Kommentar Katalonien: Deutsche Erfüllungsgehilfen

Das Verhalten der spanischen Regierung und Justiz ähnelt einem Staatsstreich. Rajoy versteckt sich dabei hinter den Richtern – und Deutschland.

Demonstranten zeigen ein Transparent mit Puigdemonts Gesicht und die katalanische Flagge

Sieht so Rebellion aus? Demonstration vom 25. März in Barcelona Foto: dpa

Ein europäischer Haftbefehl und ein damit verbundener Auslieferungsantrag – das sieht ganz nach Routine aus. Der fragliche Gefangene, der von Madrid abgesetzte katalanische Ministerpräsident Carles Puigdemont, soll mit der von der konservativen spanischen Regierung von Mariano Rajoy untersagten Volksabstimmung über die Unabhängigkeit am 1. Oktober „Rebellion“ begangen haben. Dies ist ein schweres Delikt, das so mit „Hochverrat“ in ähnlicher Form auch im deutschen Strafrecht vorkommt.

Doch was auf den ersten Blick so klar aussieht, ist es nicht. Denn ohne Gewalt liegt keine „Rebellion“ vor und damit auch kein „Hochverrat“, so wollen es das spanische und auch das deutsche Recht. Wir alle haben die Bilder vom 1. Oktober gesehen. Da ging es tatsächlich alles andere als friedlich zu. Nur: Die Gewalt ging von den spanischen Polizisten aus, die Madrid zu Tausenden nach Katalonien entsandt hatte. Über 900 Verletzte hinterließen sie, während das Wahlvolk, wenn überhaupt, gewaltfreien Widerstand leistete.

Egal ob man die Loslösung Kataloniens von Spanien befürwortet oder nicht, das Recht friedlich dafür zu einzutreten kann niemandem genommen werden. Und Urnen aufzustellen – selbst gegen die Anweisungen durch die Zentralregierung und des Verfassungsgericht – ist ebenfalls kein Verbrechen, sondern ein Zeichen tief empfundenen Vertrauens in die Demokratie, um das angestrebte Ziel zu erreichen.

Politiker und Aktivisten dafür in Untersuchungshaft zu nehmen, sie international jagen zu lassen, sie mit bis zu 38 Jahren Haft zu bedrohen, spricht dagegen nicht vom Glauben an die Demokratie, sondern vom Glauben an autoritäre Lösungen, von institutioneller Gewalt statt notwendigen politischen Dialogs.

Was Spanien betreibt, ähnelt einem Staatsstreich

Puigdemont ist der vom katalanischen Volk gewählte und bei den durch Rajoy angesetzten Neuwahlen bestätigte Regierungschef Kataloniens. Ermittlungsrichter Pablo Llarena ließ ihn nicht ins Land zurück, um vom katalanischen Parlament erneut ins Amt gewählt zu werden. Puigdemont machte den Weg für Jordi Sànchez frei. Der beliebte Aktivist sitzt seit Oktober in Untersuchungshaft. Llarena gewährte keinen Freigang, obwohl dies in der Vergangenheit sogar einem ins baskische Parlament gewählten, mutmaßlichen Mitglied der bewaffneten baskischen Separatisten gewährt wurde. Selbst die UNO kritisierte Spanien deswegen. Der dritte im Bund, der enge Vertraute Puigdemonts, Jordi Turull, wurde am Freitag von Richter Llarena hinter Gitter verfrachtet, bevor er sich dem zweiten Wahlgang im Parlament stellen konnte.

Was die spanische Regierung und Justiz betreibt, ähnelt eher einem Staatsstreich als der vielbeschworenen „Verteidigung des Gesetzes“. Rajoy versteckt sich hinter den Richtern, anstatt ein politisches Problem mit Politik anzugehen. Er vertraut darauf, dass Deutschland ihn bei diesem autoritären Vorgehen unterstützt. Warum sonst hätten seine Geheimdienste abgewartet, bis Puigdemont Skandinavien verlässt, um die Polizei zu verständigen?

In Europa, und dieser Tage ganz besonders in Katalonien, glauben die Menschen fest daran, dass die deutsche Justiz unabhängig ist und die Grundrechte verteidigt. Eine Auslieferung Puigdemonts wäre – nach den Panzern gegen die Kurden – ein zweiter, sehr dunkler Fleck an den ständig wechselnden, pastellfarbenen Kostümjacken unseres Landes.

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Reiner Wandler wurde 1963 in Haueneberstein, einem Dorf, das heute zum heilen Weltstädtchen Baden-Baden gehört, geboren. Dort machte er während der Gymnasialzeit seine ersten Gehversuche im Journalismus als Redakteur einer alternativen Stadtzeitung, sowie als freier Autor verschiedener alternativen Publikationen. Nach dem Abitur zog es ihn in eine rauere aber auch ehrlichere Stadt, nach Mannheim. Hier machte er eine Lehre als Maschinenschlosser, bevor er ein Studium in Spanisch und Politikwissenschaften aufnahm. 1992 kam er mit einem Stipendium nach Madrid. Ein halbes Jahr später schickte er seinen ersten Korrespondentenbericht nach Berlin. 1996 weitete sich das Berichtsgebiet auf die Länder Nordafrikas sowie Richtung Portugal aus.

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