+++ Nachrichten im Nahostkrieg +++: Einsatz im Schifa-Krankenhaus
Laut WHO ist der Kontakt mit dem Gesundheitspersonal abgebrochen. In Israel demonstrieren Tausende. Deutschland will 147 Menschen aus Gaza aufnehmen.
Israelisches Militär: 480 Terroristen im Schifa-Krankenhaus festgenommen
Die israelische Armee hat am Wochenende ihren Einsatz im Schifa-Krankenhaus im Gazastreifen fortgesetzt. Das Militär teilte am Sonntag mit, es seien dort „rund 480 Terroristen mit Verbindungen zu den Terrororganisationen Hamas und Islamischer Dschihad festgenommen worden“. Außerdem seien in der größten Klinik in dem Palästinensergebiet „Waffen und Terror-Infrastruktur“ gefunden worden. Seit Beginn des Einsatzes vor einer Woche hat das Militär nach eigenen Angaben in dem Bereich des Krankenhauses Dutzende Terroristen getötet. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.
Nach Angaben des Generaldirektors der Weltgesundheitsorganisation, Tedros Adhanom Ghebreyesus, ist der Kontakt mit dem Gesundheitspersonal im Schifa-Krankenhaus abgebrochen. „Die fortwährende Lage könnte die Fähigkeit des Krankenhauses beeinträchtigen, zumindest auf einem minimalen Level zu funktionieren, und Menschen kritischer, lebensrettender Behandlung berauben“, warnte er am Freitag bei X, vormals Twitter. „Wir wiederholen: Krankenhäuser sind keine Kampfgebiete. Sie müssen in Einklang mit internationalem humanitärem Gesetz geschützt werden.“
Israels Armee war bereits Mitte November in das Schifa-Krankenhaus eingedrungen. Sie fand dort eigenen Angaben zufolge auch einen Tunnelkomplex der Hamas. Nach Darstellung der Armee waren später zahlreiche Terroristen in die Klinik zurückgekehrt. Israel wirft der Hamas vor, medizinische Einrichtungen systematisch für militärische Zwecke zu missbrauchen. Die islamistische Organisation hat dies dementiert.
Nach Darstellung des Militärs wird bei dem Einsatz Schaden von Zivilisten, Patienten, Medizinern und medizinischer Ausrüstung ferngehalten. Als Teil des Einsatzes seien Patienten in einen designierten Komplex der Klinik verlegt worden, um sie zu schützen. Auch dies ließ sich nicht unabhängig überprüfen.
Die Armee teilte mit, binnen eines Tages habe die Luftwaffe 65 Ziele im nördlichen und zentralen Gazastreifen angegriffen. Darunter seien Tunnel, die zu Angriffen dienten, sowie militärische Einrichtungen. Im zentralen Abschnitt des Küstenstreifens sei eine Werkstatt zur Herstellung von Drohnen gefunden worden. Außerhalb des Gebäudes sei es zu Kämpfen mit Terroristen gekommen, dabei seien mehrere von ihnen getötet worden. (dpa)
Tausende demonstrieren in Israel für Freilassung der Geiseln
Tausende Menschen haben am Samstagabend in Israel für die Freilassung von Geiseln aus der Gewalt der islamistischen Hamas und gegen die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu demonstriert. In Tel Aviv riefen sie „Die Zeit läuft ab, bringt sie nach Hause!“, wie israelische Medien berichteten. Die Demonstranten legten auf den Straßen im Zentrum der Küstenmetropole mehrere kleine Feuer und blockierten eine Hauptverkehrsader.
Die Parolen richteten sich auch gegen Netanjahu, dem Kritiker vorwerfen, beim Krisenmanagement nach dem Überfall der Hamas am 7. Oktober auf den Süden Israels versagt zu haben. Zudem würde der Regierungschef das Schicksal der Geiseln den Notwendigkeiten seines politischen Überlebens unterordnen, ist eine von Demonstranten geteilte Ansicht. „Wer sie (die Geiseln) im Stich gelassen hat, muss sie zurückbringen!“, riefen sie. Wie schon an den vorangegangenen Samstage forderten sie den Rücktritt der Netanjahu-Regierung und Neuwahlen. Eine der Rednerinnen sagte: „Mein Cousin Ofer ist seit 169 Tagen ein Gefangener der Hamas. Und wir sind seit 169 Tagen Gefangene unserer Regierung.“
Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen aus dem Gazastreifen hatten bei ihrem Massaker im vergangenen Oktober 1200 Menschen getötet und weitere 250 als Geiseln verschleppt. Israel griff daraufhin den palästinensischen Küstenstreifen mit massiver militärischer Macht an, um die Hamas ein für alle Mal zu zerschlagen. Etwas mehr als 100 Geiseln waren während einer Feuerpause im November freigekommen. Knapp 100 Verschleppte in der Gewalt der Hamas dürften nach israelischen Schätzungen noch am Leben sein. Über ihren Austausch gegen palästinensische Häftlinge in israelischen Gefängnissen verhandelt Israel derzeit unter Vermittlung der USA, Ägyptens und Katars in der katarischen Hauptstadt Doha.
Mehrere Hundert Menschen demonstrierten am Samstagabend vor dem Amtssitz Netanjahus in Jerusalem. „Entscheidende Verhandlungen finden in diesen Tagen in Katar statt“, sagte ein Redner, dessen Bruder unter den Geiseln ist. „Israels Regierung darf diese Gelegenheit nicht verstreichen lassen.“ (dpa)
Innenministerium hat Aufnahme von 147 Menschen aus Gaza zugesagt
Seit Beginn der jüngsten Eskalation in Nahost hat das Bundesinnenministerium zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik für 147 Menschen aus dem Gazastreifen eine Aufnahme in Deutschland zugesagt. Die Zusage für diese vom Auswärtigen Amt vorgeschlagenen Menschen stehe allerdings unter dem Vorbehalt, dass im Einzelfall keine Erkenntnisse aufträten, die dem entgegenstünden, teilte das Ministerium in einer Antwort auf eine schriftliche Frage der Bundestagsabgeordneten Andrea Lindholz (CSU) mit. Die Antwort, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, bezog sich auf den Zeitraum zwischen dem 7. Oktober – dem Tag des Hamas-Überfalls auf Israel – und dem 14. März.
Die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion hatte auch wissen wollen, wie sichergestellt werde, dass diese Menschen keine antisemitischen Einstellungen hätten. Das Ministerium teilte mit, die Aufnahme aus Gaza finde grundsätzlich über Ägypten statt. Dort würden Gespräche geführt, um zu klären, ob Ausschlusstatbestände vorliegen. „Die Sicherheitsbehörden prüfen vor der endgültigen Aufnahmeentscheidung, ob im Einzelfall Sicherheitsbedenken bestehen“, hieß es in der Antwort des Ministeriums.
Einem Ausländer kann für die Aufnahme in Deutschland aus dem Ausland aus völkerrechtlichen oder dringenden humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Dies setzt voraus, dass das Bundesinnenministerium oder eine von ihm bestimmte Stelle zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland die Aufnahme erklärt hat. Wie viele der Menschen, für die die Aufnahme erklärt worden sei, bereits eingereist seien, werde statistisch nicht erfasst, teilte das Ministerium der Abgeordneten mit.
Angesichts des Risikos für Zivilisten im Gazastreifen, bei israelischen Luftangriffen oder Kampfhandlungen getötet zu werden, bemühen sich mehrere deutsche Institutionen um die Ausreise lokaler Mitarbeiter. Ein weiterer Grund ist die inzwischen katastrophale humanitäre Lage in dem palästinensischen Gebiet. (dpa)
Israelischer Angriff auf Hisbollah-Hochburg
Bei einem israelischen Luftangriff auf die Umgebung der libanesischen Großstadt Baalbek sind in der Nacht auf Sonntag drei Menschen verletzt worden. Kampfjets hätten eine Fertigungsstätte nahe der Stadt im Osten des Libanon getroffen, erklärte die israelische Armee. Darin hätten sich Waffen befunden, hieß es weiter. Bei den drei Verletzten handelt es sich nach Informationen eines AFP-Korrespondenten um Bewohner umliegender Gebäude.
Auch der Gouverneur der Region Baalbek, Baschir Chodr, bezifferte die Anzahl der Verletzten auf drei. Baalbek gilt als Hochburg der mit der Hamas verbündeten islamistischen Hisbollah-Miliz.
Wie der AFP-Korrespondent berichtete, wurde das von der israelischen Luftwaffe getroffene zweistöckige Gebäude in al-Osseira nahe Baalbek von der Hisbollah genutzt, war jedoch seit einiger Zeit verlassen. Die Hisbollah hatte zuvor am Samstag nach eigenen Angaben mehrere israelische Militärstellungen angegriffen.
Die Hisbollah erklärte später, sie habe „als Vergeltung“ für das „Bombardement“ in der Region Baalbek knapp eine Stunden später mehr als 60 Katjuscha-Raketen auf zwei israelische Militärstellungen auf den israelisch besetzten Golanhöhen abgefeuert. Ins Visier genommen habe sie einen Stützpunkt und eine Kaserne, die als Sitz der israelischen Luftverteidigung diene.
Die israelische Armee stellte nach eigenen Angaben „rund 50 Raketenabschüsse“ aus dem Libanon in Richtung des Norden Israels fest. Die Armee habe mehrere der Geschosse abgefangen, die Luftwaffe habe mehrere Abschussvorrichtungen angegriffen. Die Armee machte keine Angaben zu Opfern oder Schäden.
Seit dem Beginn des Krieges zwischen Israel und der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas am 7. Oktober gibt es auch fast täglich Schusswechsel zwischen israelischen Soldaten und Hisbollah-Kämpfern an der Grenze zwischen Israel und dem nördlichen Nachbarn Libanon.
Im Februar flog Israel dann erstmals seit Beginn des Gazakriegs Angriffe gegen Hisbollah-Ziele in der Region Baalbek, die rund hundert Kilometer nördlich der Grenze zwischen Israel und dem Libanon entfernt liegt. Die israelischen Angriffe in der Nacht auf Sonntag waren nun die dritten in dieser Region seit Beginn des Gazakriegs.
Die mit der Hamas verbündete Hisbollah hat wiederholt erklärt, dass sie ihre Angriffe gegen Israel erst einstellen werde, wenn es eine Waffenruhe im Gazastreifen gibt. Der israelische Verteidigungsminister Joav Gallant betonte im Februar, dass eine mögliche Waffenruhe mit der Hamas nichts am Ziel Israels ändern würde, die Hisbollah mit Gewalt oder mit diplomatischen Mitteln aus dem Süden des Libanon zu drängen. (afp)
USA unterbreiten „Brückenvorschlag“ für Geiselaustausch
Die USA schlagen laut einem Insider ein Verhältnis von Geiseln zu Gefangenen bei den Waffenstillstandsgesprächen in Gaza vor. „Während der Verhandlungen traten erhebliche Differenzen in der Frage des Verhältnisses zwischen den freizulassenden Gefangenen und den 40 Geiseln zutage, deren Freilassung zur Diskussion steht“, sagt ein israelischer Beamter, der um Anonymität bat. „Die Vereinigten Staaten legten einen Überbrückungsvorschlag auf den Tisch, auf den Israel positiv reagierte.“ Die Antwort der Hamas stehe noch aus. Der Beamte nennt keine Einzelheiten über den US-Vorschlag. (rtr)
Israels Verteidigungsminister reist inmitten von Spannungen nach Washington
Inmitten zunehmender Spannungen zwischen Israel und den USA wegen des Krieges im Gazastreifen will der israelische Verteidigungsminister Joav Gallant am Sonntag nach Washington reisen. Dort werde Gallant unter anderem mit seinem Amtskollegen Lloyd Austin und US-Außenminister Antony Blinken sprechen, kündigte die israelische Regierung am Samstagabend an. Es ist die erste Reise des Verteidigungsministers nach Washington seit Beginn des Krieges zwischen Israel und der Hamas vor mehr als fünf Monaten.
In den Gesprächen von Gallant solle es um „die Entwicklung des Krieges gegen die Terrororganisation Hamas“ gehen, erklärte die israelische Regierung. Sie hatte sich zuletzt mit zunehmender Kritik aus den USA konfrontiert gesehen. Präsident Joe Biden warnte zuletzt mit immer größerem Nachdruck vor einer von Israel geplanten Offensive in Rafah im Süden des Gazastreifens, wo mittlerweile rund 1,5 Millionen der insgesamt 2,4 Millionen Bewohner des Palästinensergebietes Schutz suchen.
Unter anderem deshalb war am Freitag US-Außenminister Blinken in Israel – und hatte sich eine deutliche Abfuhr eingehandelt: Regierungschef Benjamin Netanjahu sagte nach Beratungen mit Blinken, er halte auch ohne die Unterstützung Washingtons an der geplanten Rafah-Offensive fest. Blinken sagte seinerseits, mit einem großangelegten Militäreinsatz in Rafah gehe Israel das Risiko ein, sich „weltweit weiter zu isolieren“. (afp)
Hamas meldet Tote durch Beschuss von Hilfsverteilungspunkt – Israel dementiert
Im Gazastreifen sind nach Angaben der radikalislamischen Hamas mindestens 19 Menschen durch israelischen Beschuss getötet worden, als sie nach Hilfsgütern anstanden. Zudem seien dutzende Palästinenser verletzt worden, erklärte das von der Hamas kontrollierte Gesundheitsministerium am Samstag. Die israelische Armee wies diese Angaben zurück.
Der Vorfall ereignete sich nach Hamas-Angaben an einer Kreuzung nahe der Stadt Gaza im Norden des Gazastreifens. Dort hätten Menschen auf Lastwagen mit Hilfsgütern gewartet, als es Beschuss unter anderem durch israelische Panzer gegeben habe, erklärte das Gesundheitsministerium.
Die israelische Armee wies diese Darstellung zurück. „Die Berichte, dass dutzende Bewohner des Gazastreifens an einem Hilfskonvoi beschossen wurden, sind nicht korrekt“, hieß es in einer Erklärung des Militärs. „Erste Untersuchungen haben ergeben, dass es weder einen Luftangriff auf den Konvoi gegeben hat, noch gibt es Hinweise, dass die (israelischen) Truppen auf Menschen an dem Hilfskonvoi geschossen haben.“ (afp)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett