Kommentar Sozialpolitik der AfD: Ins Herz der Linkspartei
Ein taktisches Manöver? Mit ihren sozialpolitischen Forderungen zielt die AfD auf Wähler der Linkspartei und auf Nichtwähler.

Es ist eine Mär gusseiserner Linker, zu glauben, dass autoritär geprägte Parteien und Bewegungen ausschließlich als Büttel des Kapitals auftreten. Erst eine vermeintlich gerechte Sozialpolitik verschafft ihnen die notwendige Basis, um auch in der Bevölkerung zu punkten.
Das war so bei der NSDAP, die den 1. Mai als Feiertag einführte und für steuerfreie Nacht- und Sonntagszuschläge sorgte, das ist so bei der Hamas, die eine religiös geprägte Wohlfahrt für Arme organisiert, und das gilt auch für den Front National, der das Finanzkapital bändigen will. Es war deshalb nur eine Frage der Zeit, bis sich auch in der bis dato neoliberal geprägten AfD die Stimmen für eine Politik zugunsten der sozial Schwachen mehren.
Wenn nun ausgerechnet der rechte Flügel um Björn Höcke das Thema forciert, dann geschieht das auch in der Tradition der deutschen und europäischen Rechtsextremisten. Ob es sich dabei um ein rein taktisches Manöver handelt oder ob diese Politiker tatsächliche Wohltaten im Sinn haben, ist von geringer Bedeutung.
Es hilft auch nichts, zu beklagen, dass so manche Inhalte – etwa das Verlangen nach höheren Renten und besseren Löhnen – von der Linken abgeschrieben sind. Aber so viel ist sicher: Die Kombination aus nationalistisch-patriotischer Rhetorik und sozialistisch anmutender Sozialpolitik ist ein Stimmenfänger par excellence. Sie kann das Zeug dazu haben, dass aus der bisherigen Nischenpartei eine Bewegung wird, die die Grundfesten der Demokratie ins Wanken bringt.
Mit ihren sozialpolitischen Forderungen zielt die AfD nicht länger auf traditionelle Rechte, sondern auf Wähler der Linkspartei und auf Nichtwähler. Ob sie damit Erfolg haben wird, hängt auch davon ab, ob die Linke sich selbst von populistisch-national anmutenden Forderungen verabschiedet und sich damit in direkte Konkurrenz zu den Rechten begibt. Eine solcher Wettbewerb wäre nicht zu gewinnen. In Sachen Populismus ist das Original allemal stärker als die sich links anmutende Kopie.
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