Kommentar SPD-Kanzlerkandidat Schulz: Du, ich bin der Martin
Bei seinen ersten Auftritten als Kanzlerkandidat hat Schulz alles richtig gemacht. Vorerst. Wer aber von einer Revolution träumt, ist bei ihm falsch.
rmel hochkrempeln. Rücken gerade machen. Und den Menschen, die sich an die Regeln halten, signalisieren, dass sie ihm vertrauen können. Dafür, sagt Martin Schulz in seiner ersten Rede als Kanzlerkandidat, dafür trete er an. Das klingt alles extrem nach einer Worthülsensammlung aus dem Redebaukasten „Sozialdemokraten für Anfänger“. Und genau deshalb hat Schulz alles richtig gemacht. Erst einmal.
Konkret hat er nicht allzu viel gesagt, geschweige denn versprochen. Nicht bei seiner Rede im Willy-Brandt-Haus am Nachmittag. Und auch nicht am Abend bei seinen TV-Auftritten im „Bericht aus Berlin“ oder bei „Anne Will“. Er hat die Krippen, Kitas und Ganztagsschulen als Leuchttürme der Republik gepriesen. Er hat angeprangert, dass Arbeitnehmer mehr für ihre Krankenkassen zahlen als ihre Arbeitgeber. Er hat angekündigt, Steuerflucht bekämpfen zu wollen. Nur wie genau, das ließ er genauso offen, wie die Höhe eines höheren Mindestlohns, den er anstrebt. Und auch mit welcher Koalition er das eigentlich umsetzen will.
Wer von einer Revolution träumt oder wenigstens von einem radikalen Wandel nach links, ist falsch bei Schulz. Aber er darf ja auch seine Kernklientel nicht verschrecken. Und die muss die SPD nicht nur halten, nein, sie muss sie in Teilen erst einmal zurückholen – von der AfD.
Deshalb riecht seine Rede von Anfang an ein wenig nach Erbsensuppe, die in einer guten Stube mit Blümchentapete vor sich hin köchelt, in der Arbeitersiedlung hinter dem Gartenzaun. Ein bisschen spießig, vor allem aber: normal. Anders gesagt: Sozialdemokratischer geht es gar nicht.
Du, sagt der Kandidat, ich bin der Martin. Ich bin aus der Provinz, ich kenne dein Leben. Du kannst mir vertrauen. Anders als den Rechtspopulisten, deren Politik er in dankenswerter Klarheit geißelt. Anders als den Politikern der Union, die er für alle Fehler der amtierenden Koalition verantwortlich macht. Anders aber vor allem auch als all den Steinbrücks, Steinmeiers, Gabriels und Schröders, die an der Spitze der SPD standen, denen es aber nicht mehr gelungen war, die sozialdemokratische Idee mit ihrer Geschichte zu verkörpern.
Dass das allein am Ende für einen SPD-Wahlsieg reicht, ist weiterhin nicht gerade wahrscheinlich. Aber immerhin, ein Anfang ist gemacht.
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