Kommentar Kataloniens Unabhängigkeit: Dieses Projekt gefährdet die EU
Das katalanische Parlament will am 1. Oktober wieder über die Unabhängigkeit abstimmen lassen. Ein Erfolg könnte andere Sezessionskonflikte aufleben lassen.
Die Regierung der spanischen Region Katalonien treibt ein riskantes und illegitimes Projekt voran: Sie will die Loslösung von Spanien gegen den Willen der Führung in Madrid. Nun hat das Parlament in Barcelona ein Gesetz verabschiedet, das ein Unabhängigkeitsreferendum am 1. Oktober vorsieht.
Dabei gefährdet der katalanische Separatismus den Zusammenhalt der Europäischen Union. Denn sollten die Katalanen Erfolg haben, wird das sezessionistische Konflikte zum Beispiel im Baskenland, in Schottland, Nordirland, Südtirol, Flandern und Siebenbürgen befeuern. Die katalanische Regierungspartei ERC fordert die Unabhängigkeit sogar für weitere, ihrer Meinung nach katalanische Territorien in Frankreich sowie die spanischen Regionen Valencia und Balearen. Halb Europa könnte sich bald wieder über Staatsgrenzen streiten. Mancherorts wäre sogar Gewalt nicht auszuschließen.
Deshalb sind Volksabstimmungen über die Abspaltung von Regionen zu riskant. Zu gravierend sind die Folgen, zu zufällig die Ergebnisse, da meist nur eine Mehrheit von einer Stimme genügt.
Auf Grundlage solch schwacher Mandate würden dann aber die Interessen der Minderheit drastisch beschnitten, wenn die Separatisten siegen: Katalanen etwa müssten möglicherweise ihre spanische Staatsbürgerschaft abgeben.
Auch die Madrilenen verlören Rechte. Sie würden in Katalonien nicht mehr wie Inländer, sondern nur noch wie Ausländer behandelt werden. Deshalb müssten auch sie gefragt werden. Und aus diesem Grund gibt es in demokratischen Staaten kein moralisches Recht einer Region, im Alleingang über ihre Loslösung zu entscheiden.
Ein Referendum in Katalonien würde noch nicht einmal den Konflikt beenden. Viele Nationalisten dort machen keinen Hehl daraus, dass sie nach einer Niederlage einfach noch einmal abstimmen lassen würden.
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