piwik no script img

Konflikt auf der KrimSaboteure, Vorwürfe und Dementis

Russlands Geheimdienst FSB will ukrainische Anschläge auf der Krim verhindert haben. Wladimir Putin zürnt, Ukraine versetzt Truppen in Kampfbereitschaft.

Säbelrasseln auf der Krim: russische Militärparade Ende Juli in Sewastopol Foto: dpa

Moskau/Kiew dpa/afp/ap | Der russische Präsident Wladimir Putin hat dem Nachbarland Ukraine wegen angeblich versuchter Anschläge auf der Schwarzmeer-Halbinsel Krim mit Gegenmaßnahmen gedroht. Russland hat nach Angaben seines Inlandsgeheimdienstes FSB zwei Soldaten verloren im Kampf gegen ukrainische Saboteure. Die Ukraine wies alle Vorwürfe entschieden zurück.

„Allem Anschein nach sind die Leute, anstatt nach Wegen einer friedlichen Lösung zu suchen, zur Praxis des Terrors übergegangen“, sagte Putin der Agentur Interfax zufolge am Mittwoch in Moskau. „Wir können so etwas nicht einfach durchgehen lassen.“ Der 63-Jährige verwies zugleich auf einen kürzlich missglückten Anschlag auf den Separatistenchef von Luhansk, Igor Plotnizki.

Vorher hatte der russische FSB mitgeteilt, bei drei bewaffneten Zusammenstößen mit eingedrungenen Saboteuren auf der Krim seien ein FSB-Mitarbeiter und ein Soldat getötet worden. Mehrere ukrainische und russische Staatsbürger seien festgenommen worden. Bei ihnen seien Sprengstoff gefunden worden. Ein Verdächtiger arbeite für den ukrainischen Militärgeheimdienst.

Das Verteidigungsministerium in Kiew wies jede Beteiligung an den angeblichen Vorfällen zurück. Moskauer Vorwürfe seien haltlos, dass die Krim vom ukrainischen Festland aus beschossen worden sei. Unabhängige Berichte zu den angeblichen Vorfällen gab es nicht.

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat die Soldaten an der faktischen Grenze zu der Schwarzmeerhalbinsel Krim in Kampfbereitschaft versetzt. Auch für die Frontlinie in der Ostukraine zwischen den von prorussischen Separatisten und ukrainischem Militär kontrollierten Gebieten ordnete er diese Maßnahme am Donnerstag an.

Putin will nicht mehr verhandeln

Putin erklärte es nach den Vorkommnissen für sinnlos, beim kommenden G20-Gipfel im „Normandie-Format“ Russland, Deutschland, Frankreich und Ukraine über den Konflikt zu sprechen. Kiew hatte um ein solches Treffen am Rande des Gipfels 20 führender Industrienationen Anfang September in China gebeten.

Poroschenko bezeichnete die Anschuldigungen des Kremls als haltlos. „Diese Fantasien sind nur ein weiterer Vorwand für die nächsten militärischen Drohungen gegen die Ukraine“, sagte Poroschenko am Mittwoch laut der Nachrichtenagentur Interfax. Er fügte hinzu: „Gerade Russland unterstützt und finanziert bereits seit langem großzügig den Terrorismus auf dem Gebiet der Ukraine.“

Seit über zwei Jahren bekämpfen sich in der Ostukraine Separatisten, die von Moskau mit Waffen und Soldaten unterstützt werden, und ukrainische Regierungstruppen. Bei den Kämpfen sind bereits etwa 10 000 Menschen getötet worden.

Seit Sonntag berichten ukrainische Offizielle von russischen Truppenbewegungen und Hubschrauberflügen im Norden der Krim. Die zeitweise gesperrten Kontrollpunkte zur Halbinsel funktionierten seit Mittwochmorgen aber wieder normal. Russland hatte die Krim im Frühjahr 2014 annektiert. Die meisten Länder kritisieren dies als Verstoß gegen das Völkerrecht.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

17 Kommentare

 / 
  • Oh...FSB, ukrainischen Militärgeheimdienst (mutmaßlich) sind beteiligt. Wer wagt sich darüber ein Urteil ?

    • @lions:

      http://tass.ru/en/politics/893822

       

      (Lohnt sich immer, zusätzlich zu taz.de auch tass.ru zu lesen ;))

      • @jhwh:

        und und und...

  • Bedauerlich, daß hier im Forum immer noch die NeoCon-Propaganda zur Krim-Annexion zirkuliert. Steter Tropfen scheint das Hirn zu höhlen.

    Einfach mal die aktuellen Umfragen von Gallup und GfK zur Kenntnis nehmen. Nur ein kleiner Teil der Krim-Bewohner betrachtet sich als zwangsannektiert. Die überwiegende Mehrheit (> 80%) ist heilfroh, zu Russland statt zur Ukraine zu gehören.

    (http://www.forbes.com/sites/kenrapoza/2015/03/20/one-year-after-russia-annexed-crimea-locals-prefer-moscow-to-kiev/#2323d2135951)

  • Warum spricht Putin im Zusammenhang mit diesem tatsächlichen oder getürkten Anschlag nicht auch von einem „Geschenk des Himmels“, so wie sein neuer „Freund“ Erdoğan?

     

    Dann könnte er jetzt endlich alles, was ihn schon die ganze Zeit stört, weg-„säubern“. Genügend viele Pläne sollten inzwischen griffbereit in den Schubladen liegen!

    • @Pfanni:

      Der Wladi ist doch z.Z. in Syrien beschäftigt. Warum sollte er dann die "Eingemeindung" der Ukraine unnötig beschleunigen?

  • "Russland hatte die Krim im Frühjahr 2014 annektiert."

    Wieso eigentlich annektiert? Die Bürger der Krim haben sich in einem Volksentscheid für einen Beitritt zur russischen Förderation entschieden. Dies geschah ohne Blutvergießen - was sicherlich sehr hoch zu schätzen ist.

     

    Vorausgegangen waren Ausfälle der dezeitigen Kiewer Machthaber gegen die russischspachige Bevölkerung in der Ukraine. So wurde deren Sprache nicht mehr als Amtssprache zugelassen. Geschichtlicher Hintergrund des Ganzen ist sicherlich, dass viele Bürger der Ukraine im Krieg an der Seite der Deutschen gegen Rußland kämpften, oft auch an Verbrechen gegen die Zivilbevölkrung beteiligt waren.

    Die nun durch einen Putsch gegen die demokratische gewählte Regierung an die Macht gekommenen Regierung stützt sich auch wesentlich auf faschistische Kräfte.

     

    Die Finanzierung des Putsches lässt weitere Hintergründe des Umsturzes erahnen.

    • @Denkerist:

      @ DENKERIST: Tut mir leid, aber Sie sind mit fast 1½ Jahren Verspätung nun auch noch auf die damalige Kreml-Propaganda hereingefallen. Sie sind nicht der Einzige!

       

      Die erwähnte „Volksabstimmung“ stellte nicht etwa, wie wir hier in D. vermuten, eine Frage, die mit „JA“ oder „NEIN“ zu beantworten war, sondern bot 2 Optionen, von denen genau eine anzukreuzen war:

      1. Soll die Krim in die russische Föderation aufgenommen werden?

      2. Soll eine Übergangsregierung die vorläufige Verwaltung übernehmen?

       

      In Fall 1 wäre die Krim sofort von Russland geschluckt worden; das geschah auch.

      In Fall 2 wäre die nicht näher definierte „Übergansregierung“ wohl von den berüchtigten „grünen Männchen“ gebildet worden, die sicher sofort um Anschluss an Russland „ersucht“ hätten.

      In jedem Fall sollte die Krim aus der Ukraine herausgebrochen werden, egal, wie das Volk entscheidet!

      • @Pfanni:

        Propaganda machen beide Seiten, der Westen auch nicht zuknapp.

        Ich bin dort nicht dabei, deshalb schaue ich in die Geschichte (Wer hat welche Länder überfallen, Putsche inszeniert usw.).

        Weiterhin stelle ich mir die Frage, welche Interessen bestehen. Und, wenn man sich auf der Weltkarte die US-Stützpunkte ansieht, die Kriege dieses landes in den letzten Jahrzehnten, so wird mir bange. Wie soll es da erst Rußland gehen? Was wäre, wenn Rußland Waffen und Personal in der Karibik stationieren würde? Nichts anderes macht der Westen an Rußlands Grenzen. Nicht erst seit der Unterstützung der Taliban in Afghanistan.

    • @Denkerist:

      Freie Wahlen mit gläsernen Urnen, ohne Wahlbeobachter und mit von russischer Seite bestätigten gefälschten Ergebnissen? http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-05/ukraine-putin-wahlfaelschung

      Russisch war auch durchgehen Amtssprache, es wurde zwar diskutiert nur ukrainisch zuzulassen, aber aufgrund von Widerstand in der Bevölkerung wurde das nicht umgesetzt. Auch den von dir beschriebenen Ausfall gegen die russischsprachige Bevölkerung gab es nicht im großen Maßstab, im Gegensatz zu Vorfällen gegen ukrainische Journalisten in den besetzten Gebieten.

      Und zur Regierung, die ist legitim gewählt worden, sowohl das Parlament, als auch der Präsident und die jetzige Regierung ist nicht gleich zu setzen mit der Übergangsregierung, welche die Macht ergriffen hat, als Janukowytsch freiwillig und überraschen das Land verlassen hat. Somit hat sich also die 'legitime' Regierung freiwillig (und auf den Druck der Bevölkerung hin) entschieden ihr eigenes Land nicht mehr regieren zu wollen. Ob man da wirklich von einem Putsch reden kann ist sehr fraglich.

      Aber mit Gewissheit, wenn ein großer Führer behauptet Polen hätte uns angegriffen, äh, die Ukraine überfallen wird das wohl stimmen.

      • @Arianus:

        Durchsichtige Urnen sind durchaus ein akzeptierte allgemeiner Standard. Das verhindert, dass vorab gefälschte Wahlzettel eingeworfen werden.

        Die Problematik der Abstimmung ist eine andere: Darf ein Teil eines Landes von sich aus sich für autonom (oder Teil eines anderen Staates) erklären. Das gleiche Problem gibt es z.B. in Katalonien, Baskenland, Südtirol oder Savoyen. Hier steht das Selbstbestimmungsrecht gegen das Recht des Staates und es gibt dafür keine eindeutige Lösung.

        Es gibt in der Ukraine autonome rechtsradikale Kräfte, die von der Regierung unterstützt aber nicht kontrolliert werden. Ich würde es für gar nicht so unwahrscheinlich halten, dass diese Kräfte einen Anschlag auf die Krim verübt haben: Putin schiebt dies auf die ukrainische Regierung, die ihrerseits nur sagt, dass sie selbst nichts gemacht habe. Möglich ist aber natürlich auch, dass dieser Angriff von welchen Kräften (Geheimdiensten) auch immer inszeniert worden ist.

        • @Velofisch:

          Gläserne Urnen verstoßen gegen das Wahlgeheimnis und so gegen freie und unabhängige Wahlen. Besonders wenn die Urnen von Militärs bewacht werden manipulieren sie so, aus angst vor Erschießung, das Wahlergebnisse.

          Das Problem an solchen Abspaltungen ist komplexer. Nehmen wir mal in einem stark vereinfachten Beispiel zwei fiktive, benachbarte Region. Region A konnte aufgrund einer langen Friedensperiode einen hohen wirtschaftlichen sowie wissenschaftlichen Standard erreichen, ist aber arm an Bodenschätzen. Region B ist das Gegenteil. Langer Bürgerkrieg um reiche Bodenschätze. Nach einer Weile fusionieren beide Region und Region A baut Region B aus. Nach vielen Jahren befinden sich beide technologisch auf dem gleichen Level, Region A ist aber aufgrund der fehlenden Ressourcen wirtschaftlich von Region B abhängig. Da Region B keine Lust auf die Schmarotzer von Region A hat, erklären sie sich wider für unabhängig, was Region A in eine tiefe Wirtschaftskriese und Armut stützt.

          Einfaches Beispiel, klar, aber der Punkt ist, das solche Abspaltungsbewegung immer im gegenseitigen Konsens wie z.B. zwischen der EU und GB stattfinden müssen. Alles andere führt zu Kriesenregionen und Instabilitäten. Deswegen ist es allgemeiner Konsens, das gewalttätige Abspaltung nur nach massiven Menschenrechts Verletzungen und nur zur Stabilisierung der Region, wie im Kosovo, stattfinden dürfen.

          • @Arianus:

            Da Wahlzettel gefaltet werden, verstoßen gläserne Urnen nicht gegen das Wahlgeheimnis. Sie beweisen aber, dass sich zu Beginn der Abstimmung keine Wahlzettel schon in dieser befanden. Und sie belegen bei jedem einzelnen Wähler, dass dieser nur einen Wahlzettel in die Urne warf.

          • @Arianus:

            "Gläserne Urnen verstoßen gegen das Wahlgeheimnis und so gegen freie und unabhängige Wahlen."

             

            Gut das Sie das sagen. Gehen Sie dann bitte auch nach Kiew und sagen Poroschenko, dass er aus dem Präsidentenpalast ausziehen soll?

          • @Arianus:

            Was Sie über "Abspaltungsbewegungen" schreiben, kann ich nachvollziehen. Nicht nachvollziehen kann ich, dass gläserne Wahlurnen grundsätzlich das Wahlgeheimnis verletzen.

             

            Ob sie das tun, hängt meiner Ansicht nach davon ab, ob der Wahlzettel vor dem Einwerfen in die Urne "verpackt" wird. Das Verpacken kann unsichtbar in der Wahlkabine erfolgen, so es denn eine gibt.

             

            Den Soldaten möchte ich sehen, der behauptet, er hätte geschossen, weil er durch einen verschlossenen Umschlag auf das (falsch) gesetzte Kreuz geschaut hat. Der Schein muss schon auch gewahrt werden von den Leuten, die sich als legitim ausgeben wollen. Eine ganz andere Frage ist natürlich, ob Menschen, mit einem Bewaffneten konfrontiert, nicht trotzdem so abstimmen, wie sie glauben abstimmen zu müssen.

             

            Also bitte: Wahlkabine muss. Ohne geht gar nichts. Gläserne Urne kann, wenn der Wahlzettel vor dem Einwerfen in den Umschlag kommt. Bewaffnete "Wahlbeobachter" aber gehen überhaupt gar nicht. Auch nicht auf Basis eines "Ja, aber...".

    • @Denkerist:

      Wenn man ausser Acht lässt das die "faschichtischen" Kräfte bei der Wahl in der Ukraine abgestraft wurden, die Russlandskeptischen und vorallem feindlichen Bewohner der Krim vor der Abstimmung in die Ukraine gegangen sind, es dadurch ein extrem eindeutiges Ergebnis gab. Und man ignoriert das die Okrainische Bevölkerung die Sowjetische Besatzung, nunja als Besatzung im und vor dem 2. WK ansah, Ukrainische Kräfte dann aber tatsächlich in berlin einmarschiert sind. Und andere unbedeutende Punkte ...

       

      Kann man ihren Post durchaus als gut betrachten. Leider nur unter diesen Voraussetzungen.

      • @Sascha:

        Naja, irgendwas ist immer, nicht wahr? Sollte DENKERIST deswegen etwa keine Meinung mehr posten? Wo bliebe denn dann Ihre Chance, klüger zu sein? Mir scheint "gut" ist in diesem Fall keine wirklich brauchbare Kategorie.