piwik no script img

Merz’ GipfelwocheWer bin ich?

Anastasia Zejneli
Kommentar von Anastasia Zejneli

Trump-Flüsterer, europäische Führungskraft, steigende Umfragewerte zuhause: Für Bundeskanzler Friedrich Merz scheint alles zu klappen. Aber das stimmt nicht.

Fühlt sich wohl im Kreis der Hardliner: Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) während des EU-Gipfels in Brüssel, am 26.6.2025 Foto: Geert Vanden Wijngaert/AP/dpa

E s läuft gut für Bundeskanzler Friedrich Merz. Seine Umfragewerte steigen, der erste Nato-Gipfel in Den Haag endete mit einer Einigung auf historisch höchste Verteidigungsausgaben, und auf dem EU-Gipfel in Brüssel hat er sich „ausgesprochen wohlgefühlt“. Transatlantiker, Europäer, Bundeskanzler – das scheint zu passen. Doch der Eindruck täuscht.

Auf dem Nato-Gipfel wurde Merz mit offenen Armen empfangen. Bereits das von der Ampel angestoßene Sondervermögen Bundeswehr, mit dem Deutschland 100 Milliarden investieren will, begeistert die Nato-Partner. Dass Deutschland unter seiner neuen Regierung erhöhte Verteidigungsausgaben von der Schuldenbremse ausklammern will, löst erst recht Freude aus.

Vor Ort mauserte sich Merz zum kleinen Star des Gipfels. Zu verdanken hat er das auch Finanzminister Lars Klingbeil, der kurz vor Den Haag die deutsche Haushaltsplanung bis 2029 vorstellte. 152,8 Milliarden Euro sollen 2029 in die Verteidigung fließen, ganz zufällig sind es 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Streber Deutschland will die neue Nato-Zielmarke für klassische Militärausgaben sechs Jahre früher erreichen als vereinbart. Der US-Botschafter bei der Nato lobte Deutschlands Führungsrolle bei der europäischen Aufrüstung – Musik in Merz’ Ohren.

Der Kanzler betont zwar, dass die Aufrüstung eine Reaktion auf die Bedrohung durch Russland sei. Doch klar ist: Ohne die Forderungen von US-Präsident Donald Trump wäre das neue 5-Prozent-Ziel in Europa nie Thema geworden. Der Gipfel zeigte auch, wie groß die Abhängigkeit von den USA bleibt. Weder Merz noch ein anderer europäischer Staatschef konnte Trump auf Augenhöhe begegnen.

Für Trump kritisiert Merz selbst von der Leyen

Ein Zeichen dafür ist auch die Nato-Abschlusserklärung, in der die Ukraine im Gegensatz zum Vorjahr kaum eine Rolle spielt – besonders bitter für Merz, der vor dem Gipfel in einer Regierungserklärung noch betonte, die Ukraine „kraftvoll“ unterstützen zu wollen.

Auch auf der Brüsseler Bühne gelang Merz seine Inszenierung als Führungskraft in Europa nur bedingt. Die EU sendet momentan nur Signale der Verzweiflung: Ein neues Sanktionspaket scheiterte, wie zuvor erwartet, an der Slowakei. Um sich von Altkanzler Olaf Scholz abzugrenzen, nahm Merz an einem Frühstück der Hardliner teil, die eine schärfere Migrationspolitik fordern, einer Runde also, die man besser meiden sollte.

Merz nutzte den Gipfel auch, um EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen für ihre Strategie in den Verhandlungen mit den USA zu kritisieren. Er fordert schnelle Handelslösungen, die besonders der deutschen Wirtschaft Entlastungen bringen würden. Die EU-Kommission setzt hingegen auf ein umfassenderes Abkommen, das Zölle beiderseits abschaffen soll. Dabei ist von der Leyen auf einer Linie mit Frankreich, was zu Spannungen führen könnte.

Merz muss bald klären, welche Interessen er vertreten will. Transatlantiker, Europäer und Bundeskanzler zugleich, das passt derzeit doch nicht so gut zusammen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Anastasia Zejneli
Redakteurin
Jahrgang 1999, studierte Wirtschaftspolitischen Journalismus in Dortmund und gründete ein Kulturmagazin für das Ruhrgebiet. War Taz-Volontärin und arbeitet aktuell im Europateam. Schreibt in der Kolumne "Economy, bitch" über Popkultur und Wirtschaft.
Mehr zum Thema

15 Kommentare

 / 
  • // Streber Deutschland will die neue Nato-Zielmarke für klassische Militärausgaben sechs Jahre früher erreichen als vereinbart.

    Planziele sollte man sich auch setzten. Ob das dann klappt hängt von der Industrie ab die ja auch liefern können muss. Meines Erachtens wird das so ausgehen wie bei dem Ziel der E-Autos in Deutschland.

  • “Merz’ Gipfelwoche Wer bin ich?“



    Und wenn ja? Wieviele?

    Eins ist jedenfalls sicher - er begegnet immer gern & verläßlich seinem größten Gegner - siin



    👄 •

    unterm——



    Dank & ©️ geht an den andrerem Friederich wa!



    Küppersbusch 💐

  • Hinten kackt die Ente. Merz ist ein Getriebener, kein Stratege. Ein unsympathischer, empathieloser Ideologe irgendwo zwischen Wirtschaftsliberal und Libertär mit einem krankhaften Ego. Kein Demokrat. Was er heute erzählt interessiert ihn Morgen nicht mehr. Der Zündet hier die Hütte an.

  • Ein Zeichen von Stärke war, als sich Schröder den USA widersetze, ein Zeichen der Schwäche ist, vor Donald zu buckeln ...

    • @Pico :

      Ach was! Loriot

      “Ein Zeichen von Stärke war, als sich Schröder den USA widersetze,…“



      Das ist eine Legende •



      Gut - die darin verpeilte Angie wollte gar mit Freund Dubbelju mitmarschieren - lassen!



      Aber - wider alle Öffentlichkeitstäuschung Schröder/Fischer (dem Weltpolitiker©️ Peter Unfried) um die anstehende Wahl zu gewinnen



      Schland 🇩🇪 war Kriegspartei .•



      “Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat sich im Zusammenhang mit dem Irakkrieg mit mehreren Fällen befasst, insbesondere mit der Rechtmäßigkeit der deutschen Unterstützung und der Befehlsverweigerung eines Soldaten. Das Gericht stellte fest, dass gravierende rechtliche Bedenken gegen die völkerrechtliche Zulässigkeit der deutschen Unterstützung des Irakkriegs bestehen.



      & Butter bei die 🎣



      Fall Florian Pfaff:



      Der Fall des Bundeswehrmajors Florian Pfaff, der wegen Befehlsverweigerung im Zusammenhang mit dem Irakkrieg gemaßregelt wurde, spielte eine Rolle. Das Gericht gab Pfaff Recht und stellte fest, dass er sich nicht an eine rechtswidrige Verpflichtung halten musste.“ Eben •



      (btw interessierte CChoch2er insistierten;



      Es dürften nur noch Gediente in den WehrDienst-Senat! Gewaltenteilung - wat issen nu wieder ditte? - wa!

  • Vielleicht darf man nicht die gewohnten Maßstäbe an Merz anlegen: Er ist das genaue Gegenteil von Merkel.



    Während Merkel immer alle Entscheidungen wie eine Schachspielerin bis zum letzten Zug durchdacht aber nie erschöpfend erklärt hat, reicht Merz Planung nur um die nächste Ecke und er schwafelt uns täglich zu. Es kommt da ganz auf die aktuelle Stimmung bei ihm selbst und in seiner Gang an. Bei Merkel hat man erst nach Jahren gemerkt, dass sie trotz ihrer Liebe zur Macht eiserne Prinzipien hatte. Bei Merz ist es umgekehrt, man merkt langsam, dass sein oberstes Prinzip ist: Was schert mich mein Geschwätz von gestern? Es wird bei Merz am Ende vielleicht nicht alles so heiß gegessen wie gekocht.

    • @hedele:

      Das einzige was Merkel durchdacht hatte waren Wege, noch etwas länger auf ihrem Posten zu kleben.



      Sonst müsste man mir mal jene genial durchdachte Strategie erklären, welche hinter einigen größeren Entscheidungen steht. Da wären zum Beispiel:



      -AKWs abschalten und einfach mit Kohle weitermachen, trotz Klimawandel (insbesondere, da sie Physikerin ist)



      -Nordstream2 trotz Warnungen Osteuropäischer Länder inkl. Ukraine



      -keine Sanktionen gegen Russland nach Annektion der Krim



      -Zensur vom Armuts und Reichtumsbericht weil die Schere zwischen Arm und Reich immer größer wurde ("...den Boten ermorden")



      - die geniale Idee, Geld zu sparen indem man essentielle Dinge nicht repariert, chapeau!



      - Rentenreform liegenlassen, Digitalisierung, Gesundheitssystem eigentlich jedes Problem was seit 20 Jahren echt mal hätte angegangen werden müssen



      -rechtsextremes Personal wie Maaßen und Seehofer, korruptes Personal wie vdL und Amthor



      -vdL in die EU abschieben, wo sie noch heute Geld verschwendet, Autokraten den Bauch pinselt und weiter erfolgreich der Korruption fröhnt



      -Hier ist Platz für Ihren Lieblingsschachzug, meine Zeichen gehen zur Neige-

      • @Genosse Luzifer:

        Sehr gut.

    • @hedele:

      Nicht übel als kurze Analyse!

    • @hedele:

      Der Fritze war schon immer ein Schaumschläger.

    • @hedele:

      Puuh. Alle Marketingphrasen der letzten 30 Jahe zu Merkel nachgeplappert. Merkel war und ist Opportunistin, deren oberstes Prinzip der eiserne Wille zur Macht war. Protegiert von Springer und Bertelsmann.



      Merz ist vom Ergebnis verblüffend ähnlich. Er ist nur scheinbar auch Staatsschauspieler und hat das Kapital und große Teile der Medien auf seiner Seite. Welche Figur in der Shakespeare-Welt von Robert Misik er verkörpert, ist mir allerdings völlig unklar. Er ist wohl nur Friedrich Merz.



      taz.de/Trump-Netanjahu-und-Co/!6093002/

    • @hedele:

      Volle Zustimmung, außer bei dem Wort "langsam".

    • @hedele:

      Und ist es nicht ein ungemein beunruhigendes Gefühl, dass so jemand unser Land führt?

    • @hedele:

      Wo trifft Merz denn Entscheidungen ?

  • Verdienste sollten nicht kleingeredet werden. Was ich bei Merz jedoch befürchte, das ist die ggf stille Rückkehr der hässlichsten Fratze der neoklassischen bzw neoliberalen Gedankenwelt. Erkennen kann man dies bereits an den Ideen, jeweils in anderem Gewandt, gegen Armut vorzugehen und die s.g. Superreichen nicht ausreichend zur Verantwortung für Umweltschutz und Steuergerechtigkeit, s. zB Stromsteuersenkung, zu ziehen.