Konflikt zwischen Russland und Ukraine: Obama und Merkel auf einer Linie
Der US-Präsident und die Kanzlerin fordern den Rückzug russischer Soldaten von der Krim. Merkel setzt weiter auf Diplomatie, Sanktionen haben in Deutschland kaum Fans.
WASHINGTON/BERLIN/MOSKAU/SEWASTOPOL dpa/ap | US-Präsident Barack Obama und Kanzlerin Angela Merkel haben den Rückzug russischer Soldaten von der ukrainischen Halbinsel Krim gefordert. Das teilte das Weiße Haus nach einem Telefonat der Politiker mit. Zugleich verlangten sie den Zugang internationaler Beobachter in die Krisenregion. Russland müsse der Bildung einer internationalen Kontaktgruppe rasch zustimmen, die zu einem direkten Dialog zwischen der Ukraine und Russland führen solle. Regierungssprecher Steffen Seibert teilte am Samstag in Berlin mit, beide seien sich „in der Einschätzung des inakzeptablen russischen Vorgehens“ einig gewesen und wollten sich weiter engstens abstimmen.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow forderte den Westen zu einem „Dialog ohne Beschuldigungen“ auf. „Wir sind zu partnerschaftlichen Gesprächen bereit – allerdings akzeptieren wir Versuche nicht, uns als einen Beteiligten des Konflikts in der Ukraine hinzustellen“, sagte er am Samstag der Agentur Interfax zufolge in Moskau. Lawrow warf der neuen Führung in Kiew erneut vor, nicht legitim an die Macht gelangt zu sein und sprach von einem Umsturz. Direkte bilaterale Gespräche mit dem Nachbarland seien schwierig, da die ukrainische Regierung von radikalen Nationalisten beeinflusst werde.
In einem Telefonat mit seinem US-Kollegen John Kerry hatte der russische Außenminister zuvor die USA mit Nachdruck vor Sanktionen gewarnt. Strafmaßnahmen könnten für Washington schnell zum „Bumerang“ werden, sagte Lawrow, wie das Außenministeriums in Moskau am Freitagabend mitteilte.
China hatte sich schon zuvor gegen Strafmaßnahmen von USA und EU ausgesprochen. Chinas Außenminister Wang Yi rief am Samstag zur Zurückhaltung in der Ukraine auf. „Vorrang hat jetzt, dass Gelassenheit und Zurückhaltung geübt und verhindert wird, dass die Situation weiter eskaliert“, sagte der Außenminister auf einer Pressekonferenz in Peking. Wang Yi beschrieb die Beziehungen zwischen China und Russland als „in der besten Phase ihrer Geschichte“.
Russland verspricht Krim-Bürgern gleiche Rechte
Moskau stellte gut eine Woche vor dem geplanten Krim-Referendum der Schwarzmeer-Halbinsel die Eingliederung in die Russische Föderation in Aussicht. Die Staatsduma könnte nach Angaben aus Moskau bereits am 21. März über ein Gesetz zum Beitritt abstimmen.
Die Vorsitzende des Föderationsrates, Valentina Matwijenko, versprach bei einem Treffen mit Krim-Parlamentschef Wladimir Konstantinow, als Teil Russlands werde die Krim künftig mehr Rechte haben als in der Ex-Sowjetrepublik Ukraine. „Wenn eine solche Entscheidung bei dem Krim-Referendum getroffen wird, dann wird die Republik zu einem gleichberechtigten Subjekt der Russischen Föderation mit allen Rechten und Vollmachten“, kündigte Matwijenko eine Woche vor der am 16. März geplanten Volksabstimmung an. Die Bürger der Krim würden alle Rechte russischer Staatsangehöriger haben, gleiche Löhne, Renten und gleichen Anspruch auf Sozialleistungen.
Eine Zustimmung der russisch dominierten Bevölkerung auf der Krim gilt als sicher. Die Halbinsel gehört völkerrechtlich zur Ukraine, die das Vorgehen Moskaus für einen Bruch internationalen Rechts hält.
Zur Abweisung von OSZE-Beobachtern auf der Krim erklärte der ständige Vertreter Russlands bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa in Wien, Andrej Kelin, nach Angaben der russischen Nachrichtenagentur Itar-Tass: Eine Entsendung einer solchen Delegation sei „zwecklos“ ohne Zustimmung der Behörden auf der Krim oder in den östlichen ukrainischen Regionen. Ein Mandat für eine solche Beobachtermission müssten diese Regionen erteilen.
Ein weiteres Treffen des UN-Sicherheitsrates zur Lage in der Ukraine sei von Samstag auf Montag verschoben worden, sagte ein Sprecher der ukrainischen UN-Delegation Itar-Tass. Die Krise in der Ukraine hat den Sicherheitsrat bereits viermal beschäftigt.
Martin Schulz: Sanktionen kein Verhandlungsgrund für Putin
Merkel setzt in der Ukraine-Krise weiter auf Diplomatie und drängt den russischen Präsidenten Wladimir Putin, sich an einer Kontaktgruppe zur Lösung der Krim-Krise zu beteiligen. „Wir erwarten innerhalb weniger Tage die Bildung eines diplomatischen Gremiums und dann auch sehr schnell Ergebnisse“, sagte Merkel am Freitag nach einem Treffen mit dem irischen Premierminister Enda Kenny in Dublin.
Dagegen stoßen die EU-Sanktionen gegen Russland in Deutschland auf Kritik. „Wladimir Putin ist äußerst machtbewusst, der lässt sich mit Sanktionen nicht an den Verhandlungstisch zwingen“, sagte der deutsche Präsident des EU-Parlaments, Martin Schulz (SPD), der Wirtschaftswoche zur Wirkung solcher Maßnahmen auf den russischen Präsidenten. EU-Energiekommissar Günther Oettinger warnte in dem Magazin davor, dass „die zarte Erholung der europäischen Wirtschaft beeinträchtigt wird“.
Der Vorsitzende des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft, Eckhard Cordes, riet im Focus von wirtschaftlichen Sanktionen ab: „Die Verflechtungen zwischen der EU und Russland sind so groß, dass beiden Seiten schwere Schäden drohen.“ Die EU hatte am Donnerstag erstmals seit Ende des Kalten Krieges einen mehrstufigen Sanktionsplan gegen Moskau beschlossen. Sollte sich die Krim an Russland anschließen, will Brüssel Wirtschaftssanktionen gegen Russland verhängen.
Versuchte Kasernenübernahme
Russland, das in Sewastopol seine Schwarzmeerflotte stationiert hat, kontrolliert seit einer Woche die mehrheitlich von Russen bewohnte Krim. Moskau bestreitet aber, Soldaten außerhalb vereinbarter Bereiche einzusetzen. Bewaffnete in Uniformen ohne Hoheitsabzeichen seien „Selbstverteidigungskräfte“. Die prowestliche neue Führung in Kiew beklagt hingegen, die ukrainischen Kasernen auf der Halbinsel würden von moskautreuen Einheiten blockiert.
Laut ukrainischen Angaben sollten prorussische Soldaten am Freitagabend versucht haben, einen ukrainischen Militärstützpunkt auf der Krim zu übernehmen. Sie seien mit einem Laster in den Zaun des Lagers gefahren, sagte der stellvertretende Kommandeur des Stützpunktes, Witali Onischchenko, am Samstag. Drei Dutzend Soldaten hätten den Strom ausgeschaltet, die Telefonverbindungen zerschnitten und die ukrainischen Truppen gedrängt, ihre Waffen auszuliefern und Russland Loyalität zu schwören. Gegen Mitternacht seien die Eindringlinge verschwunden. Es seien keine Schüsse gefallen.
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