Kommentar TTIP-Verhandlungen: Endspiel mit ungewissem Ausgang
Die Chancen für TTIP und Ceta stehen schlecht, die Verhandlungspartner streiten. Doch der Einfluss der Befürworter ist nicht zu unterschätzen.
S ind die Deutschen komplett bescheuert? Je nach Studie hängen bis zu 10 Millionen Jobs vom Export ab – fast jeder vierte. Egal ob Siemens oder VW, die Deutsche Bank oder der schwäbelnde Maschinenbauer: Alle scheffeln mit Made in Germany Milliarden Euro im Ausland. Ist es da nicht völlig aberwitzig, wenn gerade die Bürger der Exportweltmacht so viel Skepsis gegenüber TTIP und Ceta hegen? Die EU-Abkommen sollen doch „nur“ den Handel mit den USA und Kanada ankurbeln.
Wahrscheinlich bereiten einige Freihandelsskeptiker schon die Siegesfeiern vor. Am kommenden Montag beginnt die nächste TTIP-Verhandlungsrunde in Brüssel. Eigentlich sollte das Abkommen dann unterschriftsreif sein, vom „TTIP-Endspiel“ ist die Rede. Doch Amerikaner und Europäern zicken sich an.
Es klingt, als ob beide Seiten ihr „Endgame“ verlieren. Für Ceta sieht es ähnlich mau aus: Nach viel Tamtam will die EU-Kommission den Pakt mit Kanada nun doch auch von den nationalen Parlamenten des Kontinents ratifizieren lassen. Müsste das heute geschehen, wäre Ceta wohl wegen Vorbehalten in mehreren Ländern mausetot.
Doch Politik, Großkonzerne und ihre Lobbys trommeln auf beiden Seiten des Atlantiks weiter für die Abkommen. Man sollte sie nicht unterschätzen. Dafür einfach mal selber knallhart nachkalkulieren. Beispiel Ceta: Selbst dessen Befürworter rechnen nur mit einem Minizuwachs des Pro-Kopf-Einkommens in Deutschland durch Freihandel mit Kanada: In 15 Jahren sollen es 0,19 Prozent mehr sein. 2031 wären das 80 Euro pro Nase im Jahr.
Endspiel um TTIP, Ceta in der Krise: Die Entscheidung über die Freihandelsabkommen der EU steht bevor. Am 11. Juli beginnt die letzte TTIP-Verhandlungsrunde in Brüssel. Ob es tatsächlich zu einem abschließenden Ergebnis kommt, ist völlig offen.
Bei TTIP sind die Prognosen ähnlich winzig. Ist es das wert? Nein. Europas Handel mit den USA und Kanada floriert. Für das Zwergenwachstum dürfen wir nicht unsere Sozial-, Verbraucher- und Umweltstandards riskieren, Gerichtsbarkeit und Demokratie aushöhlen lassen. Es spricht wenig gegen geringere Zölle und gleiche Standards für Autoblinker. Aber der Großteil der Abkommen gehört in die Tonne. Die Skeptiker sollten sich gerade in dieser heißen Phase nicht einreden lassen, sie seien hysterisch. Ihre Kritik ist nicht bescheuert, sondern logisch. Es geht um Europas Werte.
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