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Kommentar Rot-Rot-Grün in ThüringenWer hat Angst vorm roten Mann?

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Konservative stilisieren Rot-Rot-Grün in Erfurt zur Gefahr. Was die Gegenwart nicht hergibt, muss die Vergangenheit erfüllen.

Zum Verwechseln ähnlich. Bodo Ramelow (links) und Karl Max (noch weiter links) Bild: ap

I n der Merkel-Ära sind scharfe Konflikte Mangelware. Der Grundkonsens – von Mindestlohn bis Atomausstieg – war noch nie so groß, die Opposition noch nie so schwach. Die Entideologisierung hat mit der Großen Koalition ein Maß erreicht, das auch in der auf die politische Mitte fixierten Bundesrepublik erstaunlich ist. Wenn sich alle einig sind, ist die Rolle des Schurken unbesetzt.

Das erklärt, warum Konservative Rot-Rot-Grün in Erfurt so wütend zur Gefahr stilisieren. Was die Gegenwart nicht hergibt, muss die Vergangenheit erfüllen. Aber ihnen steht, wenn Bodo Ramelow Ministerpräsident wird, wohl eine Enttäuschung bevor. Rot-Rot-Grün in Erfurt wird vor allem eins: eine normale Landesregierung.

Der Koalitionsvertrag ist jedenfalls solide. Rot-Rot-Grün verspricht keine großen Würfe, sondern kleine Schritte. Man will den Mittelstand fördern und die katastrophale finanzielle Lage der Kommunen verbessern. Das von der CDU eingeführte Betreuungsgeld auf Landesebene wird eingestampft und durch ein kostenloses Kitajahr ersetzt: eine überfällige Modernisierung. Die Schuldenbremse setzt sowieso enge Grenzen.

Dieser Koalitionsvertrag ist derart sozialdemokratisch gefärbt, dass etwas mehr links und grün nicht schlecht gewesen wäre. Dass eine Umweltministerin die Energiewende forcieren soll, ist erfreulich; das Ziel, das Land 2040 komplett mit Öko-Energie zu versorgen, ehrgeizig.

Keine Blaupause für den Bund

Schade, dass die Grünen nicht auch Landwirtschaft verantworten und den Öko-Umbau der Agrarindustrie betreiben können. Denn SPD und Linke hängen immer noch an der „Big is beautiful“-Ideologie. Und: Es werden nur die V-Leute des Verfassungsschutzes – und vielleicht nicht alle – abgeschaltet. Das wirkt nach dem NSU-Skandal zaghaft. Besser wäre, wenn sich Linkspartei und Grüne mit der Idee, das Amt abzuschaffen oder wenigstens neu zu gründen, durchgesetzt hätten.

Rot-Rot-Grün in Erfurt ist keine Blaupause für den Bund. Und auch der „rote Ring von Ländern ums schwarze Kanzleramt“, von dem Katja Kipping träumt, ist eine Seifenblase. Aber es kann zum Modell werden: ein Beweis, dass die politische Linke Konsens kann. Die Linkspartei hat sich klug bei der Zahl der Ministerien beschieden und SPD und Grünen weit mehr überlassen als üblich. Eine Mitte-links-Regierung, die offen, ambitioniert und stabil ist – das wäre etwas Neues.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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16 Kommentare

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  • . . . . Rückwärts und fast vergessen . . . .

    Warum viele Menschen im Osten, als auch im Westen Angst haben vor dieser Entwicklung? Der Herr Bodo Ramelow ist einfach nur da, man will es ihm beinahe gönnen, Ministerpräsident zu werden, ließe man sich von seiner rührigen Erscheinung leiten. Die Furchterreger sind die, die hinter ihm stehen, die, die Fäden ziehen. Altfunktionäre , die rachelüstern das Interesse hegen, der Welt mitzuteilen, dass Wohlstand und Frieden nicht ausschließlich das Ergebnis freiheitlichen , demokratischen und rechtstaatlichen Zusammenlebends ist . Es sind die Berufsrevolutionäre, die nur ein Ziel verfolgen, und dieses auf Biegen und Brechen seit dem Jahre 1918. Im Herzen Europas handelt es sich, Gott sei Dank, nur um eine Minderheit, dass aber waren sie in der DDR auch. Wie viel Unrecht und Unglück sie geschaffen und wie viel Schaden sie 1989 hinterlassen haben, dürfte allemal bekannt sein. Wie viel Unglück und wie viel Schaden uns jetzt bevor steht, dass kann man wohl erahnen, wenn man den Mut aufbringt und sich die Mühe macht, sich mit ihren tatsächlichen Zielen auseinander zu setzen . . . . .

  • Ich glaube nicht, dass es der LINKEN gut tun wird, dass sie in Zukunft auch mit Ramelow ihren eigenen Kretschmann hat.

     

    Aber, noch ist er ja auch nicht gewählt.

    • @Age Krüger:

      Im Osten ist manches anders. Freilich: Linke Kante ist von Ramelow nicht zu erwarten. Ob er ganz so unverfroren in schwarzgelbbraunem Wasser fischt wie der bekennende Merkelverehrer Kretschmappus, wird man sehen.

  • Diese Regierung sorgt nur für eins: Eine dezente Machtverschiebung auf der Landesebene. Die Linke rückt in die erste Reihe und hat gleichzeitig nicht die Mittel für mehr, für eine echte, andere Politik.

     

    Diese Regierung bietet eben nicht die Alternative, sondern spiegelt die Verhältnisse in Thürigen exakt wieder. Dass diese Mehrheit nicht satt ausgefallen ist, liest man in der Ergebnissen auch ab.

    Es ist bescheiden, was die Regierung will. Das ist wohl auch Kalkül, um die großen Konflikte auszusparen.

    Mit Ramelow gibts aber eben einen neuen wichtigen Kopf auf Bundesebene: Das wird sich immer mal wieder schon bemerkbar machen, siehe Winfried Kretschmann.

     

    Aber auch Baden-Württemberg ist eben keine radikale Alternative zu Merkel. Insofern wird Thüringen an der politischen Ratlosigkeit und dem Aussitzen von Problemen nichts ändern.

  • Guten Morgen liebe Kommentatorinnen u. Kommentatoren.

    In der Kurzform als Resümee dieses Artikels - zur Bildung einer "Rot - Rot - Grünen - Regierung in Thüringen in der TAZ, bleibt der Eindruck: Das die erheblich nach rechts gerückten GRÜNEN, ( die die neo liberale Ideologie der FDP, ausgehend von BaWü. fortsetzen wollen - als GREEN_NEOs ) , die stetig an Wählendensubstanz verlierende SPD ( die unter der B-Reg. Schröder / Fischer ) einen beispiellosen Sozialabbau mit der Hartz4 Gesetzgebung zu verantworten hat, Millionen v. Bürgerinnen und Bürgern in präkere, oftmals aussichtslose Arbeits- u. Lebenssituationen getrieben und eine unglaubliche Umverteilung v. Vermögen und sozialstaatlichen Sicherungsleistungen für Millionen, sowie einen Niedriglohnsektor geschaffen hat, für den nicht einmal mehr der DGB und dessen Gewerkschaften zuständig sind ) mit einer politisch neugeformten LINKEN, eine Regierung bilden, von der keine politischen Veraenderungen in D. ausgehen können.Die gleichgeschalteten öffentl. rechtl. Medien, haben eine völlig entpolitisierte Landesreg. in Thüringen erreichen können, die nun als "harmlos" und realpolitisch agieren muss. Ja es ist eine Landesregierung nur ! Aber "Bier-Mann-Gerede, Gauck-"gegaucke" und Mediendruck sollen jede politische Innovation v. Anfang an verhindern. Und die TAZ ..... ?

    • @norbert prien:

      Und wieder mal vermisse ich den "Like" button bei der TAZ. :)

    • @norbert prien:

      Die SPD (bzw. die "gemäßigte" Linke allgemein) ist in ihrer Geschichte für so einigen Mist verantwortlich, auch für die größtenteils unsäglichen Hartz- und Riester"reformen".

       

      Wenn wir jetzt aber aufzählen wollten wofür die Kommunisten/radikale Linken in ihrer Geschichte alles verantwortlich sind bin ich froh das bei einer Regierungsbeteiligung der LINKEN (vormals SED) diese anständig auf demokratische Realpolitik (die eine Veränderung des Bestehenden nicht ausschließt) eingenordet werden.

       

      Für meinen Teil finde ich es überhaupt fast unerträglich dass SPD und Grüne einen "LINKEN" Ministerpräsidenten wählt und diesem somit Reputation ermöglicht.

       

      Nun gut - warten wir ab was aus diesem Experiment herauskommt, ich hoffe es dauert im Falle, das es gar nicht funktioniert, nicht zu lange.

      • @Waage69:

        Sind wohl Drüben aufgewachsen, daher die Linksphobie?

         

        Was hier Realpolitik genannt wird, hat mit politischer Gestaltung nichts zu tun. Es ist das bloße Verwalten des Bestehenden.

        • @Dudel Karl:

          Wichtig ist, dass Realpolitik eine Richtung hat z.B. das Ziel Hartz und Riester weitgehend zu revidieren was in diesem Falle allerdings keine Landespolitik ist.

           

          Realpolitik muss nicht darauf verzichten mit einer Mehrheit im Rücken Veränderungen zum gegebenen Zeitpunkt gegen Widerstände und selbst subjektiv legitime Einwände betroffener Minderheiten durchzudrücken. Ein kleines Beispiel dazu ist z.B. zur Zeit die Novellierung des Landesjagdgesetzes in NRW oder die Rekommunalisierung von Teilen der Daseinsvorsorge.

           

          Das oft länger als man selber möchte mangels kurzfristig gangbarer Alternative das Bestehende so gut verwalten muss wie es eben geht ist leider so, das sind so die Mühen der Ebene.

          • @Waage69:

            Was Realpolitik wirklich bedeutet, konnte man schön am Atomausstieg sehen.

            Da bekam rotgrün real in 7 Jahren Regierung nicht annähernd das hin, was Frau Merkel in 14 Tagen schaffte, als sie merkte, dass das Festhalten an der Atomkraft ihre Macht gefährden könnte.

             

            Realpolitik ist entweder eine Ausrede dafür, dass man doch lieber Lobbyinteressen vertreten möchte statt der der Bevölkerung oder es ist ein Zeichen von abgrundtiefer Faulheit oder Unfähigkeit, wenn es, wie an oben genannten Beispiel nachgewiesen doch auch in der Realität viel besser gehen kann.

          • @Waage69:

            Alles unbdeutende Nebenkriegsschauplätze. Radwege baut in Ba-Wü inzwischen sogar die CDU ohne die Grünen.

            • @Dudel Karl:

              Wer den Radweg nicht ehrt...

  • Die CDU war in Thüringen fast so lange an der Macht, wie die Mauer stand. Was bei zu langer Macht hervorkommt, kann man an der Mappus-CDU in BaWü sehen, die waren länger am Ruder als Fidel Castro in Kuba.

  • Die Redaktion muss schnellstens ein Update einstellen. Schon seit gestern Abned ist bekannt, dass die Grünen auch das Landwirtschaftsministerium verantworten werden.

    • @Reinhard Muth:

      Wir haben das nochmal überprüft, der aktuelle Stand ist wie im Artikel beschrieben.

  • "Wenn sich alle einig sind, ist die Rolle des Schurken unbesetzt."

     

    Und vor allem sind, wenn sich alle einig sind, auch alle austauschbar.