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Gewerkschaft für FreihandelsabkommenCeta und Mordio bei der IG BCE

Bis vor Kurzem protestierte man noch gemeinsam gegen Ceta. Nun fällt Gewerkschaftschef Michael Vassiliadis den Kollegen vom DGB in den Rücken.

Protest gegen das europäisch-kanadische Freihandelsabkommen Ceta im Mai Foto: dpa

Berlin taz | Im Gewerkschaftslager gibt es Streit über das umstrittene europäisch-kanadische Handelsabkommen Ceta. Der Vorsitzende der Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) Michael Vassiliadis drängt auf eine Zustimmung zu dem Abkommen. Er stellt sich damit gegen den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), in dem die IG BCE das drittgrößte von acht Mitgliedern ist. Noch im Juni hat der Bundesvorstand des DGB die Unterstützung der Stopp-Ceta-Protestaktionen in sieben Städten am 17. September einstimmig beschlossen – mit der Stimme der IG BCE.

Ceta gilt als Vorläufer für das ebenfalls umstrittene Handelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA. Während die Verhandlungen über TTIP nicht vorankommen, ist der Vertragstext zu Ceta fertig und steht zur Ratifizierung im EU-Parlament und den Mitgliedsstaaten an. Viele Kritiker fürchten, dass mit Ceta die Industrie an Macht gewinnt und Standards für Verbraucher sinken. Bei den Protesten spielen Gewerkschaften eine wichtige Rolle.

In einem Interview hatte Vassiliadis nicht nur gesagt, Ceta sei insgesamt ein gutes Abkommen. Er warnte auch die Gewerkschaften davor, in „einem emo­tio­nalen Kampagnenmodus“ gefangen zu bleiben. „Wir sollten Ceta zustimmen“, forderte er. Der Gewerkschaftsboss begründete das mit Zollsenkungen, die Arbeitsplätze in Deutschland sichern, und der Sicherung europäischer Standards etwa bei der Zulassung von Chemieprodukten.

Das sei nicht nur seine persönliche Meinung, sondern die der IG BCE, sagte eine Sprecherin der IG BCE. Mehr wolle man zu dem Thema nicht sagen. Für Fragen stand Vassiliadis nicht zur Verfügung.

Druck aus der SPD

Mit seiner Position fällt der IG-BCE-Chef den Gewerkschaften massiv in den Rücken. Trotzdem will sich der DGB nicht dazu äußern. Man bewerte die Aussagen von Vorsitzenden der Einzelgewerkschaften nicht, sagte eine Sprecherin des DGB. Es gäbe aber keinen Anlass, die grundsätzliche Kritik an Ceta zurückzunehmen. Die Proteste gegen das Abkommen würden wie vorgesehen unterstützt.

Bei den Protestkundgebungen im September werden auch Vertreter von DGB und Einzelgewerkschaften sprechen, sagte Ernst-Christoph Stolper vom Stopp-TTIP-Bündnis. Stolper geht davon aus, dass Vassiliadis’ Kehrtwende mit dem Streit in der SPD über die Abkommen zusammenhängt. „Teile der SPD üben massiven Druck auf die Gewerkschaften aus“, sagte er. SPD-Chef und Bundeswirtschaftsminister Gabriel befürwortet TTIP und Ceta, weite Teile der SPD sind aber dagegen. Im September wird die SPD bei einem Konvent über ihre Haltung zu Ceta entscheiden. „Da kann es nicht schaden, wenn sich im Vorfeld ein Gewerkschafter für Ceta ausspricht“, sagte Stolper.

Die FreihandelsgegnerInnen glauben nicht, dass der Umschwung der IG BCE ihrer Kampagne schadet. „Wir sind auf einem guten Weg, Ceta zu verhindern“, sagte Stopp-TTIP-Aktivistin Nelly Grotefendt. „Da wird die IG BCE auch nichts mehr dran ändern.“

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7 Kommentare

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  • Immerhin wenigstens *eine* Gewerkschaft hat realisiert, dass mit Abschottung, Protektionismus und Isolation der EU höchstens kurzfristig gepunktet werden kann, langfristig aber Wohlstand und Arbeitsplätze den Bach runtergehen.

    • @TurboPorter:

      Bisher sind Wohlstand und Arbeitsplätze immer noch nach dem unterzeichnen von Frei Handelsverträgen verloren gegangen.

       

      Erklären sie doch einmal warum jetzt gerade bei CETA und TTIP alles ganz anders kommen soll als bi den letzten hundert Verträgen der gleichen Art?

  • Man kann sich nur wünschen, dass die IGBCE Mitglieder massenhaft austreten! [...] Diese Abkommen sind ein Verbrechen gegen die Völker! [...] Diese Taten sind unentschuldbar und gegen jede Logik! Solche Abkommen wie CETA; TTIP; TISA oder die EPA mit Afrika, dienen nur der Ausbeutung der Völker und Festschreibung der Kapitalinteressen und der Macht weniger! Die Staaten legen sich selbst Fesseln an. Wie blöd kann man das als Bürger finden? Saublöd! Wieso machen die das, die doch zum Wohle des Volkes entscheiden sollen? Mit Lügen und Korruption, erklimmen sie ungestraft die Höhen des Schurken-Olymps. Das muss ein Ende finden. Diese unsäglichen Lügen darf man ihnen nicht durchgehen lassen! Das Wirtschafts-und Finanz-System hangelt sich von Krise zu Krise, es ist unübersehbar, dass dessen Anfang vom Ende gekommen ist! Die Welt liegt unübersehbar in Trümmern. Es gibt Wichtigeres zu tun, als denen die nicht mehr wissen wohin mit der Kohle, noch mehr die Taschen zu füllen und die Gesellschaften in eine nie gekannte Abhängigkeit zu treiben!

     

    Beitrag gekürzt. Bitte bleiben Sie sachlich.

    • @mundomejor:

      "Die Staaten legen sich selbst Fesseln an. Wie blöd kann man das als Bürger finden? Saublöd!"

       

      Dass Staaten sich selbst "Fesseln anlegen", dass sie ihre Macht beschränken und einschränken, ist das Wesen aller Demokratien. Es sind Diktaturen, in denen die Staatsmacht entfesselt und entgrenzt ist.

  • 6G
    64938 (Profil gelöscht)

    ... waren das nicht auch diejenigen, die (angeblich) wegen der Arbeitsplätze immer die Kernenergie verteidigt haben.

    Mit anderen Worten: Man weiß doch, wo diese Leute stehen....

    Und auch, das die sich später nicht für die Arbeitslosen zuständig fühlen,, die das Resultat von CETA und TTIP sein werden. Sind ja nur Gewerkschaftsmitglieder zuständig...

  • Die IG-BCE ist die ehemalige IG Chemie und war entscheidend dabei aktiv, den selbständigen Streik der ArbeiterInnen bei Neupack in Rottenburg/ Wümme und in Hamburg zu brechen: zu erst mit einem "Flexistreik" und nicht ernstgemeinten Versprechen und dann mit einer Begleitung mit Fackeln zur Frühschicht.

    Das Ziel der Streikenden, einen Tarifvertrag für alle dort Arbeitenden, wurde nicht erreicht und u.a. durch die Sabotage der IG-BCE verhindert.

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    Vassiliadis und die ganze IG BCE stehen in der besten Tradition von Hubertus Schmoldt.

     

    Schmoldt? U.a. der Typ, der mit anderen 2 "Arbeitnehmervertretern" die berüchtigte Initiative "Zukunft des Sozialstaates heißt: Ja zu Reformen!" gegründet hatte, um seinem neocon Buddy Schröder bei der Einführung von HartzIV eine gewerkschaftliche Flankierung zu besorgen.

     

    Was macht Schmoldt heute? U.a. Mitglied (sorry, Policy Fellow) im Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) - einem pseudounabhängigen Institut, das mit Vorliebe die entsprechenden Studien für INSM erstellt.

     

    Und die beiden anderen Reformeiferer?

     

    Norbert Hansen - damals Transnet - in der Rolle der 5. Kolonne des Arbeitgebers

    Franz-Josef Möllenberg - damals NGG, später Beirat bei Nestle