„Hetzjagd“-Diskussion um Chemnitz: Maaßen fühlt sich falsch verstanden
Verfassungsschutzpräsident Maaßen hat der „SZ“ zufolge seine Aussagen zum Chemnitz-Video relativiert. In einem Bericht ans Innenministerium erklärt er sich.
Auch nach Spiegel-Informationen soll Maaßen nicht mehr bestreiten, dass das Video echt ist. Unter Berufung auf das Umfeld des Verfassungsschutzpräsidenten heißt es, Maaßen kritisiere „nur noch“, dass die schnelle Veröffentlichung des Videos in großen Medien unseriös gewesen sei, weil niemand die Quelle und Echtheit der Aufnahme zu dem Zeitpunkt hätte einschätzen können.
Maaßen hatte der Bild-Zeitung Ende vergangener Woche gesagt, es lägen seinem Amt keine belastbaren Informationen darüber vor, dass in Chemnitz nach dem gewaltsamen Tod eines Deutschen vor rund zwei Wochen „Hetzjagden“ auf Ausländer stattgefunden hätten. Damit widersprach er Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Regierungssprecher Steffen Seibert. Maaßen sagte weiter, es lägen auch keine Belege dafür vor, dass ein im Internet kursierendes Video zu den Vorfällen authentisch sei. Für diese Aussagen wurde er scharf kritisiert, Seehofer als Maaßens Vorgesetzter verlangte Aufklärung.
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur geht es in dem Bericht weniger darum, konkrete Belege zu liefern, sondern eher zu erklären, wie Maaßen zu dieser Einschätzung gelangte. Unter anderem wird dabei die Art und Weise thematisiert, wie und durch wen ein Video veröffentlicht wurde, das zeigt, wie Männer Passanten offenbar ausländischer Herkunft bedrohen. Diese Veröffentlichung und die daraus folgende öffentliche Debatte sollen zuletzt dazu geführt haben, dass sich weitere Augenzeugen bei den Behörden meldeten.
Bislang ist Maaßens Bericht nur der Regierung, aber nicht öffentlich zugänglich. Seehofer wollte ihn sorgfältig prüfen, außerdem sollen die parlamentarischen Gremien über den Inhalt informiert werden.
Der Innenminister hatte am Montagnachmittag gesagt, er habe den Bericht noch nicht einsehen können und werde auch erst nach Mitternacht wieder in Berlin sein. Seehofer kündigte an, er wolle sich für die Prüfung des Berichts Zeit nehmen. Am Mittwoch wird der Verfassungsschutzpräsident zu einer Sitzung des Parlamentarischen Gremiums zur Kontrolle der Geheimdienste (PKGr) und auch zu einer Sondersitzung des Innenausschusses im Bundestag erwartet.
„Herr Maaßen muss am Mittwoch im Bundestag Ross und Reiter nennen“, sagte FDP-Chef Christian Lindner der Passauer Neuen Presse. „Entweder gelingt es ihm, Zweifel, die in seine Amtsführung und Kommunikation gesetzt werden, auszuräumen, oder er hat fahrlässig gehandelt. Dann wäre er nicht mehr als vertrauenswürdiger Schützer unserer Verfassung anzusehen.“
Deutliche Kritik an Maaßen
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Gerade in Zeiten von sogenannten Fake News und Verschwörungstheorien ist es die Aufgabe des Behördenchefs, für Klarheit und Gewissheit zu sorgen und sich nicht seinerseits an Spekulationen zu beteiligen oder sie sogar in Gang zu setzen“, so der SPD-Politiker. „Die Öffentlichkeit muss von ihm erwarten können, dass er sich – wenn überhaupt – zu diesem Video erst äußert, sobald er Gewissheit in der einen oder anderen Richtung hat.“ SPD-Chefin Andrea Nahles hatte zuvor Maaßens Ablösung für unausweichlich gehalten, sofern dieser keine klaren Belege vorlegt.
Der stellvertretende CDU-Vorsitzende und nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet sagte am Montagabend beim Düsseldorfer „Ständehaus“-Treff der Rheinischen Post: „Verfassungsschützer sollen Verfassungsfeinde beobachten und nicht der Bild-Zeitung Interviews geben.“ Auf die Frage von RP-Chefredakteur Michael Bröcker zur Zukunft von Maaßen sagte Laschet: „Das wird die Bundesregierung beantworten müssen, wie sie damit umgeht.“ Laschet ist auch CDU-Bundesvize.
„Das ist Saddam-Hussein-Sprache“
Mit scharfen Worten kritisierte Laschet auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), der nach den Ausschreitungen in Chemnitz die Migrationsfrage als „Mutter aller politischen Probleme“ in Deutschland bezeichnet hatte. „Da liegt er falsch“, sagte Laschet. „Das ist Saddam-Hussein-Sprache“. Laschet bezog sich dabei auf Worte des einstigen irakischen Präsidenten Saddam Hussein, der den bevorstehenden Zweiten Golfkrieg Anfang der 1990er Jahre als „Mutter aller Schlachten“ bezeichnet hatte.
Es gebe unzählige Herausforderungen – und die Migrationsfrage sei nicht die einzige, sagte Laschet weiter. Die Aussage von der „Mutter aller Probleme“ trage auch nicht zu Problemlösungen bei. Laschet verwies auf den wochenlangen, von der CSU ausgelösten Streit in der Unionsfraktion um einen Aspekt der Flüchtlingspolitik, der letztlich nur wenige Migranten betroffen habe. Fünf Wochen sei wegen dieser Frage die deutsche Politik hintenan gestellt worden.
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