Kommentar Schäuble und Griechenland: Die Grünen dürfen nicht zustimmen
Der Tsipras-Regierung blieb nichts anderes übrig, als sich dem EU-Diktat zu beugen. Im Bundestag verbietet es sich, diese Politik zu unterstützen.
W olfgang Schäuble bleibt sich treu. Auch nachdem das griechische Parlament mit großer Mehrheit den Weg für die Verhandlungen über ein drittes sogenanntes Hilfspaket frei gemacht hat, gibt der Bundesfinanzminister den Zuchtmeister der Eurozone. Weiter lässt er unbarmherzig das Damoklesschwert des „Grexit auf Zeit“ über Griechenland schweben. In Deutschland kommt das gut an. Noch nie war Schäuble so beliebt. Ihn umgebe „ein Hauch bismarckscher Machtpolitik“, schwärmt ein renommierter konservativer Kommentator über den „eisernen Schattenkanzler“. Um ein solidarisches und demokratisches Europa ist es schlecht bestellt.
Denn jenseits der deutschen Grenzen, besonders in Südeuropa, repräsentiert Schäuble den hässlichen herrischen Deutschen, der Wahlen und Abstimmungen nicht respektiert. Gegenüber Griechenland betreibt er weiter eine Politik des Staatsstreichs: Alexis Tsipras und Syriza müssen endgültig erlegt werden. Ein Exempel soll statuiert werden, um den Menschen in der EU jegliche Hoffnung auf eine emanzipatorische Alternative zur Austeritätspolitik auszutreiben.
Die frühere grüne Vizeparlamentspräsidentin Antje Vollmer fühlt sich bereits an den Prager Frühlings erinnert, als Alexander Dubček gezwungen wurde, das Diktat der „Warschauer Fünf“ zu akzeptieren oder unterzugehen. Mit dem Scheitern des reformkommunistischen Generalsekretärs der tschechoslowakischen KPČ starb damals in Osteuropa auch die Hoffnung auf einen „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“.
Am Freitag werden der Bundestag und das österreichische Parlament ihren Segen zu den Verhandlungen mit Athen geben. Die jeweiligen großkoalitionären Mehrheiten stehen. Unterschiedlich wird allerdings das Abstimmungsverhalten der Grünen diesseits und jenseits der Alpen sein. Anders als in Deutschland wollen die Grünen in Österreich mit „Nein“ stimmen. Sie sehen Hellas durch die EU-Auflagen „unter europäische Kuratel gestellt“ und verweigern ihre Zustimmung zur „Aushebelung demokratiepolitischer Grundsätze“. Daran sollten sich die deutschen Grünen ein Beispiel nehmen und gemeinsam mit der Linkspartei mit „Nein“ stimmen.
Der Tsipras-Regierung mag in der derzeitigen Situation nichts anderes übrig bleiben, als sich dem EU-Diktat zu beugen. Aber im Bundestag verbietet es sich, Schäuble in seinem antidemokratischen, antisozialen und antieuropäischen Vorgehen zu unterstützen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Frauen in der ukrainischen Armee
„An der Front sind wir alle gleich“
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts