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Kommentar Maaßen und SeehoferFatale Patt-Situation

Sabine am Orde
Kommentar von Sabine am Orde

Verfassungsschutzchef Maaßen bleibt im Amt. Erst die Landtagswahl in Bayern könnten Bewegung in die Sache bringen.

Seehofer hat sich schützend vor den untragbar gewordenen Verfassungsschutzchef gestellt Foto: dpa

E s ist fatal. Innenminister Horst Seehofer hat sich hinter den Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz gestellt. Hans-Georg Maaßen bleibt also trotz massiver Verfehlungen im Amt. Der Inlandsgeheimdienst behält einen Chef, der der Kanzlerin öffentlich in den Rücken fällt, ohne diese vorher über seine Zweifel zu informieren. Der in der Zeitung Bild ohne jeden Beleg Verschwörungstheorien verbreitet. Der vorgibt, Desinformation bekämpfen zu wollen und selber Desinformation streut. Der damit ein Narrativ fördert, das Verfassungsfeinden am rechten Rand, die er eigentlich bekämpfen soll, den Rücken stärkt. Und der nach eigenen Angaben noch einmal genauso handeln würde.

Einsicht? Fehlanzeige. Allein, dass er falsch verstanden worden sei, soll Maaßen im Innenausschuss bereut haben. Es ist ein Muster, das an das Agieren von AfD-Politikern erinnert, mit denen sich Maaßen ja gerne trifft. Mit untragbaren Äußerungen vorpreschen, bei Empörung auf Missverständnisse verweisen, rhetorisch etwas zurückrudern, inhaltlich nicht. Irgendwas wird schon hängen bleiben. Ein Verfassungsschutzchef darf so nicht handeln.

Dass Seehofer Maaßen im Amt lassen will, macht ihn als Innenminister genauso untragbar wie seinen Amtschef. Denn, davon muss man ausgehen, er macht all das aus machtpolitischem Kalkül, was wenig mit dem Schutz der Verfassung zu tun hat. Seehofer und Maaßen teilen die Sicht auf die Kanzlerin, beide lehnen ihre Flüchtlingspolitik ab. Und wollen ihren Abgang lieber gestern als heute sehen.

Wäre die Lage der Union nicht so vertrackt, hätte Maaßen wohl längst gehen müssen, zumal es nicht sein erster Fehltritt war. Doch seine Zukunft ist ein Faktor im Machtkampf zwischen Seehofer und der Kanzlerin. Wenn der Innenminister versagt, müsste Merkel eigentlich einschreiten. Doch sie ist zu schwach, um sich gegen Seehofer durchzusetzen. Ihn rauszuschmeißen, was angemessen wäre, würde die Union erneut an den Rand einer Spaltung führen. Und die SPD, die Maaßens Einlassung im Innenausschuss nicht überzeugt hat, wie es am Mittwoch hieß? Auch sie hat viel zu viel Angst vor Neuwahlen, um in der Koalition auf den Tisch zu hauen. All das: fatal.

Seehofer könnte eines der ersten Opfer sein

Vielleicht wird sich das Problem in fünf Wochen lösen, wenn in Bayern der Landtag gewählt wird. In neuen Umfragen liegt die CSU nur noch bei 35 Prozent. Sollte es wirklich so kommen, wird das in der CSU ein Erdbeben auslösen. Seehofer könnte eines der ersten Opfer sein. Nicht nur als CSU-Chef, sondern auch als Bundesinnenminister. Sein Nachfolger täte gut daran, Maaßen zu entlassen.

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Sabine am Orde
Innenpolitik
Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.
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16 Kommentare

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  • Das Ganze ist doch eine gigantische Nebelgranate!

    Wenn hier jemand entlassen werden muss, dann der Staatsminister des Inneren von Sachsen, Wöller (CDU), als oberster Dienstherr der Zentralen Ausländerbehörde Sachsen in Chemnitz, die durch ihre Untätigkeit und ihre Weigerung geltendes Asylrecht umzusetzen und den Haupttäter im Mordfall des ermordeten Deutsch-Kubaners, Yousif A., innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist nach Bulgarien rückzuüberstellen! Dadurch wäre der Mord verhindert worden und es hätte keinerlei Ausschreitungen in Chemnitz gegeben!

    Die zugegebenermaßen törichten Behauptungen von Maaßen haben jedenfalls KEINEN Mord verursacht! Und der Deutsch-Kubaner wurde auch nicht vom "Rechten Mob" ermordet sondern von einem gewaltbereiten, mehrfach einschlägig vorbestraftem, muslimischen Zuwanderer! Punkt!

  • Die Entlassung des maßlosen Maaßen wurde bereits 2015 von Künast, Riexinger und Lindner gefordert. Er habe ein „gestörtes Verhältnis zu den demokratischen Grundprinzipien“.



    Maaßen ist ein notorischer Lügner und konnte im Bereich Innen Politik und Terrorismus lange seinen Rassismus ausleben.



    Eine Zweidrittelmehrheit der BürgerInnen ist gegen diese beiden Typen S&M, wie die letzten ARD-Dimap-Trends zeigen.

  • Hans-Georg Maaßen ist ganz leicht vom Koordinator der Geheimdienste im Bundeskanzleramt oder von Merkel selbst zu entlassen.

  • Seehofer wäre sehr leicht zu entlassen wegen seiner Torpedierung der Brexit-Verhandlungen, als Unbefugter ohne Absprache mit dem Kabinett. Jederzeit.

  • Herr Seehofer scheint die "Verbrannte Erde"-Doktrin zum Ende des zweiten Weltkrieges der Wehrmacht sehr verinnerlicht haben. Dabei ist er erst 1949 geboren. Hat er vielleicht bezüglich seines Alters die Unwahrheit gesagt und damals bei den "Besten" gelernt und perfektioniert nun diese Strategie?

  • Dass Herr Maaßen eine unglückliche Äußerung von sich gegeben hat, ist unbestritten. Aber muss er deswegen gleich zurücktreten? Streng genommen hat er sogar die Wahrheit gesagt. Hier der genaue Wortlaut: "Es liegen keine Belege dafür vor, dass das im Internet kursierende Video zu diesem angeblichen Vorfall authentisch ist."



    Belege für die Echtheit wurden erst nach seiner Äußerung gesucht und gefunden.



    Jetzt wird er als rechtsradikal dargestellt. Schon die AfD als rechtsradikal zu bezeichnen, ist nicht richtig. Es ist kein Beleg, dass er sich mit AfD-Mitgliedern unterhält. Die AfD ist eine demokratisch gewählte Partei. Sich mit deren Vertretern nicht zu unterhalten, ist undemokratisch. Falsch ist es, den Rücktritt von Horst Seehofer zu fordern, nur weil er in der Äußerung Maaßens keinen Rücktrittsgrund sieht. Falsch ist es, besorgten Bürgern rechtsradikale Gesinnung zu unterstellen, weil bei den Demonstrationen Rechtsradikale mitgehen. Bei den Gegendemonstrationen sind auch Linksradikale dabei.



    Wenn ein Politiker, der etwas sagt, das juristisch unantastbar ist, deswegen zurücktreten soll, gleicht das einem diktatorischem Vorgehen. Noch deutlicher wird dies, wenn von Politikern, die der Meinung sind, dass die Äußerung Maaßens keinen Rücktrittsgrund darstellen, der Rücktritt gefordert sind.

    Wir streben maximale Meinungsfreiheit an. Gerade deswegen sollten wir gegenüber der AfD, gegenüber der Pegida und auch gegenüber der Äußerungen Maaßens toleranter sein. Wenn wir zu schnell Konsequenzen wie Rücktritt fordern, sind wir nicht mehr weit von den Verhältnissen diktatorischer Regime entfernt, von denen wir uns so sehr zu distanzieren bemühen.

  • In Deutschland fehlen unabhängigen Dienste wie das FBI in den USA, sind Dienste seit Kaisers Zeiten von Amtswegen weisungsgebunden. Verfassungsschutzämter, BKA,, Staatsanwaltschaften, Polizei in Bund und Ländern gegenüber Innenministern, Generalbundesanwalt gegenüber Justizminister, BND, MAD gegenüber Kanzleramt. Die Folge ist, dass diese Dienste politisiert Teil der Hausmacht einzelner Parteien in Koalitionen in Bund und Ländern werden. Historisch spektakulär war da das Staatssekretärensystem Bundeskanzler Adenauer Kanzleramtschef Globbke 1962 im Kontext sogenannter Spiegel Affäre "Bedingt abwehrbereit" , als der CDU Staatssekretär nicht gegenüber seinem FDP Dienstherrn im Justizministerium gegenüber loyal war, es unterließ diesen über Adenauers Entscheidungen zu unterrichten, sondern gegenüber dem CDU Kanzleramtschef Globke weisungsgebunden blieb. Ähnliches wiederholt sich 1974 im Verlauf inzenierter Günter Guillaume Affäre als Willy Brandt schließlich am 6. Mai in die Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher- FDP Staatssekretär Klaus Kinkel Falle lief als Kanzler zurücktrat.



    BfV Chef Georg Maaßen ist gegenüber Innenminister Horst Seehofer weisungsgebunden, der Maaßen öffentliche Einlassungen verbieten aber auch genau zu diesem Zweck, wie offensichtlich rund um Chemnitz Ereignissen geschehen, ins Feuer schicken kann, durch Fehlentscheidungen zu dunklem Zweck Aufsehen zu erregen, durch Umdeutung der Fakten in Chemnitz zu Fake News gezielt für Desinformation in zu sorgen, während Seehofer überrascht tut, von allem, was er selber angewiesen, nichts gewusst haben will, sich als gefühltes Maaßen Opfer seine Hände öffentlich in Unschuld wäscht, in aller Großmut eine scheinbar schützende Hand auf Amigo Maaßen zu legen, diesen aber im Grunde als sein Bauernopfer bereits jetzt aufgebaut kenntlich zu machen, wenn die Bayern Landtagswahl für die CSU in 5 Wochen in die Grütze geht. selbst in eigenen Reihen sein Rücktritt gefordert, Maaßen statt seiner gehen muss.

  • "Mit untragbaren Äußerungen vorpreschen, bei Empörung auf Missverständnisse verweisen, rhetorisch etwas zurückrudern, inhaltlich nicht. Irgendwas wird schon hängen bleiben. Ein Verfassungsschutzchef darf so nicht handeln."



    Tut er aber.



    Im Grunde hat er doch gelogen, oder etwa nicht?

    Jeder andere Mensch wäre hochkant rausgeflogen. Aber dieser Verfassungsschutzchef darf eben doch so handeln.

    Er ist m. E. eine große Gefahr für das GG, denn es wird immer mehr nach Belieben folgenlos verletzt. Maaßen gefährdet m. E. den Frieden im Land, und es ist ein Kniefall vor der AfD – geht alles gar nicht.



    Das war für mich wieder einmal ein rote Linie, die im Modus von Machtkalkül und Salamitaktik überschritten wurde – wird sehr schwer zu kitten sein.

  • Typisch Frauenfeind Seehofer:



    Eine Amtsleiterin, die aus dubiosem Gutachten nachweislich falsch bezichtigt wurde, wurde schneller geschasst als man gucken kann.



    Ein Amtsleiter, der wiederholt öffentlich Vergehen begeht, wird geschützt und gestützt.



    Und das von einem Innenminister, der auch für die Polizei zuständig ist.



    Mindestens 50% der Bevölkerung unterdrückt er wegen ihres Geschlechts, zusätzlich dann noch welche wegen Herkunft, Religion etc. Alles Dinge, die unser Grundgesetz verbietet!



    In den Knast mit ihm, nicht in ein Ministerium!

  • Horst Seehofer dürfte auch dann im Kabinett bleiben, wenn er im Bundestag den Hitlergruß zeigen würde.



    Seit 2015 betreibt die CSU, insbesondere Horst Seehofer das Geschäft der AfD. Horst Seehofer ist in gewisser Weise der Chef-Promoter der AfD. Man könnte schon fast meinen, dass Seehofer mit seinem Verhalten wissentlich die anstehenden Landtagswahlen sabotiert, um seinen Intimfeind Markus Söder zu Schaden. Manchmal kann Rache einen Menschen regelrecht auffressen.

  • Maaßen ist ein Jurist, der zu Chemnitz noch ohne Wissen über die Details bereits von "Mord" schwadroniert hat...



    So werden Menschenjäger und Verschwörungstheoretike von oben ermutigt, die Klimaschützer im Hambacher Urwald werden mit massivster Gewalt entfernt, das Klimachaos im trockensten Sommer seit Beginn der Aufzeichnungen wird weiter verschärft, neben vielen anderen deprimierenden Entwicklungen:

    Können dieses Land und seine Folksparteien noch tiefer fallen?



    Oh doch... Fortsetzung folgt. Die Industrie darf in diesem Land alles, die Menschen zählen gar nichts.

    • @Ataraxia:

      Sehen Sie die Dinge nicht so schwarz, bitte. Dieses Land befindet sich nicht am Boden. Und wenn es sich am Boden befände, dann wäre mir die Erklärung, es läge an den Menschenjägern und Verschwörungstheoretikern, viel zu kurz gegriffen.

  • Das einzig Gute daran ist, dass Seehofer ja am meisten der CSU schadet, die befindet sich, dank Rechtsextremistenversteher Maaßen, im Freien Fall. Wenn es so weitergeht, dann kann es noch für eine Regierung ohne CSU, AfD und Linke reichen. Dann knallen die Korken!!!

  • 9G
    91690 (Profil gelöscht)

    Tja dann drücken wir mal die Daumen für eine Grün Schwarze Koalition in Bayern die Herrn Seehofer zurück nach Bayern holt

    • @91690 (Profil gelöscht):

      Grün-schwarz ist in Bayern undenkbar. Vorher gibt es eine CSU-FW-FDP-Koalition.

      • @Minga:

        Mailtütenfrisch

        ”MINGA: Grün-schwarz ist in Bayern undenkbar. Vorher gibt es eine CSU-FW-FDP-Koalition.







        Sabine Amor.de: : "Wenn der Innenminister versagt, müsste Merkel eigentlich einschreiten.



        Doch sie ist zu schwach, um sich gegen Seehofer durchzusetzen. "







        Ich muss mich wiederholen:



        Die Grünen als fünfte Kolonne der CDU in Bayern.







        Frau Merkel als Obergrüne geht es nur um die Sache:



        "Klimaschutz" auch in Bayern. Da kommen die Grünen



        gerade recht.







        Ha ha ha Habeck ich mir doch fein ausgedacht. “

        Ja - aufs Nadelöhr - würd ich auch nicht wetten wollen.