Kommentar Urteil zur Kükenzucht: Die GroKo muss das Töten verbieten
Nun steht fest: Männliche Hühnerküken dürfen nicht geschreddert werden. Doch das Urteil enttäuscht. Wann das Töten tatsächlich ein Ende hat, ist unklar.
D as Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum Töten männlicher Hühnerküken von Legehennen-Rassen ist enttäuschend. Die Richter haben zwar festgestellt, dass man Hähnchen nicht einfach umbringen kann, weil man unbedingt eine Rasse halten will, die extrem viele Eier legt, aber eben kaum Fleisch ansetzt. Es ist sicherlich berechtigt, dass die Richter den Brütereien eine Gnadenfrist bis zum Ende des Kükentötens gewähren. Aber: Das Gericht hat leider nicht festgelegt, wann diese Übergangsphase auslaufen soll.
Deshalb geht das Töten wohl noch lange weiter. Ob im nächsten Jahr den Brütereien tatsächlich eine Maschine zur Geschlechtserkennung im Ei zur Verfügung stehen wird, ist noch ungewiss. Unklar ist auch, ob ein Verbot des Kükentötens vor Gericht Bestand hat, wenn, wie derzeit absehbar, nur eine Firma – also ein Monopol – so eine Maschine anbietet.
Deshalb muss die Koalition aus CDU/CSU und SPD im Tierschutzgesetz festschreiben, bis wann das Kükentöten aufhören muss. Diese Frist muss kurz sein, denn es gibt bereits Alternativen auf dem Markt. Zum Beispiel Zweinutzungshühner, also Rassen, die sowohl Eier als auch Fleisch in brauchbaren Mengen produzieren. Ja, diese Hühner sind nicht so wirtschaftlich wie hochspezialisierte Rassen. Aber die Bauern müssten laut Modellrechnungen zum Beispiel nur 3,5 Cent mehr pro Ei bekommen, um ihre Mehrkosten wettzumachen. So viel muss uns unser Gewissen schon wert sein.
Auf keinen Fall sollte die Koalition mit dem Verbot der Kükentötung warten, bis die Geschlechtserkennung im Ei serienreif ist. Die Agrarindustrie will diese Methode, damit sie möglichst wenig ändern muss. Genau das ist der Fehler. Wir müssen weg vom System der Massentierhaltung, die unsere Mitgeschöpfe völlig dem eigenen Profitstreben unterordnet. Weg von Rassen, die so spezialisiert gezüchtet sind, dass die Hälfte der Tiere „entsorgt“ wird.
Zweinutzungshühner sind die Lösung
Die Geschlechtserkennung im Ei würde den nötigen Systemwechsel in der Geflügelhaltung verhindern. Es ist ethisch gesehen nicht viel besser, systematisch alle männlichen Eier wegzuwerfen, als alle männlichen Küken kurz nach dem Schlüpfen zu töten. Schließlich geht es hier um rund 42 Millionen Eier pro Jahr.
Zweinutzungshühner sind auch gesundheitlich weniger anfällig. Die derzeit üblichen Turbohühner leiden unter hohen Sterblichkeitsraten, an zu geringer Knochenfestigkeit und an Eileiterentzündungen.
Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) muss jetzt schnell einen Gesetzentwurf gegen das Kükentöten vorlegen. Je früher sie das macht, desto größer ist die Chance, dass die Agrarindustrie nicht auf die unsinnige Geschlechtserkennung im Ei umsteigt – sondern eine ganzheitliche Lösung wie die Zweinutzungsrassen wählt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW