Kommentar Rechtsextremismus: Subtiler Rassismus der Mitte
Offen rechtsextreme Einstellungen sind in Deutschland auf dem Rückzug. Das geht aus einer neuen Studie hervor. Über Rassismus sagt das aber nichts aus.
Es ist erfreulich, dass offen rechtsextreme Einstellungen auf dem Rückzug sind. Die aktuelle Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung belegt, was sich auch am Niedergang der NPD ablesen lässt.
Das heißt aber noch lange nicht, dass Rassismus und andere Formen der Ausgrenzung zurückgehen. Denn Ressentiments gegen Asylsuchende, Langzeitarbeitslose, Muslime oder Roma sind immer noch weit verbreitet, sagt dieselbe Studie.
Das ist kein Widerspruch. Denn dass Rassismus und Rechtsextremismus dasselbe seien, ist ein weit verbreiteter Irrtum, mit dem sich die Gesellschaft gerne beruhigt. Deswegen fällt es manchen schwer, Rassismus zu erkennen, wenn ein Publizist wie Henryk M. Broder von Muslimen fordert, für jede Moschee, die hier gebaut werde, müsse auch eine Kirche in der Türkei entstehen.
Oder wenn die CSU pünktlich zum Start der EU-Freizügigkeit für Bulgaren und Rumänen eine Debatte über eine angeblich massenhaft drohende „Armutsmigration“ vom Zaun bricht.
In der bürgerlichen Mitte kommen Abwertung, Ausgrenzung und Ideologien der Ungleichwertigkeit natürlich subtiler daher als bei Hooligans und Neonazis.
Die Ressentiments dieser Wutbürger schüren Boulevard-Blätter wie die Bild-Zeitung mit „Das wird man doch mal sagen dürfen“-Schlagzeilen, Hochglanzmagazine wie Cicero und Focus mit Titelgeschichten über „die dunklen Seiten des Islam“ und die Frankfurter Allgemeine Zeitung, wenn sie gegen angeblichen „Gender-Wahn“ und den grün-roten Bildungsplan in Baden-Württemberg zu Felde zieht und dahinter Indoktrination, „Umerziehung“ oder gar eine „Anleitung zum Kindesmissbrauch“ wittert.
Für all die Menschen, die von solchen Ängsten getrieben werden, gibt es jetzt eine Partei: die Alternative für Deutschland, kurz AfD. Auch das weist die Rechtsextremismusstudie nach.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
„Männer“-Aussage von Angela Merkel
Endlich eine Erklärung für das Scheitern der Ampel
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“