palästinensische Flüchlinge in 3.-4. genaration einzubürgen in den Nachbarländern usw.).



    Ich würde mir bei der Sache mehr Realpolitik und weniger moralische Positionierung wünschen. Schluss mit dieser übesimplifizierten Schwarz-Weiss-Denke. Eine weiße Weste gibt es hier bei keiner Seite, auch wenn sich das einige hier sehnlichst zu wünschen scheinen..

  • Womöglich erwartet man von Israel wie von der Ukraine, den Überlebenskampf ausschließlich auf eigenem Territorium und nur halbherzig, jedoch nie wirksam auf dem Territorium des Angreifers der es vernichten möchte, auszutragen. Das Leiden der Bevölkerung in Gaza bricht einem das Herz, keine Frage. Aber kann man Israel im Existenzkampf wirklich dafür verantwortlich machen? Der 7. Oktober lässt erahnen, was passieren würde, wenn Israel einmal einen großen Krieg verlöre.

  • Ich stimme ihnen vollkommen zu Herr Mazyek auch wenn mir bewusst ist, das vermutlich eine Menge Negativkommentare kommen werden. Sehr schön deutlich gemacht hat diese Doppelmoral auf amerikanischer Seite auch Jon Stewart in der Daily Show.



    Ich persönlich sehe auch ein Problem darin, das immer mehr von regelbasierter Weltordnung und weniger von internationalen Gesetzen geredet wird. Regeln die sich scheinbar jeder so zu recht legt wie es ihm gerade passt, wohingegen internationale Gesetze universell sind.



    Die zunehmende Untergrabung von internationalen Gremien/ Organisationen/ Gerichten und humanitären Organisationen nehme ich mit Sorge seit Jahren wahr. Je lauter und größer sie sind, je mehr sie auf Verfehlungen auch der Demokratien aufmerksam machen, desto stärker die Untergrabung. Es ist besonders gefährlich, das die demokratischen Staaten seit etlichen Jahren Verstöße des Völkerrechts, Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen in den eigenen Reihen ignorieren, nicht zur Anzeige bringen und diejenigen die sie aufdecken sogar veruteilen. Aber dann die Moralapostel gegenüber anderen spielen wollen? Für mich hatte bereits der völkerrechtswidrige Einmarsch in den Irak diese Doppelmoral offen gelegt, für den globalen Süden ist es schon länger deutlich. Entlarvt haben sich im Gaza- Krieg viele westliche Medien und Politiker- es brauchte erst den Angriff auf eine humanitäre Organisation bei der westliche Helfer gestorben sind, damit etwas getan wird. Plötzlich konnten die Amerikaner Druck ausüben, damit mehr Hilfe über Land kommt? Plötzlich regen sich alle auf? Umfragewerte, ständige Demonstrationen haben das nicht bewirkt.



    "Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt"(Art1 (2) GG). -dem werden wir nicht mal gerecht wenn es um Autokraten geht, aber wenn es um unsere Freunde/ Demokraten geht noch weniger!

  • Bizarr, dass gerade in diesem Krieg das Völkerrecht angeblich so verletzt wird. Ich frage mich, ob die russische Armee die ukrainische Zivilbevölkerung vor einem Angriff in Muttersprache warnt und auch noch sichere Fluchtkorridore erstellt. Aber Palästinenser*innen und das Nahost-Problem waren ja immer schon vorzüglich dazu geeignet, Behauptungen in den Raum zu stellen, Massen zu agitieren und von anderen Problemen (z.B. wie die eigenen Eliten und die umliegenden arabischen Staaten die Palästinenser*innen auch immer gerne im Regen stehen lassen) abzulenken. Schön, dass Herr Mazyek das jetzt auch mitmacht. Es wäre sinnvoller zu fragen, ob und wenn ja wie sich die Misere dort lösen lässt und ggf. dabei auch die Verantwortung der Palästinenser*innen selbst, ihrer Organisationen und der umliegenden arabischen Staaten mit einzubeziehen, als nur den Israelis alles in die Schuhe zu schieben.

    • @Patricia Jessen :

      Ich denke, dass das palästinensische Volk jetzt andere Probleme hat, als Verantwortung zu übernehmen. Da geht´s einzig und allein ums Überleben. Und der Unterschied, was die Einhaltung des Menschen- und Völkerrechts angeht, besteht doch darin, dass man bei Putin dieses gar nicht erst vermutet. Und noch ein weiterer Unterschied zwischen den beiden Konflikten, Dank der internationalen Unterstützung der Ukraine ist dieser Krieg einer auf fast Augenhöhe, für die Palästinenser hingegen sieht´s da eher schlecht aus. Wirklich "bizarr" das alles...

    • @Patricia Jessen :

      Danke für den Beitrag, ich schließe mich an.

      Israel ist "der Jude unter den Staaten" (Poliakov).



      Jeder gegen ihn erhobene Vorwurf, mag er noch so falsch oder maßlos sein, beweist sich schon durch die Erhebung.

    • @Patricia Jessen :

      Die "sicheren Fluchtkorridore" sind -erstens- nicht sicher. Und -zweitens- ebenfalls Teil einer Waffe: Wenn man 2, 3, 4 mal hintereinander auffordert woanders hin zu gehen, weil man wird und GLEICHZEITIG über Wochen und Monate weder Nahrung, noch Wasser, noch Energie oder Medikamente in den Gaza lässt, dann werden diese Zwangsbewegungen der Menschen Todesmärsche - zumal GLEICHZEITIG ja jede Infrastruktur zerstört. Es ist nur nicht ganz so offensichtlich wie die Menschen direkt zu bombardieren. Im Ergebnis aber das gleiche - es dauert nur etwas länger.

    • @Patricia Jessen :

      Danke, besser kann die Situation nicht beschrieben werden!

  • Ein guter Anteil der Katastrophe besteht darin, dass die Zivilbevölkerung von Gaza nicht fliehen kann, um ihrer Rolle als menschliche Schutzschilde für die Hamas zu entkommen.

    Gefährliche Doppelmoral: Fast die gesamte Weltgemeinschaft drischt verbal auf Israel ein. Über das Verhalten des Nachbarn Ägypten verliert fast niemand ein Wort. Ägypten hält eisern seine Grenze zum Gazastreifen hermetisch geschlossen bzw. lässt nur einzelne Wohlhabende durch, die ein Tausende Dollar Bestechungsgeld auf den Tisch legen können ... Angeklagt wegen angeblicher "Beihilfe zum Genozid" wird aber Deutschland, nicht etwa Ägypten, welches hier so eklatant gegen die Flüchtlingskonvention verstösst.

    • @Winnetaz:

      Wir lassen tausende Menschen im Mittelmeer ertrinken und liefern Waffen, aber Ägypten ist der große Buhmann. Soviel zur westlichen Doppelmoral.