Kommentar Spaniens Regierungswechsel: Vergeltung statt Verantwortung
Die aus der Regierung verbannte Partido Popular verzockt nicht nur ihre Glaubwürdigkeit in Spanien, sondern auch die des Landes in der EU.
E s ist ein groteskes Schauspiel, das die per Misstrauensvotum aus der spanischen Regierung verbannten Partido Popular (PP) bietet. Die Konservativen stellen in der zweiten spanischen Kammer, dem Senat, Änderungsanträge gegen den Haushalt, den sie mit Mühen selbst durch die erste Kammer, den Kongress, gebracht hatte. Sie begründen dies damit, dass sie jetzt keinerlei Verpflichtungen mehr hätten. Mit ihrer absoluten Mehrheit im Senat wird die PP aus dem Haushalt Posten für Investitionen im Baskenland streichen. Die rechtsliberalen Ciudadanos ziehen mit.
Was als „Allgemeininteresse“ verkauft wird, ist nicht anderes als ein übler Vergeltungsschlag. Denn die Basken stimmten zwar für den Haushalt, aber nur eine Woche später auch für das Misstrauensvotum gegen PP-Chef Mariano Rajoy. Dieser musste daraufhin den Posten des Regierungspräsidenten für den Sozialisten Pedro Sánchez frei machen.
Neben Vergeltung versucht die PP mit ihrem Verhalten im Senat auch die neue Regierung Sánchez in die Bredouille zu bringen. Denn der Sozialist wollte eigentlich den Haushalt akzeptieren, der Stabilität wegen. Selbst einen neuen zusammenzuschreiben, wäre bei dem Sammelsurium von Parteien, das ihn unterstützen, mehr als schwierig. Doch genau das droht jetzt. Denn – so sieht es das spanische Gesetz vor – wird der Haushalt im Senat abgeändert, muss er zu einer erneuten Lesung ins eigentliche Parlament, in den Kongress. Und dort hatte dieser Haushalt weder die Zustimmung von Sánchez' Sozialisten noch von der linksalternativen Podemos oder den Parteien aus Katalonien. Eine lange, schwierige Debatte wird sich kaum verhindern lassen.
Was auf den erste Blick wie ein geschicktes Oppositionsmanöver der PP aussieht, hat weitreichende Auswirkungen. Die PP und auch die rechtsliberalen Ciudadanos verlieren dadurch an Glaubwürdigkeit. Gut so, könnte man meinen, wenn man nicht mit der politische Rechten sympathisiert.
Doch das ist kurz gedacht. Denn sicher schaut auch Brüssel ganz genau hin, wenn in einem Mitgliedsland eine ehemalige Regierungspartei ihren eigenen, mit Europa abgesprochenen Haushalt zu Fall bringt. Und das ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, was für Auswirkungen eine erneute, langwierige Haushaltsdebatte in Spanien auf die Stabilität der Eurozone als solche und die Risikozuschläge der Länder im Süden haben kann. PP – und auch Ciudadanos – verzocken im Parteiinteresse die Glaubwürdigkeit eines ganzen Landes.
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