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Kommentar Jamaika und die KlimazieleKohle schafft sich nicht selbst ab

Beim Verbrennungsmotor rücken die Grünen von ihrer Position ab. Wortbruch? Nein, Kritik ist verfehlt. Anders sieht's bei der Kohle aus.

Beim Kohleausstieg haben die Grünen nichts zu befürchten, wenn sie hart bleiben Foto: dpa

Das kam überraschend: Die Spitze der Grünen will bei den Sondierungsgesprächen nicht länger auf einem festen Enddatum für die Zulassung neuer Benzin- und Dieselmotoren bestehen. Und auch beim Aus für die klimaschädlichen Kohlekraftwerke deutet die Partei plötzlich Kompromissbereitschaft an.

Die Grünen nun des Wortbruchs und der Prinzipienlosigkeit zu bezichtigen, wie es Kritiker aus der Umweltszene sofort tun, liegt nahe. Diese Kritik aber ist zumindest beim Verbrennungsmotor kaum gerechtfertigt. Dass die Grünen das Verbot ab dem Jahr 2030 gegen den erklärten Widerstand von Union und FDP durchsetzen können, konnte niemand ernsthaft erwarten – zumal die Forderung ja auch innerparteilich durchaus umstritten war.

Und inhaltlich ist das Abrücken von diesem Ziel nicht dramatisch. Denn es ist letztlich irrelevant, was Jamaika dazu beschließt. Zum einen wird die technische Entwicklung dazu führen, dass Elektroautos Verbrennern in Kürze in jeder Hinsicht überlegen sein werden, zum anderen planen genug andere Länder ein Verbot der dreckigen Technik. Wenn sie nicht untergehen wollen, werden die Autokonzerne ihre Modellpolitik an den Weltmärkten ausrichten – und nicht an den rückwärtsgewandten Vorstellungen der deutschen Konservativen.

Anders sieht es hingegen bei der Kohle aus: Hier wird der Ausstieg nur kommen, wenn er politisch erzwungen wird. Und darum scheint es wenig klug, dass die Grünen auch hier bereits ein Abrücken von ihrem Ziel eines Ausstiegs bis 2030 andeuten.

Der Kohle-Ausstieg wird nur kommen, wenn er politisch erzwungen wird

Zwar ist es richtig, dass es eher auf den Gesamtausstoß der Kohlekraftwerke ankommt als auf das exakte Datum, zu dem das letzte Kohlekraftwerk vom Netz geht. Aber für die weiteren Verhandlungen ist das Nachgeben der Grünen ein schlechtes Zeichen. Die FDP hat in den Sondierungsgesprächen bisher jede Einigung zur Klimapolitik blockiert, indem sie selbst klare Fakten und internationale Zusagen nicht anerkennt. Wenn die Grünen diese Strategie belohnen, indem sie nun ohne Gegenleistung zentrale Positionen räumen, zeugt das nicht gerade von großem Verhandlungsgeschick.

Beim Kohleausstieg wissen die Grünen die Wissenschaft, große Teile der Wirtschaft und die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich. Sie haben also nichts zu befürchten, wenn sie hart bleiben. Wenn sich beim Klimathema jemand bewegen muss, dann ist das ohne Frage die FDP.

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18 Kommentare

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  • Ich fände es jetzt eigentlich nur fair, wenn Lindner zu den Grünen wechselt und denen beibringt, wie man sich für seine Ziele einsetzt. Er könnte zusammen mit der linksliberalen Sabine Leutheuser-Sch. Volkshochschulklassen für die Basis der grünen Partei einrichten, die diese Führung gewählt haben. Oder man clont Trittin, der könnte das auch. Vielleicht sollten FDP und die Grünen auch eine neue Massenpartei gründen:Liberal-Ökologische Einheitspartei Deutschlands gegen die Diskriminierung von Selbstständigen und Autofahrer*n mit schlechtem Gewissen.

  • Hier noch einige Notizen zum sozial ökologischen Wandel.

    1.Tipping Point. Ist der Punkt an dem der Klimawandel nicht mehr umkehrbar ist. Ziele der konservativen die

    Interessen der Konzernlobby bedienenden Kräfte ist es, die Debatte darüber so weit hinauszuverschieben, bis dieser

    Punkt erreicht ist, weil dann ja sowieso alles egal.

    2.Technikfolgenabschätzung. Angesichts der Forderung der Grünen an mögliche Koalitionspartner (Mensch Toni!!) zum bedingungslosen Ausbau der E-Mobilität lässt sich nur konstatieren, Freunde da braucht man keine Feinde mehr. Lithium ist ein begrenzter Rohstoff und der totale Abbau (Titicacasee) angesichts des Technologiehungers vermutlich unvermeidlich (vielleicht gelingt es ja trotzdem das Ökosystem dort zu erhalten), wird aber zumindest nicht ausreichen eine Fahrzeugflotte von mehreren hundert Millionen zu btreiben. Smarte Stromspeicher werden gebraucht für autonome Systeme der KI.

    3.Die Effizienz des Energiesystems. Letzten Endes wird sich die einfachste und billigste Technologie durchsetzen.

    Aktuell ist dies Methan, Erdgas. Laut Zeit und Süddeutscher ist es wirtschaftlich möglich CO2 technisch aus der Luft zu filtern, um Methan als Speichermedium zu ermöglichen. Dies hilft insbesondere auch ärmeren Staaten ein eigenes, importunabhängiges Energiesystem aufzubauen und vielleicht sogar im Zuge der Bildung kontinentaler Staatengemeinschaften, kooperative Wirtschaftssysteme zu fördern. Ausserdem verringert Energieselbstversorgung Kriege und bewaffnete Konflikte, die rund um die Ausbeutung fossiler Energieträger geführt werden.

    4.Prinzipielle Endlichkeit aller fossilen Energieträger.

    5.Ein Atomfusionsreaktor vereint die Energie mehrerer Dutzend wenn nicht gar hundert Atomreaktoren. Risse im Beton? Dezentrale Energieversorgung? Stand der Technik? Nicht vor 2050.

    7.Dezentrale Energieversorgung als ein öffentliches oder privates Gut, ist eine sinnvolle Investitions und Rentenanlage und hilft den Missbrauch der privaten Sparguthaben zu vermeide

    • 8G
      80576 (Profil gelöscht)
      @Pele :

      Auch Solarenergie ist Atomenergie und prinzipiell endlich. Das ist aber kein Grund, sie nicht zu nutzen.

    • @Pele :

      6.Die Entwicklung eines ressourcenunkritischen umweltverträglichen Energiesystems ist ein work in process. Unbestreitbar kann die Entwicklung einer noch effizienteren Strategie wieder alles über den Haufen werfen, Stichwort Wasserstoffspeicher, der aktuelle Stand der Technik ist jedoch schon so weit fortgeschritten, dass er eine ernstzunehmende wirtschaftliche Alternative zum bestehenden fossilen Energiesystem darstellt.

  • 8G
    82278 (Profil gelöscht)

    "und die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich"

     

    Tatsächlich??? Gibt es dafür auch einen handfesteren Beleg als eine Online-Umfrage von YouGov unter 2000 Personen?

  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    "...wird die technische Entwicklung dazu führen, dass Elektroautos Verbrennern in Kürze in jeder Hinsicht überlegen sein werden."

     

    Was so ein taz-Redakteur nicht alles zu wissen meint! Unbelastet von Sachkenntnis hat es sich doch schon immer am leichtesten schwadroniert.

    • @80576 (Profil gelöscht):

      Och, ich hab vom Siegezug der Elektroautos schon in den 90ern gehört...

    • @80576 (Profil gelöscht):

      Bitte nicht am Endsieg im Kampf um sauberen Individualverkehr zweifeln ! ;-)

       

      Mal schauen:

      Verbrennungsmotoren werden mit flüssigen oder gasförmigen Reduktionsmitteln und dem Sauerstoff der Luft als Oxidationsmittel betrieben.

      Tanken geht dadurch sehr schnell.

      Bei der Verbrennung entsteht Abwärme die man im Winter zum Heizen des Kfzs verwenden kann, und der Motor treibt diverse Nebenaggregate wie Servolenkung, Lichtmaschine ect an...

       

      Bei Elektroauto handelt es sich entweder um eine KZF mit Brennstoffzelle - was im Prinzip ein Verbrennungsmotor ist der Strom statt liefert statt mechanische Arbeit - oder um ein KFZ mit Batterie.

      Und in der Batterie hat man wunderschön Oxidierte und Reduzierte Form des Energierträgers durch eine dünne Membran getrennt vorliegen.

      Kann sich noch jemand an die Probleme erinnern die Samsung mit defekten Akkus hatte... ?

      Die ganzen Nebenaggregate die heute der Verbrennungsmotor antreibet müssen natürlich auch von Brennstoffzelle oder Akku versorgt werden... dumm wenn im Winter der Akku kalt ist und weniger Strom liefert.

      (gut, auch Akkus kann man heizen...)

       

      Brennstoffzellen oder Hybridantriebe die mit Methanol oder Ethanol betrieben werden dürften vermutlich eine bessere Lösung sein als teure und schwere Batterien - haben aber den Nachteil das man sie nicht mit dem überschüssigen Strom auftanken kann den die Solaranlagen und Windräder der Besserverdienenden produzieren und der verbraucht werden muss...

      Genügend Biomasse zum vergären oder verrotten sollte sich auch finden lassen.

    • @80576 (Profil gelöscht):

      Gerade bei den Energieartikeln sind fast immer viel Ideologie und Wunschdenken dabei.

      Da wird oft vom "Naturstrom" oder "Öko-Strom" usw. erzählt und geschwärmt, den es gar nicht gibt. Oft werden Naturgesetze einfach nicht beachtet. Was die Naturgesetze gar nicht stört...

  • Wir können nur hoffen, dass die Basis der Grünen auf dem Parteitag Ende November diese nicht nur für das Klima unsäglichen Verhandlungen abräumt und ihre neoliberal verstrahlten Spitzenleute in die Wüste schickt.

  • Tja, es ist ja auch klar - solange Kraftstoffe höher Besteuert werden, als Kilowattstunden lohnt es sich für den Staat mehr, Verbrennungsmotoren weiter zu erlauben...

    (ca. 50ct/Liter Diesel, bzw. ca. 65ct/Liter Benzin vs. 2,02ct/kWh...)

    Für das Bundessäckel ist es nicht sehr erstrebenswert, etwas am aktuellen Modell zu ändern...und aus ideologischen Gründen würden - man sieht es ja jetzt - auf Milliarden von Euronen nichtmal die Grünen verzichten...

    • 9G
      96702 (Profil gelöscht)
      @Markuschi:

      Interessante Hochrechnung! Hier ein paar Anmerkungen: Ein Liter Diesel entspricht einer Energie von ca. 9,5 kWh, 1l Benzin ca. 8,5kWh. Weiterhin kommt bei der elektrischen Energie noch die Umsatzsteuer von 4,66ct/kWh hinzu, welche sich natürlich von Bund und Land gern in die Taschen gesteckt wird. Außerdem kann man mittels der verschiedenen Umlagen welche den Gesamtpreis auch so teuer machen richtig gut von unten nach oben Umverteilen was man sich natürlich auch nicht entgehen lassen darf.

  • Man sollte schon mal die aktuelle Nachrichtenlage checken, bevor man Kommentare schreibt ;-)

     

    "Wenn sich beim Klimathema jemand bewegen muss, dann ist das ohne Frage die FDP."

     

    Dazu die intellektuelle Lichtgestalt aus Bayern aka Dobrindt:

    "Wenn man Schwachsinnstermine abräumt, dann ist das ja noch kein Kompromiss"

     

    Was lernen wir daraus:

    1) Nicht ist so dümmlich, dass es die CSU im Niveau-Limbo nicht noch unterbieten könnte.

    2) Die FDP hat keine Ahnung, dafür hat die CSU einen pathologisch hohen Anteil an Testosteron.

    3) Die Grünen haben eine Strategie, die anderen nur Twitter oder Merkel.

     

    Was kommt also dabei raus? Na klar - kein Jamaika, sondern Wahlkampf. Ab 25.11.

     

    Wir sehen uns an der Plakatwand :-)

    • @JBS_6623:

      Immer gleich raus mit der rechten Keule, weil wer gegen die Ansichten der Grünen ist, ist ein Nazi.

      Ökudiktatur ist das was die Grünen jetzt seit 40 Jahren betreiben, unter dem Deckmantel des Naturschutzes den Umbau unserer Gesellschaft nach ihrem Bilde. Lauft Lemminge lauft, die Klippe ist nicht mehr weit.

      • @Günter Witte:

        "weil wer gegen die Ansichten der Grünen ist, ist ein Nazi."

        War das jetzt ein freudscher Verschreiber? Hat sich gleich der Beissreflex gemeldet, weil mal jemand was sachliches (im Gegensatz zu dem üblichen Geblöffe und Meinungsbrüllerei hier) zu den Grünen schreibt und Ihnen die Argumente ausgehen?

        Und das mit der bösen bösen "Ökudiktatur" tun die Grünen warum genau...weil sie Ökoterroristen sind und nur unseren Untergang wollen? Oder weil sie vielleicht ein bischen weiter denken als FDP (bis Ende des Börsenschlusses) oder CDU/CSU (bis Mittag)?

      • @Günter Witte:

        Wo bitte ist beim Vorschreiber die rechte Keule, die Sie meinen, sich zur Brust nehmen zu müssen?

    • @JBS_6623:

      Natürlich wär's für Deutschland am besten wenn wir eine Regierung ohne die Grünen zusammenbrächten. Aber wenn bei den Koalitionsverhandlungen ein Mittelweg gefunden werden soll, müssen auch die Grünen von ihren ideologisch Weltanschauungen abrücken. Man sollte froh sein wenn auch ein paar realistische Menschen noch sehen was machbar ist und was nicht.

    • 3G
      39167 (Profil gelöscht)
      @JBS_6623:

      Da bin ich aber mal gespannt, ob dies geschieht!

      Wenn die Grünen jetzt die Klimaziele windelweich diskutieren.....

      Bin wirklich neugierig in wie weit sie sich verbiegen lassen.