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AfD-ParteitagViel Verdrängung und ein Kniefall vor Höcke

Gareth Joswig
Kommentar von Gareth Joswig

Geschichtsverdrehung und Nationalradikalismus – das war der Parteitag, der Alice Weidel zur AfD-Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl kürte.

Beim Parteitag tobt der Rechtsradikalismus: Alice Weidel nach ihrer Nominierung als Kanzlerkandidatin Foto: Matthias Rietschel/reuters

D ie Realität spielt auf einem AfD-Parteitag kaum eine Rolle: Die Klimakatastrophe existiert nicht, Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine wird mit keiner Silbe verurteilt, man hört infame revisionistische Geschichtsverdrehungen. Ein hochrangiger Funk­tio­när bewegte sich im Beisein mehrerer Journalisten an der Grenze zur Holocaustleugnung. Der abgewandelte SA-Spruch „Alice für Deutschland“ ist nun das Wahlkampfmotto von Alice Weidel.

Was die Delegierten hier interessiert, ist der autoritäre Rückbau der Gesellschaft. Das einzig Fortschrittliche und Positive an diesem Parteitag war, dass er trotz Kälte und dem Rückzug in die sächsische Kleinstadt Riesa mehrere Stunden blockiert wurde. Die gesamtgesellschaftliche Ablehnung dieser autoritär-nationalradikalen Bewegung war so auch als Widerspruch in der Parallelrealität der Multifunktionshalle von Riesa zu spüren. Umso problematischer ist dabei der harte Repressionskurs der Polizei, die mit unverhältnismäßiger Gewalt knüppelte, pfefferte und sogar einen parlamentarischen Beobachter der Linken bewusstlos schlug.

Die AfD ist weiter auf einem strammen Radikalkurs. Bei Abstimmungen über das Fami­lien­bild im Wahlprogramm wird da auch schon mal die frisch gekürte Spitzenkandidatin in ­Mitleidenschaft ­gezogen: „Familie ist das, wo ein Mann und eine Frau gemeinsam Kinder bekommen“, sagte eine Delegierte, alles andere sei „Gesellschaftsverwahrlosung“. Sie bekam kräftigen Applaus.

Danach wurde das reaktionäre Fami­lien­bild der AfD wiederhergestellt, das auch die gleichgeschlechtliche Partnerschaft der Spitzenkandidatin explizit ausschließt, die mit Ehefrau und zwei Kindern in der Schweiz lebt. Im Pro­gramm­entwurf des Bundesvorstands waren gleichgeschlechtliche Lebensmodelle erstmals einbezogen. Doch in Riesa flog das hochkant und einstimmig aus dem Programm raus. Weidel verließ direkt danach die Halle.

Es war nicht das einzige Zugeständnis, das die Spitzenkandidatin der AfD diese Woche machen musste. Erst biederte sie sich dem Techmilliardär und autoritären Verstärker Elon Musk für die Reichweite an, der weiter disruptiv in den deutschen Wahlkampf und in liberale Demokratien überall auf der Welt eingreift. Dann buckelte Weidel in ihrer Rede vor Höcke, lobte ihn persönlich und baute explizit den völkischen Euphemismus „Remigration“ in ihre auch sonst scharfe Rede ein. Es ist ein antidemokratischer Kniefall, der vor allem mit Blick auf die hohen Umfragewerte Sorgen macht. Was erwartet wurde, ist passiert: Nach Trump-Wahl und FPÖ-Sieg setzt sich auch in der AfD der Weg der maximalen Radikalität durch.

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Gareth Joswig
Redakteur Inland
Arbeitet seit 2016 als Reporter und Redakteur bei der taz. Zunächst in den Lokalredaktionen von Bremen und Berlin, seit 2021 auch im Inland und Parlamentsbüro. Davor Geschichts- und Soziologiestudium. Themenschwerpunkte: extreme Rechte, AfD, soziale Bewegungen, Mietenpolitik, dies, das, verschiedene Dinge.
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2 Kommentare

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  • Frau Weidel sieht nicht, dass sie nur Steigbügelhalterin für Höcke & co ist. Höcke hat verstanden, dass die AfD 2025 noch keine Chance haben wird. Er lässt sich Zeit und wartet, dass Weidel sich vor ihrer radikalen Parteibasis disqualifiziert. Außerdem nützt ihm dann auch der Schlamassel, den uns Trump bereitet hat.

  • Trotzdem wird AW der Kniefall nicht nützen! Ich hatte schon ein paar Mal in Kommentaren meine Vermutung geäußert, dass AW spätestens 2029 gestürzt und durch die wahren Mächtigen in der Partei ersetzt werden könnte. Da sie einen weiteren Wohnsitz in der Schweiz hat, kann sie sich der Einflusssphäre von Höcke etc. entziehen; wir haben überwiegend keine solche Ausweichmöglichkeit.