Kommentar zum Umsturz in Simbabwe: Das Ende einer Ära
Jeder in Simbabwe weiß, zu welchen Massakern die Armee fähig ist. Der Umsturz konnte nur durch sie selbst stattfinden. Jetzt ist alles möglich.
E s ist ein historischer Moment. Über 37 Jahre lang hat Robert Mugabe nicht nur die Geschicke Simbabwes bestimmt, sondern auch Afrikas Politik insgesamt in einem außergewöhnlichen Ausmaß geprägt: erst als triumphaler Held des bewaffneten Befreiungskampfes, später als Wortführer einer radikalen Abkehr vom Westen im Namen eines neuen afrikanischen Selbstbewusstseins. Unabhängig davon, wie dramatisch er sein Land heruntergewirtschaftet hat, geht er als großer afrikanischer Nationalist in die Geschichte ein, und dafür wird man ihn zu Recht weiter verehren.
Spricht es für ihn, dass sein Abgang von der politischen Bühne jetzt so geräuschlos vonstatten zu gehen scheint? Schneller als erwartet und zumindest zunächst ohne Opfer hat Simbabwes Armee den Präsidenten entmachtet. Ob er formell noch im Amt ist oder tatsächlich abgesetzt wurde, blieb zunächst unklar, aber wenn Soldaten in Uniform im Staatsfernsehen erklären, sie hätten nicht geputscht, sondern würden nur gegen Kriminelle vorgehen und dem Präsidenten gehe es gut – dann hat ganz offensichtlich eine militärische Machtübernahme stattgefunden. Mugabe ist nicht mehr Herr seines Schicksals.
Für Simbabwe kann das nur gut sein. Immer war klar, dass Mugabe nicht freiwillig von der Macht lassen würde. Er hat jede Gelegenheit zur Wahlfälschung genutzt, er hat alles getan, um an der Macht zu kleben. Was die Simbabwer daran hinderte, sich dagegen zu wehren, war die Angst vor einem großen Blutvergießen, denn jeder im Land weiß, zu welchen Massakern die Armee fähig ist. Der einzige Weg zum friedlichen Umsturz ging über die Armee selbst. Und die hat sich erst jetzt zum Eingreifen durchgerungen, als klar wurde, dass die nach ganz oben strebende, aber bei den historischen Befreiern verhasste First Lady kurz vor ihrem Ziel stand.
Dies ist aber kein Putsch junger Reformer, die sich an die Spitze einer gesellschaftlichen Veränderung stellen. Es ist allem Anschein nach zunächst einmal ein Coup der alten Garde, die ihre Haut retten will, wenn der Zerfall des Systems einsetzt. Und die historische Staatspartei bleibt an der Macht, nur neu sortiert. Von daher ist nicht ausgemacht, dass jetzt die Wende zum Guten eintritt. Es kann auch eine neue Diktatur folgen. Oder es gibt um sich greifende Wirren, was eine Intervention Südafrikas nach sich ziehen würde.
Es kann aber auch ein friedlicher politischer Übergang in eine neue politische Ära beginnen. Mit Mugabe war jeder politische Fortschritt unmöglich. Ohne ihn wird plötzlich alles möglich. Das ist die historische Dimension dieses Moments.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestellerautor will in den Bundestag
Nukleare Drohungen
Angst ist ein lautes Gefühl
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland