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Kommentar Urteil zur KükenzuchtDie GroKo muss das Töten verbieten

Jost Maurin
Kommentar von Jost Maurin

Nun steht fest: Männliche Hühnerküken dürfen nicht geschreddert werden. Doch das Urteil enttäuscht. Wann das Töten tatsächlich ein Ende hat, ist unklar.

Einmal vegetarischen Kükensalat bitte. Wird ihnen die Schreddermaschine bald erspart? Foto: imago-images/Blickwinkel

D as Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum Töten männlicher Hühnerküken von Legehennen-Rassen ist enttäuschend. Die Richter haben zwar festgestellt, dass man Hähnchen nicht einfach umbringen kann, weil man unbedingt eine Rasse halten will, die extrem viele Eier legt, aber eben kaum Fleisch ansetzt. Es ist sicherlich berechtigt, dass die Richter den Brütereien eine Gnadenfrist bis zum Ende des Kükentötens gewähren. Aber: Das Gericht hat leider nicht festgelegt, wann diese Übergangsphase auslaufen soll.

Deshalb geht das Töten wohl noch lange weiter. Ob im nächsten Jahr den Brütereien tatsächlich eine Maschine zur Geschlechtserkennung im Ei zur Verfügung stehen wird, ist noch ungewiss. Unklar ist auch, ob ein Verbot des Kükentötens vor Gericht Bestand hat, wenn, wie derzeit absehbar, nur eine Firma – also ein Monopol – so eine Maschine anbietet.

Deshalb muss die Koalition aus CDU/CSU und SPD im Tierschutzgesetz festschreiben, bis wann das Kükentöten aufhören muss. Diese Frist muss kurz sein, denn es gibt bereits Alternativen auf dem Markt. Zum Beispiel Zweinutzungshühner, also Rassen, die sowohl Eier als auch Fleisch in brauchbaren Mengen produzieren. Ja, diese Hühner sind nicht so wirtschaftlich wie hochspezialisierte Rassen. Aber die Bauern müssten laut Modellrechnungen zum Beispiel nur 3,5 Cent mehr pro Ei bekommen, um ihre Mehrkosten wettzumachen. So viel muss uns unser Gewissen schon wert sein.

Auf keinen Fall sollte die Koalition mit dem Verbot der Kükentötung warten, bis die Geschlechtserkennung im Ei serienreif ist. Die Agrarindus­trie will diese Methode, damit sie möglichst wenig ändern muss. Genau das ist der Fehler. Wir müssen weg vom System der Massentierhaltung, die unsere Mitgeschöpfe völlig dem eigenen Profitstreben unterordnet. Weg von Rassen, die so spezialisiert gezüchtet sind, dass die Hälfte der Tiere „entsorgt“ wird.

Zweinutzungshühner sind die Lösung

Die Geschlechtserkennung im Ei würde den nötigen Systemwechsel in der Geflügelhaltung verhindern. Es ist ethisch gesehen nicht viel besser, systematisch alle männlichen Eier wegzuwerfen, als alle männlichen Küken kurz nach dem Schlüpfen zu töten. Schließlich geht es hier um rund 42 Millionen Eier pro Jahr.

Zweinutzungshühner sind auch gesundheitlich weniger anfällig. Die derzeit üblichen Turbo­hühner leiden unter hohen Sterblichkeitsraten, an zu geringer Knochenfestigkeit und an Eileiterentzündungen.

Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) muss jetzt schnell einen Gesetzentwurf gegen das Kükentöten vorlegen. Je früher sie das macht, desto größer ist die Chance, dass die Agrarindus­trie nicht auf die unsinnige Geschlechtserkennung im Ei umsteigt – sondern eine ganzheitliche Lösung wie die Zweinutzungsrassen wählt.

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Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
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19 Kommentare

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  • eine stimme für fdp,cdu,csu,spd oder afd ist eine stimme für die fortsetzung der tierquälerei.tierfreund*innen wählen solche parteien nicht

  • Die Eier sollen also auf männlich-weiblich untersucht werden. Die Untersuchung funktioniert nur, wenn das Ei angebrütet ist. Dann gibt es also angebrütete männliche Eier und angebrütete weibliche Eier. Aus den weiblichen Eiern werden Küken und dann Hennen. Was wird aus den angebrüteten männlichen Eiern? Werden die im Supermarkt verkauft oder werden die zu Flüssig-ei verarbeitet und an die z.B. Nudelindustrie verkauft (Frisch-Ei-Sonntags-Nudeln) ? Ich bezweifele, daß ein Verkauf von ganzen angebrüteten Eiern sehr erfolgreich sein wird, auch nicht von denen, die jetzt so vehement das Kükenschreddern beklagen. Wer sich mit der Materie beschäftigt hat, wird schnell feststellen, daß Kükenschreddern ein Totschlagsargument ist. Die männlichen Küken werden nicht geschreddert, es gibt für intakte männliche Küken einen funktionierenden Markt.

  • taz: "Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) muss jetzt schnell einen Gesetzentwurf gegen das Kükentöten vorlegen."

    Wann begreift der Bürger endlich, dass die CDU nur Politik für die Wirtschaftsbosse macht?

    Julia Klöckner (CDU) verhindert seit geraumer Zeit die Veröffentlichung des 'Gutachten zu Krebsrisiken von Glyphosat'; folglich wird ihr auch etwas einfallen um keinen Gesetzentwurf gegen das Töten von Küken vorlegen zu müssen.

    ***Glyphosat-Gutachten selbst anfragen!***



    fragdenstaat.de/ak...cht-2019/#anfragen

  • "Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) muss jetzt schnell einen Gesetzentwurf gegen das Kükentöten vorlegen."

    Hahahaha...Klöckner?? Die geht lieber mit den Firmenbossen Essen und macht Promotionvideos, winkt Ackergifte am Umweltbundesamt vorbei durch und freut sich wohl auf ihr nächstes Leben in der gut bezahlten Agrarindustrie.



    Dass von DER was kommt soll ja wohl ein schlechter Witz sein.

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Klaus Kleber hat gestern im Heute-Journal (Analoges Fernsehen; ZDF) den Gedanken geäußert, dass, wenn die Sozialhilfe auf Basis der billigsten Preise für Lebensmittel berechnet wird, dass dann der Staat diese Art der industriellen Tierhaltung fördert und fordert und damit am Verstoß gegen das Grundgesetz beteiligt ist.

    Kuschelige Hühnerhaltung könnte Standard sein, wenn das Einkommen der Konsumenten ausreicht.

  • Also wenn das „töten ein Ende hat“ bei den Hähnen, dann leben die Hähne jetzt ein langes, glückliches und artgerechtes Leben und sterben an Altersschwäche - genau so wie sie es sonst wohl „in der Natur“ machen würden, in der alles aufs moralischste hin geregelt ist vom Lieben Gott oder wahlweise Darwin, oder werden die Hähne dann nicht einfach gemästet und später getötet, weil jede Art domestizierter Tierhaltung darauf hinausläuft, dass die die gegen Geld verwertet werden?



    Es wird also genau kein Hahn weniger getötet, sondern das geschieht einfach später und nach einem ebenfalls nicht artgerechten Leben.



    Was wurde durch die Richter und Moralisten gewonnen? Richtig. Nichts.

    Wenn nicht der Gewinn sondern das „Tierwohl“ die Motivation alles Handelns sein muss, dann ist ja wohl *jede Art* von nutztierhaltung nicht ethisch, und das bedeutet, dass die domestizierten Rassen alle aussterben müssen, weil es sie in der Natur ohnehin nicht gibt. Keine Milchkühe, Hausschweine, Legehennen, usw. mehr, nur noch wilde Rassen, die in freien Herden durch unsere Kulturlandschaft ziehen dürfen, in der Konsequenz aber auch keine Schäferhunde und Pudel, die wir uns als angeblich dankbare Haussklaven halten und in unserem Sinne erziehen, sondern nur noch wilde Wölfe - ja selbst keine Honigbiene mehr nur noch „wilde“ Bienen, die wir nicht beklauen (böser Kommerz!) und natürlich auch keine Reitpferde mehr für die Töchter aus besserem Haus. Denn all das findet nur aus einem Grunde statt: Kommerz. Nichts davon dient primär dem Tierwohl, wir reden uns nur ein, dass wir die Tiere gern haben. Aber jemand verdient immer am domestizierten Tier. So ist das. Die Welt ist schlecht. Buhu.



    Ob ich männliche Kücken gleich kille, oder nur etwas später später zum essen, das ist ja wohl nun piepegal. Wenn ich sie erst gar nicht schlüpfen lasse, sondern sie geschlechtlich bestimmt als Föten im Ei töte, dann ist alles gut? Weil „mein Ei gehört mir“, und was vor d. schlüpfen stirbt wurde nicht ermordet?

  • "..Es ist ethisch gesehen nicht viel besser, systematisch alle männlichen Eier wegzuwerfen, als alle männlichen Küken kurz nach dem Schlüpfen zu töten....."



    Wer will denn die Eier "wegwerfen"? Sie können als Eiweissquelle bei der Fütterung anderer Tiere dienen wie Fisch- und Schlachtabfälle, wie es in der Natur auch der Fall ist.

    Ich schätze das die Hälfte der in der Natur gelegten Eier von sogenannten "Nesträubern" (Elstern, Häher Möwen, Füchse, Wiesel, Schlangen etc) in jedem Stadium der Bebrütung geklaut und gegessen werden. Aber diese natürlichen Kreisläufe, an denen wir uns orientieren können und sollten, passen nicht mehr in die Denkwelt heutiger Lebens- und Naturschützer.

  • 7G
    7964 (Profil gelöscht)

    Mit der Überschrift denkt man natürlich zuerst an Waffenexporte und den Overkill.

  • Man könnte aber auch einfach die deutschen Brütereien dicht machen und die Eier stattdessen aus dem Ausland importieren, wo sich niemand dafür interessiert, was mit den männlichen Küken geschieht.



    (Fun Fact: Schon jetzt kommen 30% aller in Deutschland konsumierten Eier aus dem Ausland.)

    • @Harald Müller:

      Wie wäre es damit, vorzuschreiben, dass nur von Betrieben importiert werden darf, die sich an unsere Vorschriften halten?

      Gilt übrigens nicht nur für Eier.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Das wäre im Zweifel ein Problem für die Brüsseler Binnenmarktswächter. Aber die Briten können sich demnächst solche Spezialregeln leisten. Der Brexit ist schon was Tolles... ;-)

        • @Normalo:

          Gut, dass Sie eine gewähltere Ausdrucksweise wählen wie ich es tat, somit bleibt Ihnen die Löschung wohl erspart.

          Um es sachlich auszudrücken, ist dies eben eines der vielen Probleme, für die die EU sorgt. Tierschutz wird nicht einstimmig verabschiedet werden können, also werden wir dank dieser EU weiter geschredderte Küken haben. Tatsächlich scheint es so, dass diejenigen, die sich wirklich für Tierschutz einsetzen, die Briten als Vorbild nehmen müssen.

        • @Normalo:

          Natürlich wäre in erster Linie die EU zuständig. Dort setzt man aber immer noch auf völlig schrankenlosen Handel. Dabei wäre es sinnvoll, Umweltsünden, Sozialdumping usw. in anderen Ländern, durch entsprechende Zölle auszugleichen. Das würde auch für einen fairen Wettbewerb sorgen...

    • @Harald Müller:

      Kommentar gelöscht. Bitte bleiben Sie sachlich. Die Moderation

  • Dabei haben sie soviel gemeinsam, als das man mehr Einsicht erwartet hätte, die GroKo und die angehenden männlichen Hühnerküken. Beiden droht auch in Zukunft der sichere Tod.

  • Volle Zustimmung.

  • Die Empörung ist lächerlich. Als wären weibliche Hühner privilegiert, weil sie ein paar Monate auf 0,05m² vegetieren, um letztlich ebenfalls umgebracht zu werden. Die Netto-Lebensqualität eines Huhns in der Massentierhaltung ist so offensichtlich negativ, dass ein möglichst früher Tod aus utilitaristischen Gründen wünschenswert ist. Die Vernichtung im Embryonalstadium wäre noch besser.

    Am allerbesten wäre es, die Tiere würden gar nicht erst hergestellt, weil alle Menschen Veganer werden. Wer aber kein Problem darin sieht, fühlende Wesen fabrikmäßig zu halten und ihre Leichen zu Genussmitteln zu verarbeiten, der soll sich nicht einreden, dass wir diesen Tieren mit dem Leben ein "Geschenk" machen, und dass es unmenschlich ist, dieses Leben nach wenigen Stunden (statt nach einigen schlimmen Monaten) zu beenden.

    • 9G
      98589 (Profil gelöscht)
      @Thomas Friedrich:

      Stimmt, leider!

    • @Thomas Friedrich:

      Sie haben ja eine gesunde, brutale Einstellung :-)