Krieg im Gazastreifen: Die Zelte reichen bis ans Meer
Hunderttausende sind aus Rafah geflohen und suchen Schutz. Hilfsorganisationen und Geflüchtete beklagen die Zustände in der Evakuierungszone.
Palästinenser im südlichen Gazastreifen
Das Gesundheitssystem werde in „wenigen Stunden“ im gesamten Gazastreifen zusammenbrechen, warnte am Montag das von der Hamas geführte Gesundheitsministerium. Seit Beginn der Rafah-Offensive sind zwei wichtige Grenzübergänge im Süden Gazas weitgehend geschlossen. Israel teilte am Sonntag jedoch mit, es habe sieben Tanklaster mit Treibstoff in das abgeriegelte Gebiet gelassen, der unter anderem für Krankenhäuser und „humanitäre Zonen“ vorgesehen sei. Treibstoff wird auch für Stromgeneratoren genutzt.
Hilfsorganisationen und Menschen vor Ort berichten von katastrophalen Zuständen in Rafah und der Evakuierungszone. „Wir haben kein Gas zum Kochen“, erzählt ein Palästinenser der taz, der mit seiner Familie in die Evakuierungszone al-Mawasi geflohen ist, „daher sind wir auf Holz und Papier angewiesen.“ Ansonsten lebe er von Lebensmittelkonserven. Eine Studentin, die Rafah bislang nicht verlassen hat, schreibt: „Es ist eine große Lüge, dass Israel einen Evakuierungsplan entwickelt hat. Israel interessiert sich nicht für uns.“ Die Evakuierungszone an der Küste sei komplett überlaufen. Fotos aus al-Mawasi zeigen Zelte am Strand, die sich bis hin zum Meer aneinanderreihen.
„Nicht nur aus ethischen Gründen, auch aus rechtlicher Sicht muss eine Sicherheitszone mit Wasser, Lebensmitteln, Medikamenten und Unterkünften versorgt sein“, gibt James Elder vom UN-Kinderhilfswerk Unicef zu bedenken. „In Rafah stand einer Person im Durchschnitt ein Liter Wasser pro Tag zur Verfügung, in al-Mawasi ist es noch schlimmer“, so Elder gegenüber der taz. „In Rafah kamen 3.500 Menschen auf eine Dusche, Hunderte auf eine Toilette, in al-Mawasi ist es noch schlimmer.“ Und während es in Rafah noch ein voll funktionsfähiges Krankenhaus gebe, habe al-Mawasi nichts dergleichen. Nur jedes dritte der 36 Krankenhäuser in Gaza ist noch teilweise funktionsfähig.
Zwölf Toiletten für tausende Menschen
Wegen mangelnder Hygiene und schlechter Ernährung sind viele Menschen anfällig für Infektionen. Atemwegsinfekte, Krätze und Hepatitis A breiten sich aus. Kiryn Lanning von der Hilfsorganisation International Rescue Committee erzählt von einer Schule mit zwölf Toiletten, in der 8.500 Menschen Zuflucht gesucht hätten. „Die gesamte Gegend wurde in ein großes, behelfsmäßiges Lager umgewandelt, das auf die Straßen übergreift und mit Abfall übersät ist“, beschreibt sie die Lage auf taz-Anfrage.
Israel will mit der Offensive auf Rafah die letzten Hamas-Bataillone besiegen. Der Hamas haben die hunderttausenden Zivilist*innen in Südgaza bislang einen gewissen Schutz geboten. Wie die New York Times am Sonntag unter Berufung auf Geheimdienstinformationen berichtete, halten sich wichtige Hamas-Führer allerdings nicht in Rafah auf. Jahia Sinwar, der Kopf der Hamas im Gazastreifen, halte sich in Tunneln unter Chan Junis auf, umgeben von mehreren der rund 100 israelischen Geiseln, die die Hamas seit mehr als sieben Monaten in ihrer Gewalt hat.
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu bezeichnete den Krieg am Montag indes als Kampf um die Existenz des Staates. „Es sind entweder wir, Israel, oder sie, die Hamas-Monster“, sagte er während einer Zeremonie am Soldatengedenktag in Jerusalem. „Entweder Existenz, Freiheit, Sicherheit und Wohlstand oder Auslöschung, Massaker, Vergewaltigungen und Unterwerfung.“ Israel habe den Krieg „etwa zur Hälfte“ abgeschlossen, so Netanjahu.
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