Kommentar Kongo: Die Ära Joseph Kabila geht zu Ende
Die Eroberung der Metropole Goma durch die M23 ist eine Chance für den Kongo und damit für Afrika. Jetzt können Gespräche über grundsätzliche Reformen geführt werden.
W as interessiert es, wenn tief im chaotischen Kongo eine Rebellenarmee zweifelhaften Rufes eine sowieso schon verelendete Stadt erobert? Die Frage, was die Einnahme der ostkongolesischen Metropole Goma durch die M23-Aufständischen bedeutet, verweist auf die ungewisse Zukunft einer Weltregion, die seit dem Völkermord an Ruandas Tutsi vor achtzehn Jahren in einem Kreislauf von Gewalt und Hass feststeckt.
Afrika kann nicht vorankommen, solange in seinem Herzen solches Leid herrscht, wie es die Kriege im Kongo immer wieder sichtbar machen.
Seit die Demokratische Republik Kongo vor fast zehn Jahren wiedervereinigt wurde, hat eine Illusion den Wiederaufbau des von Diktatur und Krieg zerstörten Landes verhindert: der Irrglaube, dass es genügt, eine anerkannte Regierung in der Hauptstadt Kinshasa zu haben, damit die 70 Millionen Kongolesen überall in einem Land von der Größe Westeuropas ohne funktionierende Infrastruktur Demokratie und Fortschritt verspüren.
ist Co-Leiter des Auslandsressorts der taz.
Nach zwei Wahlgängen in den Jahren 2006 und 2011, der erste von der Bundeswehr abgesichert und der zweite von massiven Manipulationen begleitet, ist dies noch immer nicht der Fall. Genau damit begründen die M23-Rebellen ihren Krieg sowie weite Teile der Zivilgesellschaft ihre Ablehnung der Regierung.
Es ist bezeichnend, dass sich jetzt niemand den Rebellen beim Einmarsch in Goma ernsthaft entgegengestellt hat – auch nicht die mehreren tausend UN-Blauhelmsoldaten, die bei früheren Kriegsrunden regelmäßig den Kopf für das Versagen der Kabila-Streitkräfte hingehalten haben.
Sollte die internationale Gemeinschaft eingesehen haben, dass es sich nicht lohnt, für eine Regierung in die Bresche zu springen, die sich weder selbst verteidigen noch das Volk für sich mobilisieren kann? Und dass ausländische Truppen nicht zu entscheiden haben, welche Kraft sich in einem Machtkonflikt durchsetzt? Das wäre bemerkenswert. Und begrüßenswert.
Insofern ist die Einnahme Gomas durch die M23 eine Chance für den Kongo und damit für Afrika insgesamt. Sie öffnet die Tür hin zu einem überfälligen grundsätzlichen Nachdenken über die notwendigen Reformen in einem Land, dessen Genesung Voraussetzung für Afrikas Fortschritt ist.
Kongos Regierung muss jetzt Gespräche mit ihren Feinden führen – Freunde hat sie ja schließlich kaum noch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Wissenschaftlerin über Ossis und Wessis
„Im Osten gibt es falsche Erwartungen an die Demokratie“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus