piwik no script img

Konflikt im WestjordanlandRazzia, Anschlag, Ausschreitungen

Nach einer Militär-Razzia und einem Anschlag auf Israelis ziehen Sied­le­r*in­nen durch palästinensische Dörfer. Die Gewaltspirale dreht sich weiter.

In Jenin wurden bei Zusammenstößen mit israelischen Truppen fast 100 Menschen verletzt Foto: Ayman Nobani/dpa

Tel Aviv taz | Eine eskalierte Razzia in einem Flüchtlingslager im Westjordanland, bei der mindestens sechs Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen getötet werden, ein Anschlag, bei dem vier Israelis getötet werden und Ausschreitungen von Sied­le­r*in­nen in palästinensischen Dörfern – diese Abfolge der Vorfälle der letzten Tage ist so schon einmal geschehen.

Im Februar eskalierte der Konflikt zwischen Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen und Israelis im Westjordanland ganz ähnlich: Razzia, Anschlag, Ausschreitungen. Damals gingen die Bilder der pogromartigen Übergriffe von Sied­le­r*in­nen in dem palästinensischen Dorf Huwara, im Norden des Westjordanlands, um die Welt. Die Sied­le­r*in­nen sahen diese als gerechte Vergeltung für einen zuvor geschehenen Anschlag an, bei dem zwei Israelis von Palästinensern getötet worden waren.

Nun also erneut: In der Nacht auf Mittwoch zogen Sied­le­r*in­nen durch palästinensische Ortschaften, unter anderem auch Huwara, zerstörten Häuser, setzten Felder und Fahrzeuge in Brand, darunter auch einen Krankenwagen.

Am Dienstagnachmittag hatten zwei palästinensische Attentäter bei einem Anschlag an einer Tankstelle nahe der Siedlung Eli im Westjordanland vier Israelis getötet und vier weitere verletzt. Einer der Attentäter wurde am Tatort von einem bewaffneten Zivilisten getötet, der zweite kurz darauf auf der Flucht.

Attentäter waren Mitglieder der Hamas

Die militante Hamas, die den Gazastreifen kontrolliert und versucht, im Westjordanland an Einfluss zu gewinnen, bezeichnete die beiden Attentäter als Mitglieder, bekannte sich aber nicht zu dem Anschlag. Der Anschlag, so die Hamas, sei eine Antwort auf die „Verbrechen der kriminellen Besatzungsregierung gegen die gesegnete Al Aqsa Moschee und ihre Aggression gegen Nablus und Jenin.“

Sie beziehen sich damit auch eine Razzia des israelischen Militärs, die am Montag im Flüchtlingslager von Jenin eskaliert war. Mindestens sechs Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen wurden getötet oder starben an den Verletzungen, unter ihnen ein fünfzehnjähriges Mädchen und ein gleichaltriger Junge. Fast 100 wurden verletzt.

Zeitgleich mit den Ausschreitungen in den palästinensischen Dörfern zogen in der Nacht auf Mittwoch – wie schon im Februar – Hunderte von Sied­le­r*in­nen zum Außenposten Evyatar, darunter auch Mitglieder der extrem rechten Regierungskoalition von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.

Der Außenposten Evyatar – eine Siedlung, die auch nach israelischem Recht illegal ist – befindet sich im Norden des besetzten Westjordanlandes und ist in den letzten Jahren zu einem Herzstück der Kämpfe der Sied­le­r*in­nen um das Land geworden. Die Be­woh­ne­r*in­nen mussten den Außenposten im Juli 2021 räumen, im Gegenzug richtete dort jedoch das israelische Militär einen Stützpunkt ein, die Wohncontainer blieben intakt.

Evyatar soll als dauerhafte Siedlung genehmigt werden

Die Sied­le­r*in­nen fordern, als Reaktion auf die tödlichen Schüsse vom Dienstag Evyatar als neue dauerhafte Siedlung zu genehmigen. Der extrem rechte Knessetabgeordnete Zvi Sukkot von der Partei Religiöser Zionismus tweetete ein Foto von sich und einigen anderen Siedlern im Außenposten: „Wir sind in der Nacht nach Evyatar zurückgekehrt. Diesmal für immer.“

Die Geschichte wiederholt sich, doch dieses Mal scheinen Israel und die Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen noch näher an einer möglichen weiteren Eskalation der Lage zu sein als im Februar.

Verschiedene Mitglieder der israelischen Regierungskoalition, unter ihnen auch der extrem rechte Minister für Innere Sicherheit Itamar Ben Gvir, fordern eine „großangelegte Operation“ im Westjordanland, die wiederum zu einer weiteren Eskalation führen könnte. Israelische Sicherheitskreise äußern sich zurückhaltender.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare