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Kooperation gegen RechtsextremismusTelegram taucht ab

Viele Rechtsextreme nutzen den Messengerdienst Telegram weiter für sich. Der Konzern aber verweigert seit Monaten eine Zusammenarbeit mit dem BKA.

Wenig Kooperation gegen Rechtsextremismus: der Messenger-Dienst Telegram Foto: Panthermedia/imago

Berlin taz | Die Ansage von Holger Münch war markig. Telegram entwickele sich zunehmend zu einem Medium der Radikalisierung, erklärte der BKA-Präsident, als seine Behörde im Januar 2022 eigens eine Taskforce zu dem Messengerdienst einrichtete. „Der Rechtsstaat muss dieser besorgniserregenden Entwicklung entschlossen begegnen.“ Und auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) drohte, Telegram notfalls abzuschalten, wenn der Dienst nicht kooperiere.

Ein gutes Jahr später ist klar: Telegram kooperiert nicht. Und auch die Mittel des BKA gegen dortige Hassbotschaften bleiben begrenzt. Dabei tummeln sich bei dem Messengerdienst unter den Millionen Nut­ze­r:in­nen bis heute auch Rechts­ex­tre­mis­t:in­nen und Verschwörungsanhänger:innen, die sich dort weitgehend anonym austauschen.

Einige ihrer Gruppen haben mehrere zehntausend Mitglieder. Der Thinktank Cemas, der diese Phänomene digital beobachtet, bezeichnete Telegram zuletzt als inzwischen „wichtigste Bühne“ für diese Szenen im deutschsprachigen Raum. Seit der Coronapandemie sei die Reichweite der Kanäle „explodiert“.

Taskforce Telegram nicht mehr aktiv

Doch Telegram selbst reagiert darauf bis heute kaum. So sagte ein BKA-Sprecher der taz, dass zwar nach 560 Löschersuchen des BKA an Telegram später 484 Inhalte nicht mehr aufrufbar waren. Bei der Übermittlung von Bestandsdaten, um Nut­ze­r:in­nen nach Straftaten zu identifizieren, aber kooperiere Telegram seit Monaten nicht mehr. Zu 238 „herausragend strafbewehrten Sachverhalten“ habe es bisher Anfragen an Telegram gegeben, von denen 64 anfangs beantwortet wurden. Das letzte Mal aber habe Telegram am 1. Juni 2022 Bestandsdaten herausgegeben – seitdem nicht mehr.

Und auch die Taskforce Telegram des BKA, die eigenständig Straftaten bei Telegram aufklären sollte, ist seit Ende Mai 2022 nicht mehr aktiv. 46 Delikte hatte sie bis dahin an die Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main übermittelt, die diese an örtlich zuständige Staatsanwaltschaften weiterleiten sollte. Dann sei die operative Arbeit eingestellt worden, so der BKA-Sprecher.

Dafür gründete das BKA im Februar 2022 noch ein zweites Instrument: eine Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet, ursprünglich mit 200 Mitarbeitenden angedacht. Aber auch sie ist bisher kein Erfolg. Denn hier verweigert nicht nur Telegram eine Zusammenarbeit, sondern auch Anbieter wie Facebook, Instagram, Tiktok oder Twitter.

Diese sollten eigentlich von sich aus strafbare Beiträge an die BKA-Meldestelle weiterleiten, tun dies aber nicht, weil sie sich rechtlich dazu nicht verpflichtet sehen. Und das Verwaltungsgericht Köln gab den Konzernen vorläufig recht: Da sie in Irland ansässig seien, sei Deutschland nicht für sie zuständig.

Die BKA-Meldestelle arbeitet deshalb bisher nur mit Anti-Hass-Projekten in Hessen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg zusammen. Von dort wurden bislang 6.500 Meldungen übermittelt, von denen laut BKA rund drei Viertel strafrechtlich relevant waren. Zum Vergleich: Erwartet wurden einst mal 250.000 Meldungen jährlich für die Meldestelle.

Bußgelder bleiben unbezahlt

Im Einzelfall gelingen der Polizei aber auch so bei Telegram Ermittlungserfolge. So fasste die Polizei zuletzt zwei Islamisten aus Castrop-Rauxel, die via Telegram über einen Rizin-Anschlag sinniert haben sollen – der Hinweis kam vom FBI. Auch einige der im Dezember festgenommenen terrorverdächtigen Reichsbürger kommunizierten via Telegram.

Telegram selbst war dabei aber offenbar keine Hilfe. Das Bundesamt für Justiz hatte bereits im Oktober 2022 zwei Bußgelder von insgesamt 5,1 Millionen Euro gegen den Dienst verhängt – weil dieses weder gesetzeskonforme Meldewege für Hassbotschaften noch einen Zustellungsbevollmächtigten in Deutschland bereitstelle. Auch die Bußgelder sind indes bis heute nicht bezahlt: Telegram hatte über eine Kanzlei gegen beide Bescheide Einspruch eingelegt. Man überschreite nicht die Schwelle, ab der Meldewege gestellt werden müssten, entgegnete diese. Und überhaupt seien die Bescheide falsch adressiert.

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11 Kommentare

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  • Wenn Irland zuständig ist, wieso gehen dann die irischen Behörden nicht aufgrund von Meldungen der deutschen Behörden juristisch vor?



    Das müssten sie doch.



    Oder gibt es etwa gar kein Amtshilfeersuchen?

  • Irgendwie werde ich den Eindruck nicht los, dass die Polizei gern hätte, dass andere für sie die Arbeit machen.

    "... mehrere zehntausend Mitglieder."

    Kann man sowas -- ich meine -- so ganz klassisch... infiltrieren? Vielleicht wäre das nutzbringender als die "Dienste" (wie's so schön heisst) zur Überwachung zu verpflichten?

    "Und auch die Taskforce Telegram des BKA, die eigenständig Straftaten bei Telegram aufklären sollte, ist seit Ende Mai 2022 nicht mehr aktiv."

    Achso. Verstehe.

    So wird's nichts. Immer mehr Überwachungstools fordern, aber so ganz normale Polizeiarbeit...

  • Man könnte auch schreiben, dass Telegram einige der wenigen und letzten Messenger ist, welche noch echten Datenschutz und Privatsphäre hat. Alle anderen sind mehr oder weniger durchleuchtet von den Nachrichtendiensten. Früher wäre so etwas noch ein großer Aufreger gewesen, aber dank ständiger Wiederholung von "bei Telegram sind die meisten Rechtsradikale und Pädophile" stört die schleichende Aufhebung des Datenschutzes kaum jemand mehr.

    • @Mopsfidel:

      Der Datenschutz wird ja eben nicht aufgehoben, wenn das BKA die Bestandsdaten im Fall konkreter Straftaten bei Telegram anfragen muss. Ich bin keine Juristin, aber für mich wirkt das so, wie ein Mord in einem Hotel, bei dem die Ermittler die Namen der Gäste zum Tatzeitpunkt erfragen. Zumindest im Tatort ist das ein völlig normaler Vorgang ;-) Telegram wäre in diesem Beispiel die Hotelleitung, die sich weigert, Auskunft zu geben.

      • @sàmi2:

        Leider ist Ihre Vorstellung nicht korrekt. Zur eigentlichen Funktionsweise von Messenger Diensten:



        Person A schreibt Nachricht an Person B. Dazu sendet A die Nachricht ab, der Dienst ermittelt den Empfänger und stellt die Nachricht direkt zu. Der Dienst kennt weder Inhalt noch speichert er die Nachricht auf eigenen Servern. Sobald die Nachricht zugestellt ist, kann der Dienst die Metadaten (Sender- und Empfängerkennung) löschen.

        Für die Ermittlungsbehörden sind die Metadaten daher der Schlüssel. Kooperative Anbieter leiten diese an die Behörden weiter bzw. werden dazu gezwungen. Oder ganz perfide: die Behörden haben den Generalschlüssel für die Verschlüsselung.

        • @Mopsfidel:

          Okay, die Funktionsweise von Messengerdiensten ist mir bekannt. Und dass sich die Nutzer nicht mit Klarnamen anmelden wie in einem Hotel, ist mir auch klar. Mein Beispiel war offenbar schlecht.

          Mir ging es darum, dass zu den Daten, die vorliegen, ja offenbar keine Auskunft gegeben wird. Und dass eine konkrete Anfrage gestellt werden muss, im Rahmen einer Strafermittlung. Es geht ja offenbar nicht um eine umfassende Überwachung aller Nutzer.

          Wo wird also da der Datenschutz aufgeweicht?

  • Jaja, bei Radio Dreyeckland wird wegen Nichtigkeiten eine Durchsuchung angeordnet aber die Rechten können da schön weiterhin bei Telegram schalten und walten ...

    • @Bolzkopf:

      Radio Dreyecksland sitzt in Feiburg, und Telegram in Dubai. Wie kann denn ein deutsches Gericht eine Durchsuchung in Dubai durchsetzen?

      • @Dortmunder:

        Ich habe ja nicht gesagt, dass man bei Telegram eine Durchsuchung anordnen soll.

        Aber dass der Staat so tut als ob er so garnichts machen könnte ist natürlich vorgeschoben.

      • @Dortmunder:

        Evtl. über Interpol.

  • Aber bitte, was wäre denn, wenn die Macher von telegram Bestandsdaten an das BKA herausgeben? Da wären die ja sicherlich nicht mehr in Dubai lebenssicher. Und die Überlegung, das dort evtl. Kontakte nach Russland bestehen, liegt doch auf der Hand. Mal schnell gegooglet "telegram dubai". Russich scheinen sie ja zu sprechen...



    Da hätten Sie Litschko zumindest etwas investigativ(er) recherchiren können, sei hier mal gewünscht. Schönen telegramfreien Tagwünsche ich.